|
(Nach einem Menschenalter XII) von Oskar Planck |
* Die hier genannten Veröffentlichungen sind, soweit sie mit einem Stern versehen sind, zur Zeit im Buchhandel zu haben. Wo kein anderer Verlag vermerkt ist, sind sie im Johannes Stauda-Verlag Kassel erschienen. Wir haben immer gesagt, wir könnten unsere wesentlichen Erkenntnisse nicht auf literarischem Weg weitergeben, sondern nur durch Vollzug und Erlebnis. Deshalb sind unsere Freizeiten und geistlichen Wochen, unsere Gottesdienste und Bruderkreise als Verwirklichung oder Versagen wesentlicher als unsere Bücher und Aufsätze. Dennoch haben wir viel geschrieben und viel gedruckt. Die Berneuchener Literatur füllt auf meinem Bücherständer ein ganzes Fach. Es gibt einige Bücher, die uns entscheidenden Anstoß gegeben haben. Sie sind zum Teil vergriffen und nicht wieder aufgelegt worden, aber sie haben in einem bestimmten Zeitpunkt ihre Aufgabe erfüllt. Sie stehen heute nicht mehr auf jedem Bücherbrett, aber sie stehen als Marksteine an unserem geistlichen Weg. Das erste war das Berneuchener Buch von 1926. Es ist in einer Zeit des Zusammenbruchs und der Neubesinnung entstanden. In seinem Format und Druck wirkt es heute wie eine Gedenktafel, damals war es eine Sprengkapsel mit geballter Ladung. Sie sollte die Fassade einer Kirche, die zum Abbruch reif war, zum Einsturz bringen und für einen Neubau Raum schaffen, den die Herausgeber des Buches bereits in seinen Umrissen vor sich sahen. Es war ein prophetisches Buch, das viel von dem vorausnahm, was hernach geschehen ist: Ein Ruf zur Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern. Karl Barths „Römerbrief” von 1919 hat damals die Theologie tief erschüttert und das Fundament unseres Glaubens deutlicher freigelegt. Aber die Kritik an der Kirche ist wohl nirgends mit solch verantwortungsvoller und hoffnungsfreudiger Liebe zur Kirche verbunden wie im Berneuchener Buch. Es hat uns von unserem individualistischen Christentum gelöst und die Arbeit in der Kirche und an der Kirche zu unserer Lebensaufgabe gemacht. Gewiß hat die Bekennende Kirche den Kampfeseifer des Kirchenvolkes leidenschaftlicher entfacht, aber die Gestaltungskräfte und Strukturgesetze für einen Neubau sind doch wohl nirgends so spürbar wie im Berneuchener Buch. Schon im „Berneuchener Buch” stand: „Es gibt keinen sinnvollen Formwillen ohne die Erkenntnis von dem Sinn des Leibes überhaupt”. Der Satz fand 1930 seine notwendige Begründung in Wilhelm Stählins Buch „Vom Sinn des Leibes”* (J. F. Steinkopf, Verlag Stuttgart). Dies war das zweite Buch, das uns wesentliche Erkenntnisse geschenkt hat. Zunächst danken ihm Unzählige ein neues Verhältnis zu ihrem Leib, darüber hinaus aber viele das Verständnis dafür, daß alles in der Welt nach leibhafter Gestaltung drängt. Leibhaftigkeit gehört zur Schöpfung Gottes. „Die Regel des geistlichen Lebens”* von 1946 trägt intimeren Charakter. Wilhelm Stählin hat dieses kleine Büchlein 1943 während des Krieges in ländlicher Stille und Abgeschiedenheit geschrieben. Man spürt ihm das heute noch an. Es wendet sich an alle, die gleich uns aus dem unverbindlichen Christentum der früheren Jahre herauskommen und zu einer verpflichtenden Ordnung ihres Lebens gelangen wollen. Das sind die Menschen, denen wir auf