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Rassenfrage in Amerika
von Walter Uhsadel

LeerEin junger Deutscher, der nach dem Kriege in England und Amerika Theologie studierte und seit einiger Zeit Geistlicher in Neuseeland ist, Dr. Otto Meinardus, schreibt in der Zeitschrift „Sydenham Methodist Monthly” in freimütiger Weise über die Lage der Neger in Amerika. „Heute noch scheint die Rassengleichheit in vielen südlichen Staaten eine Utopie zu sein. Im Süden ist die Politik klar: der Neger gehört zu einer andern Gesellschaft. Im Norden stellt der Neger die niedrigste Masse der Gesellschaft dar. Die öffentliche Meinung geht unter den Weißen über das, was zu tun sei, weit auseinander. Ich erinnere mich einer älteren Dame, die zu irgendeiner protestantischen Gemeinde gehörte und Stimmen für ein Absonderungsgesetz sammelte. In Memphis traf ich einen protestantischen Geistlichen, der sich in einer Aussprache rühmte, ein aktives Mitglied des Ku Klux Klan zu sein. Seine Meinung war, daß die Neger Bastarde seien und darum kein Stimmrecht haben dürften. Leider ist es wahr, daß die baptistischen und methodistischen Geistlichen im Süden zu den stärksten Kräften gehörten, die das Wiederaufleben des Ku Klux Klan förderten. Ein Landwirt im Süden, der Mitglied der „Bleichgesichter von Tennessee” war, meinte, es sei die Zeit gekommen, ein Sterilisationsgesetz für die Neger einzuführen. Lin recht gebildeter Mann sagte mir, daß die Neger einen tierischen Geruch an sich hätten und daß es daher nur hygienisch sei, sie von den Weißen zu trennen. Ein anderer bemerkte, daß, wenn die Neger die gleichen Möglichkeiten wie die Weißen hätten, sie die Weißen womöglich unterdrücken und ihnen alle Leiden, die die Neger in zwei Jahrhunderten ertragen mußten, zurückzahlen würden. Eines Tages fuhr ich nach New Orleans mit einem der schnellen und bequemen Transcontinental-Busse. Ich stieg in einen Bus in St. Louis und setzte mich neben einen jungen Farbigen. Wir fuhren vier Stunden durch den Missouri-Staat und unterhielten uns über gemeinsame Interessen, als der Autobus plötzlich hielt. Wir hatten irgendeine Grenze erreicht. Wir hatten den Missouri-Staat verlassen. Der Autobusfahrer kam auf mich zu und bat mich, einen der vorderen Plätze einzunehmen, während mein neuer farbiger Freund im Hintergrund des Busses stehen mußte. Und so fuhren wir durch die weiten Räume des Südens. Hier und dort hielten wir, um etwas zu essen. Da waren Warteräume für Weiße und Farbige, da waren Restaurants für Weiße und Farbige. Es wurde mir erzählt, daß neulich zwei Neger gelyncht worden sind. Ich hatte schon davon gehört und versuchte einen Grund zu finden. Aber alles, was ich fand, war, daß sie Neger waren. Das schien Grund genug zu sein... Tief war ich von der Haltung der Römisch-katholischen Kirche in der Rassenfrage beeindruckt. In der St.-Louis-Kathedrale knieten Schwarze und Weiße an dem gleichen Altare, ihren einen Gott anzubeten, während es ein jammervolles Bild ist, den Protestantismus in weiße und schwarze Kirchen getrennt zu sehen...” Der Verfasser weiß jedoch auch von einer starken Bewegung, besonders im Norden, zu berichten, die für die völlige Gleichberechtigung der Neger eintritt. „Einige der nördlichen Universitäten öffnen ihre Pforten für die Neger. Und eine allgemeine Auswanderung farbiger Studenten von den südlichen nach den nördlichen Universitäten findet statt.” Der Bericht, der mehrere Seiten mit Beispielen für die Unterdrückung der Neger füllt, ist in seiner Offenheit erfreulich. Er zeigt, daß der Protestantismus versagt, weil er das Wesen der Kirche verloren hat und zur religiösen Weltanschauung entgleist ist, mit der sich alle nur denkbaren widerchristlichen Tendenzen - wie etwa die von Ku Klux Klan - verbinden können. Wir haben in Deutschland in dieser Hinsicht unsere schmerzlichen Erfahrungen gemacht und können nur hoffen, daß die Christen anderer Länder von uns lernen. Wir sollten aber auch nicht vergessen, daß wir selbst noch einen weiten Weg vor uns haben, wenn wir das, was wir eingesehen haben, verwirklichen wollen. Wie verhalten sich Christen in Deutschland heute zu solchen Problemen? Theoretische Diskussionen werden uns nicht weiterbringen, sondern nur eine klare Entscheidung auf die Frage, ob wir gewillt sind, Menschen, die zum selben Brote und Kelche geladen sind wie wir, beiseitedrängen zu wollen.

Evangelische Jahresbriefe 1951, S. 183-184

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 15-12-01
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