|
Rudolf Stählin |
Welche Bedeutung in der Heiligen Schrift das Wasser hat, zeigt in urbildlicher Weise die biblische Urgeschichte. Das geschieht in drei thematischen Bildern, die dann in der ganzen Schrift variiert werden: Am Anfang der Weltgeschichte ist das wässrige Urelement da, aus dem dann die Ordnung der Schöpfung entsteht (1. Mose 1, 2). In 1. Mose 2 wird von den vier Paradies-Strömen erzählt, die die ganze Welt beleben und befruchten. Schließlich kommt in 1. Mose 6 und 7 die Sintflut, das vernichtende Wasser des Todes, über die Welt. Wir verfolgen das biblische Zeugnis vom Wasser an Hand dieser drei Urbilder und blicken schließlich auf das Wasser der heiligen Taufe, in dem die drei Urbedeutungen zusammengefaßt sind. 1. Das wässrige Urelement, über dem vor der Schöpfung der Geist Gottes schwebt, ist der Zustand des ungesonderten und ungestalteten Chaos, den Gott dann zur gegliederten Ordnung der Schöpfung verwandelt. (Auch bei den Ägyptern ist das Wasser das Urelement, aus dem alles Leben hervorgeht). Am zweiten und dritten Schöpfungstage sammeln sich die Wasser über und unter der Erde. Nach dem alten Weltbild ist der blaue Himmel das obere Wasser über der „Feste”, dem Firmament, und die Erde schwimmt als Scheibe auf dem unteren Weltmeer. So heißt es öfters in der Bibel, daß die Erde rings von Wassern umgeben ist (z.B. Ps. 24, 2; 136, 6; 2. Mose 20,4; 2. Petr. 3, 5). Das biblische Weltgefühl ist nun dadurch bestimmt, daß Gott der beständigen Bedrohung der Schöpfung durch das Chaos wehrt, indem er dem Wasser als „Meer” Grenzen setzt und sie bewacht (Ps. 89,10; 104, 6-9; 124, 2-4; Jer. 5, 22; Hiob 26, 8 ff.). In diesem Zusammenhang sind die neutestamentlichen Berichte bedeutsam, daß Jesus auf dem Meer wandelt, und daß er dem Wasser, das die Jünger im Schiff zu verschlingen droht, vollmächtig gebietet. Christus erweist sich als der Herr über die Wasserfluten, die das Leben zu verschlingen drohen. 3. Das dritte Motiv, das von den vier Paradies-Strömen, ist für die biblische Vorstellungsreihe vom Wasser das wichtigste. Das Wasser ist für das Leben schlechthin unentbehrlich. Wo kein Wasser ist, kann nichts wachsen, gibt es keine Kultur. So ist es natürlich, daß in der alttestamentlichen Geschichte die Quellen zu Schauplätzen des Lebens und der Geschichte werden (Beerseba 1. Mose 21, Kadesch 2. Mose 15; 17; 4. Mose 20), und daß Quellen, weil sie Leben spenden, als heilig angesehen werden. Wenn in 1. Mose 2, 10 ff. berichtet ist, daß der Paradies-Strom sich jenseits des Paradieses in vier Ströme teilt, die - nach der Vorstellung der alten Welt - den ganzen Erdkreis umfließen, dann wird hier bekundet: Das lebenspendende Wasser, dem die Völker in der Geschichte ihr Dasein verdanken, kommt aus dem Paradies. Von dort fließt dem außerparadiesischen Leben beständig frisches „Wasser” zu. Nun klingt durch die Heilige Schrift in schier zahllosen Variationen immer wieder das Thema von dem belebenden und heilbringenden Wasser hindurch: Wenn wir an erster Stelle die Kraft des Wassers zu r e i n i g e n nennen, dann entspricht das einer Grundbedingung des Lebens, besonders im Orient. Hierher gehört die Waschung vor der Mahlzeit und vor den gottesdienstlichen Handlungen, die Sitte der Fußwaschung und auch die Reinigung vom Aussatz durch das Bad im Jordan (2. Kön. 5, 9 ff.), schließlich auch die verinnerlichte und vertiefte Reinigung des ganzen Menschen, die