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Hundertdreiundfünfzig
von Herbert Goltzen

LeerDie Deutung der geheimnisvollen Zahl hundertdreiundfünfzig in der Geschichte von dem wunderbaren Fischzug, den der Auferstandene den sieben Jüngern schenkt, hat die Ausleger von jeher beschäftigt. Die von Karl Bernhard Ritter wiedergegebenen astrologischen und kabbalistischen Deutungen [1950, 110] leuchten nicht sehr ein. Sie können von uns auch nicht nachgeprüft werden - und es ist sehr zweifelhaft, ob die Gemeinde, für die Johannes sein Evangelium bestimmt hat, Zugang zu solchen Kenntnissen haben konnte.

LeerEs liegt näher, zur Deutung die Zahlensymbolik heranzuziehen, die die Heilige Schrift selbst an die Hand gibt, die der Urkirche zugänglich war und deren mystische Deutung der Evangelist in seinem Evangelium und der Geheimen Offenbarung voraussetzt. Ethelbert Stauffer hat mit Recht geltend gemacht, daß zum Verständnis der Gedankenbildung des Urchristentums grundsätzlich zuerst das Alte Testament als die Bibel der Urchristenheit zu befragen ist, die „altbiblische Tradition”, ehe wir entlegene Analogien aus der orientalisch-hellenistischen Welt oder aus dem späteren Rabbinentum herbeiziehen, deren Quellen Jahrhunderte nach den Schriften des Neuen Testaments niedergeschrieben sind.

LeerDie Kirchenväter haben diesen Grundsatz in ihrer Auslegung des Neuen Testaments angewendet, wie ja das Neue Testament selbst das Alte so zitiert und voraussetzt. Eine solche Auslegung bietet Augustinus (tract 122), die uns in der catena aurea von Thomas von Aquin überliefert ist. Augustin schreibt: „Bei dem andern Fischzug (Luk. 5, 6) wird die Zahl der Fische nicht ausgedrückt, gleichsam als ob das dort geschieht, was geweissagt ist durch den Propheten, der da spricht in Psalm 40, 6: „Ich will sie verkündigen und davon sagen, aber sie sind nicht zu zählen”. Hier aber ist es eine bestimmte Zahl, deren Sinn zu ergründen ist. Die Zahl nämlich, die das G e s e t z bezeichnet, ist zehn wegen der 10 Gebote. Wenn (diese Zahl) aber hinzu- kommt zum Gesetz der G n a d e, d. h. wenn zum Buchstaben der G e i s t hinzu- kommt, dann wird zur Zehnzahl ein S i e b e n e r hinzugefügt - durch die S i e b e n z a h l wird ja der Heilige Geist bezeichnet, zu dem die Heiligung eigentlich gehört. Denn zum ersten Male ertönt die Heiligung im Gesetz am siebenten Tage (1. Mose 2, 3). Auch Jesaja, der Prophet, empfiehlt ihn durch sein siebenfaches Werk oder Amt (Jes. 11, 2; vgl. Luthers Übersetzung des Pfingsthymnus: „Du bist mit Gaben siebenfalt / der Finger an Gotts rechter Hand”). Wenn also zum Zehner des Gesetzes der Heilige Geist durch die Siebenzahl hinzutritt, werden es zehn und sieben - und wenn man alle Zahlen von 1 bis 17 zusammenzählt, wächst diese Zahl und kommt auf 153.”

LeerAugustin sieht also in der Zahl 153 die „Dreieckszahl” der Zahl 17, deren Bedeutung dadurch besonders unterstrichen ist. Was sagt dann aber diese Zahl der Fische? Die Fische, die „zur Rechten” des Schiffes ins Netz kommen, sind die aus dem Wasser der Taufe geborenen Gläubigen. Es sind die, die einst am Jüngsten Tage .zur „Rechten” des Herrn stehen sollen. Sie sollen durch den Dienst der Jünger, der Menschenfischer, gewonnen werden. Es werden „große Fische” sein; die „faulen” sind dann bereits weggeworfen, ausgeschieden, wie das Gleichnis Matth. 13, 47-50 schildert: diejenigen nämlich, die „zur Linken” in die Gottesferne verstoßen werden. Woher werden diese für das Himmelreich geretteten, großen und guten Fische, also die berufenen und angenommenen Gläubigen stammen? Es werden Kinder des Alten und des Neuen Testaments sein, aus Juden und Heiden, aus dem Volk des Gesetzes und aus dem Israel nach dem Geist: denn die Zehn des Gesetzes und die Sieben des Geistes werden schließlich zusammenkommen. Es wird hier nicht mehr Jude und Grieche sein, nicht mehr die „Zehn” von der „Sieben” gesondert, sondern in Christo werden sie allzumal eins sein. Die Zahl 17 in höchster Steigerung (die Summe der Zahlen von 1 bis 17!) wird dann erfüllt sein. Die Zeit unter dem Gesetz und die Zeit unter der Gnade wird dann zu ihrem Ziel gekommen sein. Die Vollzahl der Erlösten wird erreicht sein, denn das Netz wird nicht mehr reißen.

