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Schwedische Bruderschaften
von Kurt Meschke

LeerEin schwedischer Hochkirchler würde, nach dem Charakter der Bruder- und Schwesternschaften in Schweden befragt etwa folgendes antworten: „Wir haben keine Orden. Niemand hat die drei Mönchsgelübde abgelegt, oder wenn, dann ganz privat in höchst vereinzelten Fällen. Sondern wir entsprechen den Tertiärorden, dem, was man in der Englischen Kirche mit fraternity bezeichnet, im Unterschied zu fellowship einerseits und community andererseits. Wir sind Kirche, schwedische katholische Kirche. Niemand aber sieht den Unterschied zur römisch-katholischen Kirche so stark wie wir, vor allem in der Frage der sola gratia, des päpstlichen Primatsanspruchs und der Mariologie.”

LeerFür deutsche „evangelische” Ohren klingen manche Formulierungen vielleicht ebenso fremdartig wie für einen schwedischen Freikirchler, aber die Kirchenordnung von Laurentius Petri legitimiert in der Tat nicht nur ein reiches liturgisches Leben mit Gregorianik und Meßgewändern, sondern empfiehlt sogar das Stundengebet. Da dieses Stundengebet seit mehreren hundert Jahren nicht geübt worden war, so konnten Wiederentdeckung und Pflege des Stundengebets (auf schwedisch tidegärd), Kampf für das Bekenntnis und Bildung der Bruderschaften Hand in Hand und mit dem besten kirchlichen Gewissen vor sich gehen.

LeerDies geschah kurz nach dem ersten Weltkrieg, und der treibende Mann ist auch in diesem Fall Erzbischof Söderblom gewesen. Er bildete 1919 zusammen mit der Kronprinzessin Margarete, der ersten Gemahlin des jetzigen Königs, einer Anglokatholikin, und dem frühverstorbenen Axel Luttemann die Societas Sanctae Birgittae (SSB). Diese führte zunächst ein recht verborgenes Dasein, bis sie seit 1940 und der damals einsetzenden theologischen Selbstbesinnung der Kirche bedeutungsvoll wurde. Sie hat jetzt etwa zweihundert Mitglieder, und das jährliche Generalkapitel in Vadstena um den 23.Juli (Birgittas Todestag) wird von Hunderten von Menschen besucht und von der Öffentlichkeit beachtet, ein „eucharistischer Kongreß”. wie man sagt.

LeerDie Birgittensozietät stellt das Zentrum hochkirchlichen Lebens in Schweden dar, sie hat ihre Mitglieder in ganz Schweden, doch mit gewissen Schwerpunkten im Bistum Strängnäs und in Uppsala. Die jüngeren Mitglieder zeigen eine stärkere Neigung zur Ausweitung der Liturgie, etwa mit Waschung (Lavabo) vor der Konsekration, Meßknaben usw. Sie wird geleitet von einem Konfessor für die männlichen und einer Mutter Superior für die weiblichen Mitglieder. Konfessor ist Kontrakspropst Simon Lüders in Strängnäs (Vater Simon), Superior ist Gräfin Mary von Rosen. Visitator ist der frühere Bischof von Strängnäs Aulén.

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LeerMan kann nur auf Vorschlag eines Mitgliedes in die Societas gewählt werden und wird dann Postulant genannt, bis ein Kapitel einstimmig beschließt, daß der Postulant Novize wird. Die Ernennung zum Mitglied liegt in der Hand des Konfessors und der Mutter Superior.

LeerDas tägliche Leben der Brüder und Schwestern wird durch eine Regula geleitet, die jedoch nach ihrer Meinung nicht mehr enthält, als was man von jedem Christen verlangen muß, tägliches Gebet, sonntäglichen Gottesdienstbesuch, Bemühen um eine christliche Lebensführung. Verpflichtung zur Beichte besteht nicht, doch wird diese anempfohlen. Besonders erwähnt sei vielleicht nur das Fürbittengebet am Sonnabend während des Kompletoriums. Die Brüder tragen ein kleines Kreuz mit fünf roten Steinen, den Wunden Christi, die Schwestern ein ähnliches, ergänzt durch die Birgittakrone.

LeerMit alledem schließt sich die Sozietät den Vorschriften an, die die heilige Birgitta für den Tertiärorden gegeben hat, deren Abbild auf evangelischem Boden sie sein will.

LeerAußer dieser über ganz Schweden verbreiteten Bruder- und Schwesternschaft gibt es in fünf Bistümern Pfarrerbruderschaften, die in Aufbau und Zielsetzung einander sowie der Birgittensozietät und englischen Bruderschaften ähnlich sind.

