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von D. Otto Dibelius |
Es würde mir nicht anstehen, zu dem besonderen Lebenswerk D. Stählins, dem diese Blätter gewidmet sind, ein Wort zu sagen. Aber als Vorsitzender des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland habe ich Anlaß genug, des nunmehr Siebzigjährigen in aufrichtiger Dankbarkeit zu gedenken. Es ist in Deutschland immer eine Ausnahme gewesen, daß eine Landeskirche einen Professor zu ihrem Bischof berief. Diese wenigen Fälle waren immer von markanter Bedeutung; aber es war auch immer ein leises tragisches Moment dabei. Es war mutig von den Oldenburgern, den Professor Stählin zu rufen. Er war während des Kirchenkampfes der langjährige Seelsorger der bekenntnistreuen Pfarrer von Oldenburg und Bremen gewesen. Aber er war auch ein Mann, der kirchlich eine besondere Linie vertrat, der eine nicht kleine Schar von Theologen in einem besonderen Zeichen um sich gesammelt hatte. Er sollte nun Bischof einer Landeskirche sein, in der er jedem Pfarrer und jeder ernstlichen kirchlichen Arbeit gerecht werden mußte! Aber das Wagnis wurde belohnt. Die ersten Jahre nach 1945 waren für die Oldenburger Kirche eine große Zeit. Das gesamte kirchliche Deutschland horchte auf. Hier standen vier Männer zusammen: Stählin, Ehlers, Kloppenburg und Osterloh, die kraftvoll etwas Neues wollten. Visitationen kamen wieder in Gang. In das Verhältnis der Pfarrer zur Kirchenleitung kam eine brüderliche Atmosphäre. Eine Verfassung wurde geschaffen, die in mancher Beziehung vorbildlich war. Die Gemeinden lernten wieder, daß sich alles Gemeindeleben am Gottesdienst orientieren muß. Das Verhältnis der Kirche zur Lehrerschaft wurde so positiv und freundlich, wie es zuvor nie gewesen war. Die Leitung in diesem allen hatte der Bischof. Er übte sein Amt mit reicher seelsorgerlicher Erfahrung. Er wußte mit seinen besonderen Anliegen so weit Maß zu halten, daß niemand sich überfordert zu fühlen brauchte. Gewiß können auch hervorragende Männer an der Spitze der Kirchenleitung den Stand des kirchlichen Lebens nicht in wenigen Jahren umgestalten. Aber man hatte doch den Eindruck, daß hier geschah, was überhaupt geschehen konnte, um die geistliche Verantwortung der Kirche kraftvoll zur Geltung zu bringen. Dann meldete sich auch hier leise der tragische Einschlag in die Arbeit. Nach den Ereignissen bei der Wahl des Nachfolgers versteht ein jeder, daß die letzten Amtsjahre Bischof Stählins Jahre innerer Nöte, Schwierigkeiten und Entsagungen gewesen sind. Aber er hat sein Amt trotz alledem mit großer Freudigkeit geführt. Für die evangelische Kirche Deutschlands war das von besonderer Bedeutung. Wir haben nicht viele Bischöfe, die Jahre hauptamtlicher theologisch-wissenschaftlicher Bedeutung hinter sich haben, so daß sie jedem theologischen Problem gewachsen sind, und die zugleich die Gabe der geistlichen Einfühlung in das Denken anderer in solchem Maße besitzen, daß man ihrem Urteil trauen kann. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat sich oft genug an D. Stählin mit dem Anliegen gewandt, ihm in einer besonderen Aufgabe hilfreich zu sein. Er hat nie vergebens gebeten. Dafür schuldet er Bischof Stählin dauernden Dank. Als D. Stählin aus seinem Amte schied, ist mündlich und schriftlich der Wunsch zum Ausdruck gekommen, daß seine Verbindung mit dem, was man die amtliche Kirche nennt, nicht gelöst werden möchte. Dieser Wunsch bleibt bestehen. Er gibt den Grüßen der Evangelischen Kirche in Deutschland zu Bischof Stählins 70. Geburtstag ihr besonderes Gewicht. Quatember 1953, S. 193-194 |
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