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LeerAn dieser Deutung Augustins ist wesentlich die Rückführung auf die Zahl zehn und sieben. Etwas künstlich erscheint die mathematische Operation der „Dreieckszahl”, der Summierung aller Zahlen von 1 bis 17. Untersucht man die Grundlage der Zahl 17, so führt von ihr aber noch ein einleuchtenderer Weg zu 153. 153 ist 9 mal 17! So kommt die Zehn des Alten Testaments und die Sieben des Neuen, des Geistes zusammen mit der Neun. Neun aber ist drei mal drei. Es ist die Zahl der Dreieinigkeit, die Drei in Potenz. Wenn der Dreieinige Gott und die Vollzahl der Gläubigen zusammenkommen, dann ist das Ziel erreicht. Über Menschen aus Juden und Heiden wird in der heiligen Taufe der Name des Dreieinigen Gottes ausgerufen. Sie sind aus dem Wasser der Taufe geboren im Namen des Dreieinigen, und es wird der Dienst der Jünger des Herrn sein, das Netz auszuwerfen unter allen Völkern und sie zu Jüngern zu machen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes durch die Taufe und die Lehre. Und es soll ihnen gelingen: am Ende werden alle aus „Zehn” und „Sieben” im Namen der Dreieinigkeit Gewonnenen ans Gestade der Ewigkeit gebracht werden. Am Ende des Johannesevangeliums vermissen wir den Taufbefehl, wie wir in ihm auch die Einsetzungsworte des Hl. Abendmahls vermissen. In der Bildersprache seiner „Zeichen”-Schau gibt aber an dieser Stelle Johannes den Taufbefehl wieder: „Werfet das Netz aus” - prediget das Evangelium aller Kreatur. „Zur Rechten” werdet ihr die aus dem Wasser Gezogenen finden, sie werden nicht verloren gehen, da das Netz diesmal nicht reißt. Während in der irdischen Kirche gute und faule Fische ununterscheidbar durcheinander gemischt sind, wird in der vollendeten Kirche „am festen Ufer in der Dauer der ewigen Ruhe” (Gregor in hom. 24 in Ev.) die Zahl der „großen”, guten, Gerechtfertigten aus Israel und den Heiden erfüllt sein. Aus allen Völkern sind sie zusammengekommen im Namen des Dreieinigen Gottes. - So ist Missions- und Taufbefehl und -Verheißung in der Bildersprache dieser Zahl verborgen!

LeerDer Beziehungsreichtum dieser Zahlensymbolik läßt ebenso eine andere Aufgliederung zu, in der die gleichen Zahlenelemente vorkommen. 153 ist 12 mal 12 und 3 mal 3. Diese Aufgliederung scheint mir die klarste und gesetzmäßigste zu sein. Zwölf ist selbst zusammengesetzt aus drei mal vier und hat in der biblischen Sprache eine ähnliche Bedeutung wie sieben - drei und vier. Die Zahl der Gottheit und die des Kosmos, der sich nach allen vier Winden erstreckt. Wo Gott, der Dreieinige, und das Weltall zusammenkommen, da ist die Vollendung, die uranfängliche und endzeitliche Harmonie, die Fülle und Vollzahl erreicht. Darum hat die Schöpfung einschließlich des Sabbath sieben Tage - oder darum hat das Gottesvolk zwölf Stämme, und die Kirche gründet sich auf die zwölf Apostel, und die vollendete Gottesstadt hat zwölf Grundsteine und zwölf Tore. Wenn- die Fülle und Vollzahl aus den Völkern gewonnen sein wird, dann sind es die zwölf mal zwölftausend, die 144 000 „Versiegelten” (Offb. 7, 4 und 14, 1.3), die den Namen des Herrn an der Stirn tragen, also die in der Taufe als Eigentum Christi Bezeichneten. Diese Zahl 144 ist aber keine natürliche Zahl, keine natürliche Auslese aus den Völkern, darum muß wiederum zu ihr die Zahl der Dreieinigkeit, die Drei mal drei hinzugezählt werden und das ergibt die 153. Beidemal wird die bedeutungsvolle Zahl potenziert: 12 mal 12 und 3 mal 3. Der Dreieinige Gott und das Gottesvolk kommen zusammen. Das ist das Ziel der Geschichte. Der Erfüllung dieses vom Herrn gesetzten Zieles zu dienen werden die „Sieben” hier von neuem zu Menschenfischern berufen. Indem sie das Netz auswerfen, erfüllen sie den Missionsbefehl, sie werden die aus dem Wasser der Taufe gewinnen, die „zur Rechten” als „Große” stehen sollen, eben die 144 (000), die dereinst vor dem Thron des Lammes stehen sollen. Sie werden Gottes Volk sein: zwölf mal zwölf - und Er selbst, der Dreieinige (3 X 3) wird mit ihnen (144 + 9), Er wird ihr Gott sein.

LeerHundertdreiundfünfzig: die Fülle der Versiegelten und Erretteten, das vollendete Gottesvolk; das Ziel der Heilsgeschichte; die Heimholung der Menschheit zum Dreieinigen Gott; Gott alles in allem! Die „Summa” des Evangeliums - verschlüsselt in einer Zahl!

Evangelische Jahresbriefe 1951, S. 91-93

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 15-11-27
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