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Der Verräter
von Friedrich Schauer

LeerAuch wo Menschen ganz fern von Gottes Ordnung leben, pflegen sie noch ein Empfinden für die Unterschiede teuflischer Gemeinheit zu haben, indem beispielsweise ganz allgemein der Verräter besonders verabscheut wird. Heimtücke und Hinterlist werden überall auch außerhalb des christlichen Bereichs als verabscheuungswürdig angesehen, zumal wenn beides seinen letzten Ursprung in persönlicher Gewinnsucht hat. Der Verräter steht nicht zu seiner Tat. Er gibt sich den Schein der Treue und bringt namenloses Unheil über seine nächsten Freunde oft nur, um sich Vorteile zu verschaffen. Damm fehlt das Bild des Verräters nicht in dem großen Bekenntnis des Abstiegs und Untergangs von dem Stamme der Burgunder, das unter dem Namen des Nibelungenliedes in die Geschichte eingegangen ist. Es ist damit nur an einem Einzelbeispiel verdeutlicht, was aus einem Volke wird, in dem nicht mehr oder noch nicht die Gefahr durch Jesus Christus immer neu überwunden wird, daß unter besonderen Voraussetzungen in ihm Verräter entstehen. Die Gestalt des Verräters ist hier nicht die des Hagen, der Siegfried heimtückisch ermordet und der das in diesem Falle nicht einmal aus Gewinnsucht, sondern aus bester Absicht tut. Er glaubt, diesen Verrat deshalb üben zu müssen, weil er Siegfried in offenem Kampf nicht überwältigen kann und doch seine Herrin Brunhilde rächen will. Denn Siegfried hatte Brunhilde schmählich verletzt, indem er - durch die Tarnkappe unsichtbar gemacht - ihr vortäuschte, sein zukünftiger Schwager Gunther kämpfe um sie. Brunhilde aber hatte gelobt, sie würde sich nur dem zur Frau geben, der sie in dreifachem Wettkampfe besiegte. Der Preis dieses Betrugs war für Siegfried die geliebte Krimhilde, die ihm Gunther nach dieser geglückten Täuschung zur Frau gewährte. So sehen wir, wie im heidnischen Bereich die Vorstellung von dem Verräter keineswegs eindeutig ist: Hagen verrät aus Mannestreue; und sein Verrat ist die Antwort auf den vorangegangenen Betrug Siegfrieds an Hagens Herrin. Diese Verwirrung sittlichen Grundverhaltens zeigt sich überall dort, wo an Stelle christlicher Klarheit das Heidentum von neuem aufbricht und die Menschen in ein unlösbares Ineinander von Schicksal und Schuld verstrickt. Erst in der Heiligen Schrift wird, wie alles im Zwielicht Erscheinende, so auch das Bild des Verräters erhellt. Das fängt schon im Alten Testament an. Das geläufigste Bild des Verräters ist die Schlange. Ihr lautloses Schleichen, ihr hinterlistiger Überfall, ihre Lichtscheu, ihr Gift als Angriffswaffe sind als äußeres Kennzeichen schon in vorbiblischer Zeit als Bild des Verräters empfunden worden, der nicht in offenem Angriff vorgeht, sondern List und Verführung zu seinen Waffen wählt. Das wird in der Geschichte vom Sündenfall 1. Mose 3 deutlich: „Die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Feld.” Sie weckt den Zweifel an Gottes Wahrhaftigkeit: „Sollte Gott gesagt haben?” Sie weckt die Begierde. Sie verspricht, was sie nicht halten kann und halten will. Und sie tut alles, um sich grausam ihr Opfer hörig zu machen. Darum ist nach biblischer Überzeugung die zukünftige Herrlichkeit, in der der vom Himmel wiederkehrende Herr noch einmal auf Erden eine Heilszeit aufrichten wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Verräter - im Bilde der Schlange geschaut - gebunden ist und seine Macht über seine Opfer verloren hat.

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Leer2. Sam. 17, 23 ist eine jener Geschichten erzählt, die bis in die Einzelheiten neutestamentliche Ereignisse vorausnehmen und ein Hinweis auf sie sind. Es ist die Geschichte vom Verräter Ahithophel, der sich mit Davids abtrünnigem Sohn Absalom zusammentat und ihm half, seines Vaters Königreich gewaltsam an sich zu reißen. Als aber Ahithophel, d. h. auf deutsch „Bruder der Dummheit”, sah, daß Absaloms Sache verloren ging, erhängte er sich. Beim Blick auf dieses Ende aber steht der gleiche grausige Tod des Verräters Judas Ischarioth vor unseren inneren Augen, wie Matth. 27, 3 - 5 es berichtet.

LeerWenn uns aber die Heilige Schrift nur sagen würde, daß Verräter kein gutes Ende nehmen, würde sie uns nicht mehr mitteilen, als was die Welt selber weiß. Auch der Verräter Hagen bat kein gutes Ende genommen. Denn auf dem Verrat wie auf aller Bosheit kann kein Segen liegen, auch wenn das vor Menschen-Augen verborgen bleiben sollte. Aber die Heilige Schrift sagt uns mehr.

Leer1. Kor. 11, 23 ist uns berichtet, daß der Herr „in der Nacht, da er verraten ward”, das Heilige Abendmahl einsetzte. In jener Nacht, als Mannestreue um schnöden Mammons willen sich in Verrat verwandelte, als tiefste menschliche Verbundenheit unter der Einwirkung de» Versuchers sich löste, da schuf der Herr die Verbundenheit, die kein Verräter und keine Macht der Bosheit lösen kann. Das ist die Verbundenheit seiner opfernden Liebe, mit der Er uns durch Kreuz und Auferstehen mit Gott und untereinander vereint, und mit der Er uns im gesegneten Brot und Wein des Heiligen Abendmahls zu seinem himmlischen Leben stärkt und versiegelt. Da ist der Verräter in uns selber überwunden als eines der Kennzeichen unseres Abfalls von Gott und damit unserer Dienstbarkeit dem Teufel gegenüber. Da wird uns unter Brot und Wein des Heiligen Mahles die Treue Gottes selbst vergebend geschenkt und damit die Fähigkeit, selbst wahrhaft treu zu sein gegen Gott und Menschen mitten in dem tausendfältigen Verrat der gegenwärtigen, von der listigen Schlange beherrschten Welt.

Evangelische Jahresbriefe 1951, S. 70-71

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 15-11-24
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