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Der Lachengel
von Hans Carl von Haebler

LachengelLeerIm Bamberger Dom wird viel gelacht. Die Seligen lachen über ihre Erlösung, die Verdammten verzerren ihren Mund zum Höllengelächter, der heilige Stephanus lächelt und wiegt den Stein in der Hand, der ihn zum Märtyrer gemacht hat. Sogar den Mund des Bischofs Dionysius umspielt noch ein Lächeln, obwohl sein Kopf nicht mehr auf den Schultern sitzt, sondern von dem enthaupteten Rumpf dargebracht wird wie ein Votivgeschenk. Vor allem aber ist es ein Engel, der sich so gut aufs Lachen versteht, daß man ihn schlechthin den Lachengel genannt hat.

LeerWas hat dieser Engel zu lachen? Lachen ist menschlich. Wir lachen, wenn ein Witz erzählt wird oder wenn sich jemand lächerlich gemacht hat. Freilich lachen wir auch, wenn wir etwas wissen, was den anderen verborgen ist. Von dieser Art scheint mir das Lachen des Bamberger Engels zu sein. Es ist das Lachen des Wissenden, der zuschaut, wie die Unwissenden zurecht zu kommen suchen. So schaut man Kindern zu, wenn sie die Ostereier suchen, die man versteckt hat.

LeerDas Lachen des Engels ist doppelsinnig. Es liegt Spott darin über diejenigen, die meinen,, ohne oder gegen Gott ans Ziel kommen zu können; und es liegt Liebe und Hilfsbereitschaft darin für die Menschen, die es Gott recht machen möchten und doch nicht schaffen. Dieser Engel läflt ahnen, was Gott von uns denkt: ob er unserer spottet oder ob er sich über uns freut. Er kennt schon den Ausgang des göttlichen Dramas; er sieht die Dinge vom Ende her. Deshalb kann er lachen, ja er lacht sogar am besten, weil er immer „zuletzt” lacht.

Quatember 1958, S. 99

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-30
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