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Vom Quempas zum Quatember
von Erich Müller-Gangloff

LeerSeitdem die Evangelischen Jahresbriefe unter dem Namen Quatember in neuer Gestalt erscheinen, ist unser Bemühen darauf gerichtet, die einzelnen Hefte ohne allen Formzwang je unter besondere Motive zu stellen. Es ist dabei nicht nur an Hauptmotive wie „Geburt”, „Bruderschaft” oder „Evangelische Akademie”, sondern auch an beiläufige und Nebenmotive gedacht, die nur hie und da - vielleicht in Berichten und Rezensionen - wiederkehren und daher nur dem aufmerksamen Leser bewußt werden mögen.

LeerIn diesem Heft aber möchten wir ganz ausdrücklich die Aufmerksamkeit des Lesers auf das zweite leitende Motiv neben dem beherrschenden Thema der Osterwoche lenken: auf das Jubiläum des Bärenreiterverlages, dem ja nicht nur der diesmalige Beitrag in der Reihe „Nach einem Menschenalter” gewidmet ist. Wenn das unter dem Motto Quempas - Quatember geschieht, so erhebt der Schriftleiter damit nicht den Anspruch, etwas besonders Beachtliches zu einem Thema zu sagen, von dem er wenig oder nichts versteht, sondern es hat einen historischen und beinahe anekdotischen Grund:

LeerEs war im Frühsommer vor nunmehr fast zwei Jahren, als Herausgeber und Schriftleiter mit den beiden Brüdern vom Verlag - Karl Vötterle als Leiter des Bärenreiterwerkes und Paul Gümbel vom Johannes Stauda-Verlag - zu einer abschließenden Besprechung über die künftige Gestaltung der Jahresbriefe zusammenkamen. In der Stunde zuvor war in einem Gespräch zwischen Herausgeber und Schriftleiter zum ersten Mal die Möglichkeit erwogen worden, der neuen Zeitschrift den Namen Quatember zu geben. Wir waren aber, als wir diesen Namen bedachten, beide auf ein eisernes Nein der Verleger angesichts eines derart altmodischen und kuriosen Vorschlages gefaßt. Um so größer und freudiger unsere Überraschung, als Karl Vötterle sofort und ganz spontan zustimmte und damit auch unsere restlichen Bedenken noch ausräumen half.

LeerDiese unmittelbare Zustimmung, durch die der Verleger gleichzeitig zum Namenspaten von Quatember wurde, war mit in den Erfahrungen begründet, die der Bärenreiterverlag seit mehr als zwei Jahrzehnten mit dem nicht unähnlichen Namen „Quempas” gemacht hatte. Vötterle erzählte, er habe diesen Namen, als er ihm zum ersten Mal für die Quempas-Singehefte vorgeschlagen wurde, rund heraus abgelehnt und sich nur widerstrebend für ihn gewinnen lassen, um dann aber die überraschende Erfahrung zu machen, daß gerade die Fremdartigkeit des Namens ganz entscheidend zu dem außerordentlichen Erfolg der Quempashefte beigetragen hat, die heute nach noch nicht fünfundzwanzig Jahren mit einer Auflage von fast anderthalb Millionen das meistverbreitete Liederbuch in deutscher Sprache geworden sind.

LeerVielleicht sollte nun doch an dieser Stelle einiges über den alten wie den neuen Quempas gesagt werden. Wir beschränken uns auf zwei Hinweise, die die Zusammengehörigkeit von Quempas und Quatember unterstreichen. Wie ein Merkzettel des Verlages sagt, wurden von jeher die ersten vier Zeilen des alten Liedes „Quem pastores laudaverunt” in jeder Strophe von vier Gruppen von Kindern „auf vier Chören”, das heißt von vier Stellen des Kirchenraumes aus gesungen: „So verkündete der Gesang es gleichsam den vier Winden, den vier Enden der Erde, den vier Elementen, den vier Jahreszeiten, daß der Heiland geboren sei”.

LeerWenn so der weihnachtliche Quempas als das Herzstück der alten Christnachtfeier in einer eigentümlichen Beziehung zu den vier Jahreszeiten, den quatuor temporibus erscheint, so darf das Alter dieses Liedes in einem Heft, das der österlichen Ökumene gewidmet ist, besondere Beachtung beanspruchen: der Quempas geht bis in das neunte Jahrhundert zurück und stammt damit wie die Quatemberfeste aus dem ersten Jahrtausend der noch ungeschiedenen Christenheit. Der Weg vom Quempas zum Quatember aber ist, wenn wir das, uns selber ironisierend, sagen dürfen, ein echter Fortschritt nach rückwärts: aus dem hohen Mittelalter in die Zeit der frühen Christenheit, die noch vor Konstantin damit anfing, die Feier der quatuor tempora zu begehen.

Quatember 1954, S. 128

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-02
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