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von Ernst Ferdinand Eberhard Bastanier (†) |
Dieser temperamentvolle Appell war mir von einem Glied unseres Bremer Freundeskreises zugegangen. Fast gleichzeitig mit der Erlaubnis, einige kleine Änderungen des ursprünglichen Textes vorzunehmen, erreichte mich die Nachricht von dem unerwarteten Tod des Verfassers. Um so mehr glaube ich dieses Vermächtnis des Heimgegangenen unseren Lesern mitteilen zu müssen.Wilhelm Stählin Seit Urzeiten hat es der Mensch für seine Pflicht gehalten, seinen Göttern, seinem Gott Tempel, Dome und Kirchen zu bauen, deren Schönheit und Pracht alle anderen Gebäude in den Schatten stellten. Das kostbarste Material und die erhabensten Kunstwerke großer Baumeister, Bildhauer und Maler legen ein überwältigendes Zeugnis von dem Geist ab, der Heiden und Christen einst beim Bau ihrer Gotteshäuser beseelt hat. Erst mit der Reformation, in verstärktem Maße mit dem Beginn der „Aufklärung” und mit der französischen Revolution, tritt ein Verfall ein, und die Mehrzahl der seither im protestantischen Deutschland gebauten Gotteshäuser bleibt nicht nur weit hinter jenen Bauten zurück, sondern trägt einen Mangel an künstlerischer Schönheit, ja Armseligkeit als Erweis der dem Christen geziemenden Demut zur Schau. Und während die Priester der römischen und der griechischen Kirche, auch der lutherischen Kirche in den skandinavischen Ländern und in Amerika den Dienst am Altar in kostbaren weißen und farbigen Gewändern versehen, trägt der Pastor der evangelischen Kirche in Deutschland bei allen Diensten ein schwarzes Gewand, das sich von dem des Kirchendieners in anderen Kirchen nur durch das weiße Beffchen unterscheidet, das als der Rest eines breiten Halskragens durchaus säkularen Ursprungs ist. Im Alten wie im Neuen Testament ist das Symbol der Freude, der Reinheit und der Vollkommenheit die weiße Farbe, die noch unzerspaltene Einheit der sieben Farben, die wir im Regenbogen und durch das dreiseitige Prisma sehen. Die weiße Priestergewandung des alten Bundes ist die Grundfarbe, über der die farbigen heiligen Kleider mit ihrem kostbaren Schmuck getragen wurden. Christus erscheint bei Seiner Verherrlichung den Jüngern im weißen Lichtgewand, ebenso wie die Engelerscheinungen, und in der Offenbarung St.Johannis wird die ganze christliche Gemeinde mit weißen Kleidern angetan vor Gott stehend gesehen. Noch im 16. und 17. Jahrhundert und bis ins 19. Jahrhundert hinein waren in den evangelischen Gemeinden in Deutschland die Alba (das lange weiße Leinengewand), die Casula (ein rundes oder ovales weißes Tuch mit einem Loch in der Mitte, durch welches der Kopf gesteckt wurde) und die Stola (ein schmälerer Streifen in den liturgischen Farben) in Gebrauch. Ebenso war der in Luthers Taufordnung vorgesehene Brauch, daß bei der Taufe der Täufling mit einem weißen Gewand, dem sogenannten Westerhemd (von vestis = Kleid) bekleidet wurde, nicht gänzlich außer Übung gekommen. „Nimm hin das weiße Gewand der Ehre und Freude Christi und bringe es unbefleckt vor den Richtstuhl Christi, daß du das ewige Leben habest.” Außerhalb Deutschlands haben z. B. die lutherische Kirche in Schweden und Norwegen und die anglikanische Kirche die kultischen Gewänder beibehalten. Richard Hooker, der Verteidiger der anglikanischen Ordnungen und Formen, schreibt, daß „wir mit Rom durchaus nicht befreundet sind. Aber wenn wir in irgend