in Hes. 36, 25-27 verheißen ist, und die Johannes-Taufe im Jordan. Wenn der Herr nach Joh. 2 das jüdische Reinigungs-Wasser in Wein verwandelt, deutet er damit das Ende der alten gesetzlichen Weise der Reinigung an und verwandelt sie in die neue Weise des Evangeliums. Zur reinigenden Funktion des Wassers kommt die h e i l e n d e . An die Heilung des Naeman durch das Bad im Jordan wurde schon erinnert. Es ist auch zu beachten, daß das Wort „Ich bin der Herr, dein Arzt” im Zusammenhang der Geschichte steht, in der ungenießbares Wasser süß gemacht wird (2. Mose 15, 23 ff.). Die Wasserfrage wird bei der Wüstenwanderung Israels geradezu zur Schicksalsfrage. Schon die erste Generation kommt über den Wassermangel bei Raphidim in Versuchung und ins Hadern, wie in 2. Mose 17, 7 erzählt ist. (Die Ortsbezeichnungen Massa und Meriba bedeuten nichts anderes als „Versuchung” und „Hadern”.) Weil die Menschen kein Wasser haben, zweifeln sie an Gottes Gegenwart. Bei der zweiten Generation wiederholt sich dasselbe (4. Mose 20). Diesmal wird auch Mose unwillig und beginnt zu zweifeln (vergl. die Erläuterung zu 4. Mose 20, 10 ff. in der Stuttgarter Jubiläumsbibel). Gott gibt aber in seiner Barmherzigkeit Wasser aus dem Felsen und verherrlicht sich damit an dem ungläubigen Volk (das ist der Sinn von Vers 13b; vergl. Zürcher Bibel). Aber dieses wunderbar geschenkte Wasser bleibt das „Haderwasser” von Kadesch. Um dieses Haderns willen kommt weder das Volk noch Mose ins Land der Verheißung (4. Mose 20, 12; 27, 13 f.). Israel hat Gott nicht durch das Wasser - d.h. durch das Vertrauen, daß Gott ihm Wasser geben kann - verherrlicht (4. Mose 27, 14; vergl. Zürcher Bibel). So ist es verständlich, daß das Wasser zu einem Bilde des Lebens und des Heils schlechthin werden kann: Ps. 23, 2; 36, 9-10; 42, 1 f.; 63, 2; 65, 10 (hier steht das schöne Wort von Gottes Brünnlein, das Wasser die Fülle hat); Jes 12, 3 („Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus dem Heilsbrunnen”); Jes. 41, 17-20; 4, 3; 55, 1 ; 58, 11. Ja, Gott selbst wird dei lebendige Quelle genannt (Jer. 2, 13. 31; 17, 13). Hes. 47 zeichnet die Heilszeit mit dem Bilde des Wasserstromes, der unter dem Tempel Gottes entspringt und überall, wo er hinkommt, wunderbar Leben hervorbringt (vergl. auch Sach. 14, 8). Auch der Heilige Geist wird gerne unter dem Bild des ausgegossenen Wassers gesehen: Jes. 44, 3; Joel 3, 1; Tit. 3, 6. Besonders im vierten Evangelium und in der Offenbarung St. Johannis hat das Wasser diese hintergründige Bedeutung der Heilsgabe. Unausgesprochen liegt hier der Glaube zugrunde, daß Jesus Christus die Heilserwartung der alten Zeit in Seiner Person erfüllt. Unter diesem Aspekt muß man die Geschichte von der Hochzeit zu Kana, das Gespräch mit der Samariterin, die Heilung am Teich Bethesda, die Geschichte von der Fußwaschung und den Lanzenstich (Joh. 19, 34), auch die geheimnisvolle Stelle 1. Joh 5, 6-8 verstehen. Die schwierige Stelle Joh. 7, 38 besagt, besagt, daß der, der das Christusheil an sich erfahren hat, selbst wieder für andere zu einer Quelle belebenden Wassers wird. In Offenb. 21 und 22 erscheint noch einmal das Bild vom Lebensstrom, als eine Zusammenfassung des gesamten endzeitlichen Heils, das „umsonst” zu haben ist. Das Aug allein das Wasser sieht,Evangelische Jahresbriefe 1952, S. 91-94 |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-09-29 Haftungsausschluss |