unseren geistlichen Wochen begegnen und die seelsorgerliche Hilfe von uns begehren. Es schließt sich an sechs Sätze an, die in schlichter und fast selbstverständlich anmutender Weise unser Verhältnis zu Gott, zu uns selbst, zum Nächsten und zu den Dingen in Ordnung bringen. Viele Berneuchener haben sich am Altar auf sie verpflichtet. Indem W. Stählin sie auslegt, beschenkt er uns und den weiteren Leserkreis mit der vielfältigen seelsorgerlichen Erfahrung seines reichen Lebens. Dieses Büchlein ist für viele von uns der eigentliche Markstein auf dem Lebensweg. Nun wird mancher erstaunt fragen: Ist denn euer eigentliches Gebiet nicht die Liturgie? Nein. In dieser Begrenztheit ist der Satz falsch. Wir haben uns immer wieder dagegen verwehrt, als liturgische Bewegung verstanden zu werden, aber wir haben allerdings den Gottesdienst als die lebensspendende Mitte der Kirche erkannt und uns daher um seine Gestaltung bemüht. Die Bücher, die hierzu geschrieben worden sind, gehören zur Gebrauchsliteratur; sie sind das Handwerkszeug für unseren geistlichen Beruf. Hier steht vorne an „Die Ordnung der Messe”* und „Die Ordnung der Beichte”*, daneben ein kleines Büchlein „Das Gebet der Tageszeiten”. Diese drei Bücher könnten als Marksteine auf unserem liturgischen Weg bezeichnet werden. An sie reihen sich die folgenden Veröffentlichung: die große, von Karl Bernhard Ritter herausgegebene Agende „Gebete für das Jahr der Kirche”*, ferner „Das Stundengebet”*, „Die heilige Woche”*, „Pfarrgebete”*, „Der Psalter”, „Litanei und Lobgesang”, „Handreichung für die Trauung”*, „Die Ordnung der Bestattung” *, „Agende für die Seelsorge an Kranken und Sterbenden” *. Wer uns daraufhin noch für eine exklusiv liturgische Bewegung halten möchte, den mache ich auf zwei Bücher aufmerksam, die in umfassendster Weise der Wortverkündigung dienen. Es sind Spiekers biblische Leseordnung „Lesung für das Jahr der Kirche”* und Stählins „Predigthilfen”*, an die beide Brüder mehr als ein Jahrzehnt ihres Lebens gewandt haben. Auch Otto Händlers grundsätzliches Buch über die Predigt (Verlag Toepelmann) und Stählins Vorträge über „Das Wagnis der Predigt” (Ev. Verlagswerk Stuttgart*) wären hier zu nennen. Händler verwertet vor allem die Erfahrungen der Tiefenpsychologie, Spieker und Stählin die der Liturgie. Die lauschende und anbetende Hingabe an Gott führt hinaus über das Referieren, Reflektieren und Appellieren eines Predigtgottesdienstes, der sich nur an den Menschen wendet, nämlich zur Bezeugung und Erschließung der Gotteswirklichkeit, in der die Kirche lebt. Die gleiche Wendung tritt uns entgegen bei den Büchern, die der Wiedergabe des kirchlichen Erbes gewidmet sind. In dem biblischen Geschichtenbuch „Schild des Glaubens”* und in dem kirchengeschichtlichen Lesebuch „Die Wolke der Zeugen”* gibt Jörg Erb eine Einführung in die Welt der Bibel und der Kirche, der man anspürt, daß er selber in ihr lebt. Deshalb haben beide Bücher ihren Platz geradeso im Haus gefunden, wie in der Schule. Daneben steht Wilhelm Stählins „Zusage an die Wahrheit”*, in der er seinen glaubensmächtigen Katechismusunterricht für Erwachsene weiteren Kreisen zugänglich macht. Wer grundsätzlich etwas über die Methode des Religionsunterrichts wissen will, den verweisen wir auf