einer Einzelfrage sehen, daß die römisch-katholische Kirche ein älteres, besseres Erbe bewahrt hat, und die reformierte Kirche dieses Erbe abgetan und durch neuere und schlechtere Erfindungen ersetzt hat, so folgen wir lieber denen, die wir im übrigen nicht lieben, und scheuen uns nicht, von denen abzuweichen, die im übrigen unsere Freunde sind.” Eine so freie Haltung hat freilich nur derjenige, der Rom ohne Angst und Minderwertigkeitsgefühle gegenübersteht. Hooker geht immer wieder auf die frühesten Zeugnisse der alten Christenheit zurück, wenn es sich um Fragen handelt, die nicht eindeutig in der Bibel entschieden sind. Er zitiert Chrysostomus und die Polemik des Hieronymus, der die liturgischen Gewänder gegen Pelagius verteidigte. Auf der Lambeth-Konferenz 1948 in England wurde die Frage der liturgischen Gewänder, wie sie bereits üblich waren, wie folgt entschieden: „In jedem Fall trägt der Priester bei sämtlichen Gottesdiensten als Untergewand einen Cassock, d. h. einen enganliegenden schwarzen, faltenlosen Talar. Darüber trägt er außer einer Stola entweder das Surplice (dreiviertellanges, weites faltiges Gewand in weißer Farbe) oder die Casula oder den vorn offenen, meist reich bestickten Chormantel (Cope). Insbesondere Cope und Casula fordern als Untergewand die Alba.” Freilich, wenn heute einzelne Pfarrer bei den Feiern des Heiligen Mahles das weiße Gewand tragen wollten, so hätten sie wahrscheinlich nicht nur den Ordnungsruf ihrer vorgesetzten Kirchenbehörden, sondern vielleicht auch den Entrüstungssturm ihrer Gemeinde zu befürchten. Die Bewegungen zur Erneuerung innerhalb der Evangelischen Kirche, die die Theologie gewandelt und aus den Gotteshäusern die Geschmacklosigkeiten des vorigen Jahrhunderts beseitigt, auch vielfach die Kirchentüren für den Alltag geöffnet hat, gehen an dem von dem preußischen König angeordneten schwarzen Talar als an einem noli me tangere vorüber; und die gleichen Gemeinden, die in Fragen der Lehre äußerst tolerant, wenn nicht gar gleichgültig geworden sind, sind sehr empfindlich gegenüber jeder Änderung in den „Zeremonien”, insbesondere gegenüber Abweichen von der schwarzen Kleidung, die geradezu als ein Merkmal der „protestantischen” Kirche empfunden wird. Diesen Zustand zu überwinden, bedürfte es einer jahrelangen bewußten Belehrung über den Zerfall der alten gottesdienstlichen Formen der Reformationszeit und einer ebenso bewußten Erziehung zu einem wahrhaft evangelisch-katholischen (das heißt nicht: römischen) Verständnis der christlichen Kirche. Was heute den meisten als eine willkürliche Neuerung oder als ein Rückfall in römische Formen erschiene, ist in Wahrheit die Rückkehr zu altem evangelischem und gesamtkirchlichem Erbgut. Die Frage der liturgischen Kleidung des Geistlichen, des Chores u. a. ist gewiß keine Frage des ewigen Heils. Sie ist eine Frage der Sinn-Bilder, die auch in äußeren Dingen zum Ausdruck bringen und dem Auge darbieten, was das Wesen des Evangeliums ist und als solches verkündigt wird. So sollten uns auch die liturgischen Gewänder daran erinnern, daß wir „zur Hochzeit des Lammes” geladen sind, und daß zu dem königlichen Hochzeitsmahl auch das „hochzeitliche Kleid” gehört. Der Verfasser benutzte für seine Ausführungen vielfach die Schrift von Walter Lotz „Das hochzeitliche Kleid” (Johannes Stauda-Verlag, 1949). Quatember 1954, S. 165-167 |
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