LeerDie älteste und größte Pfarrerbruderschaft ist das Sodalicium Confessionis Apostolicae im Bistum Lund. Sie umfaßt siebzig von den etwa 350 Pfarrern des Stiftes. Sie entstand 1919 im Zusammenhang mit einem Streit um das Apostolicum und gibt durch ihren Namen zu erkennen, daß sich ihre Mitglieder mehr durch Bekenntnistreue als durch hochkirchliche Gesinnung verbunden wissen. Immerhin gehören zu ihr so prononzierte Hochkirchler wie Doktor Gunnar Rosendahl in Osby und Hauptpastor Jan Redin in Långasjö, der Herausgeber der (hektographierten) Rundbriefe für kirchliche Erneuerung (neben Svenskt gudstjänstliv, herausgegeben von D. Arthur Adell, Söderköping, der einzigen Zeitschrift dieser Art). Und immerhin findet sich neben dem Sodalicium eine Schwesternschaft mit einer Art Ordenshaus in Malmö, in dem vier Schwestern sich zu gemeinsamem geistlichem Leben vereint haben. Pater superior ist D. Ragnar Ekström in Färhult in Nachfolge von Propst Alberd Lysander, dem grand old man schwedischer Hochkirchlichkeit. „Stille Tage” werden jährlich. im Juni in Båstad abgehalten, mit täglicher Frühmesse, mit Schweigezeiten und sehr sparsam eingefügten Vorträgen.

LeerDie anderen Pfarrerbruderschaften sind durchweg geringer in Anzahl, keine hat mehr als zwanzig Mitglieder.

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LeerIm Bistum Växjö haben wir das Sodalicium Sancti Sigfridi (SSS), gegründet 1949 (Sankt Sigfrid, ein englischer Missionar, taufte 1008 den ersten schwedischen König Olov Skötkonung und genoß besondere Verehrung in Växjö). Im Bistum Karlstad besteht eine Bruderschaft des Heiligen Kreuzes, im Bistum Skara ein Sodalicium Sankti Brunolfi (Brunolf, ein Engländer, war der erste Bischof von Skara) und schließlich in Stockholm seit 1953 eine St.-Erichs-Bruderschaft unter Leitung von Pastor Lars Lindhagen, Danderyd.

LeerAußer diesen Bruderschaften kann man noch einen Ableger einer englischen ökumenischen fellowship nennen, die in Schweden den Namen St.-Alban- und St.-Sergius Bruderschaft trägt und ungefähr fünfzig Mitglieder hat. [The Fellowship of St. Alban and St. Sergius]

LeerEs ist vielleicht von Interesse, einen Artikel wiederzugeben, den Gunnar Rosendahl in der Januarnummer der Rundbriefe für kirchliche Erneuerung geschrieben hat und in dem er sagt, die tiefe Kluft in der schwedischen Kirche, von der ein Bischof gesprochen habe, gelte der Wahrheitsfrage und könne nur durch Liebe überbrückt werden. Liturgische Sympathien oder Antipathien seien Ausdruck für die verschiedenen Auffassungen. Diese stellt er folgendermaßen dar: „Die eine Antwort lautet: Wir sind Lutheraner. Luther ist unsere Autorität neben der Schrift, die natürlich die unvergleichlich höchste Autorität ist. Die andere Antwort besagt: Wir sind keine Sektierer, wir gehören zur heiligen katholischen oder allgemeinen Kirche, und was katholisch ist, ist unsere Autorität, was also immer und überall und von allen gebilligt worden ist (quod semper, quod ubique, quod ab omnibus), natürlich neben der Schrift, welche die unvergleichlich höchste Autorität ist.”

LeerAls katholisch selbstverständlich (immer in Sinne von allgemein und nicht als Synonym zu römisch) bezeichnet er beispielsweise die Lehre von drei Personen und einer Natur in der Gottheit, von Christi zwei Naturen, von der Realpräsenz und dem Opfergedanken im Abendmahl, von der apostolischen Sukzession und dem allgemeinen Priestertum: „Wie bewunderungswürdig Luther als Bekenner, Seelsorger und Prediger sein mag, so ist er, gelinde gesagt, ein schwerverständlicher Theologe und es ist unmöglich, auf ihn, rein theologisch, zu bauen, er ist temperamentvoll und sympathisch, aber unmöglich als Systematiker; sowohl Thomas von Aquino und Schleiermacher sind bei weitem bessere Systematiker ... Aber laßt uns die theologische Debatte in Liebe führen, das bedeutet: mit Humor, Herzlichkeit, generöser Offenheit, brüderlicher Wärme und in der mystischen Gemeinschaft mit Christus, in fleißigem Gebet, regelmäßiger Kommunion und ausdauernder Meditation.”

LeerDer oben zitierte Artikel ist vielleicht bezeichnend für die Art, wie man in den Bruderschaften empfindet, doch diese Beurteilung Luthers dürfte keine allgemeine Gefolgschaft finden.

Quatember 1954, S. 176-177

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-17
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