Uhsadel, „Die Kirche im Erziehungswerk”* (Quelle & Meyer), W. Stählin, „Jesus und die Jugend”, „Mit der Kirche leben”*-, dazu Niebergall, „Der Dienst der kirchlichen Unterweisung”*. Wichtig für die Seelsorge sind ferner: Uhsadel, „Der Mensch und die Mächte des Unbewußten” *, und Stählin/Ritter, „Kirche und Menschenbildung” *. Nun ist aber noch eine dritte Gruppe zu nennen. Das sind die periodischen Veröffentlichungen, die uns die regelmäßige Nahrung für unser geistliches Leben geliefert haben: einmal die zu den Festzeiten des Kirchenjahres erschienenen „Evangelischen Jahresbriefe”, die 1952 ihre Fortsetzung in unserer Zeitschrift „Quatember”* fanden, und dann das jedes Jahr mit gleicher Spannung erwartete „Gottesjahr”. Das waren Sammelbände, deren Beiträge jeweils um ein bestimmtes Thema kreisten. Ich nenne die Themen der Gottesjahre von 1924 bis 1941: Kirchenjahr, Jahreslauf, Woche, Lebenslauf, Sinn der Zeit, Gottesdienstlicher Raum und Ordnung im Gottesdienst, Evangelische Erziehung, Die heilige Schrift, Die Schöpfung, Kirche und Welt, Jesus Christus, Die Kirche des Glaubens, Die Einheit der Bibel, Menschen unter Gott, Geistliche Übungen, Vom heiligen Kampf, Hilfe im Alltag. Das kleine Wörterbuch der Christenheit, Das Buch vom Sonntag *. Von diesen Aufsätzen haben die Älteren unter uns Jahr für Jahr gelebt. Aber den wenigsten sind sie noch zur Hand. Teils sind sie in den Bränden und Umzügen des Krieges verloren gegangen, teils wegen Platzmangels in den heutigen Wohnungen irgendwo magaziniert. Mit großer Mühe habe ich sie mir wieder verschaffen können und in den beiden letzten Jahren Aufsatz für Aufsatz sorgfältig durchgelesen. Es sind Aufsätze darunter, auf die sich alte „Berneuchener” nach zwanzig und dreißig Jahren noch besinnen und auf die sie einander ansprechen, die aber nirgends mehr zu bekommen sind. Vor allem fehlt unseren jüngeren Mitgliedern und Freunden diese Vorarbeit. Sie können oft nur schwer den Zugang finden, denn es gibt keine Haustür, die unmittelbar von der Straße in das dritte Stockwerk führt. Der Johannes Stauda-Verlag erwägt, ob er nicht solche unentbehrlichen Aufsätze in kleinen Auswahlbändchen seinen alten und neuen Freunden wieder zugänglich machen soll. Ich habe das Material hierzu in sechs Mappen gesammelt. Sie tragen die Überschriften: Vom Geheimnis Gottes, Vom Rätsel Mensch, Vom geistlichen Leben, Vom Wunder der Kirche, Vom rechten Gottesdienst, Von Gottes Zeit. Aus ihnen ließen sich sechs Oktavbändchen zusammenstellen, die den Preis von DM 3.- pro Band nicht überschreiten würden. Wer selber gern ein beschauliches Buch auf dem Nachttisch liegen hat oder nach erschwinglichen Geschenkbändchen sucht, die er besinnlichen Freunden zum Geburtstag oder bei einem Krankenbesuch mitbringen kann, der überlege sich, ob er unsern Verlag nicht zur Herausgabe dieser Reihe ermutigen soll. Wir haben aus unseren Schriften viel Anregung, Handreichung und Nahrung geschöpft. Nun geht es darum, daß wir sie unter die Leute bringen und damit andern den Dienst tun, den wir empfangen haben. Quatember 1955, S. 217-219 [Aus der Zusammenstellung von O. Planck sind hier die im Internet veröffentlichten Texte aufgelistet] |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-10-19 Haftungsausschluss |