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Evangelischer Kirchentag im katholischen Raum
von Reinhard Mumm

LeerMünchen war der Ort, an dem die evangelische Christenheit Deutschlands der katholischen begegnen mußte. Wir haben gelernt, einander, befreit von manchen Vorurteilen, so zu sehen, wie wir tatsächlich sind. Wir sind auf dem Wege, uns gegenseitig - über die alten und über neue Hindernisse hinweg - mit Geduld und Liebe zu suchen. Das ist wirklich etwas wert.

LeerDa war zuerst die selbstverständliche Gastfreundschaft der Münchener Katholiken. Wir spürten das gute Klima zwischen der altansässigen katholischen Bevölkerung und der mächtig angewachsenen lutherischen Diaspora.

LeerDa war weiter die Ausstellung der „Gesellschaft für christliche Kunst”: Arbeiten katholischer Künstler für evangelische Kirchen und Arbeiten evangelischer Künstler für katholische Kirchen: Eine eindrückliche Begegnung der „Una Sancta”.

LeerDa war vor allen Dingen die Arbeitsgruppe 4 in der größten Halle des Ausstellungsgeländes, die sich die Frage gestellt hatte: „Verschiedene Kirchen - muß das sein?” Die Art, wie der reformierte Schweizer Theologe Jean Louis Leuba auf diese brennende Frage einging, war von liebendem Verstehen getragen, behutsam und vornehm. Die Aussprache des ersten Tages brachte durchaus die gegensätzlichen Stimmen zu Wort, die wir auch in unseren Gemeinden kennen: scharfe Kritik an mancher Praxis der röm.-kath. Kirche einerseits - dankbares Bekenntnis zu Una Sancta Ecclesia angesichts der Bedrohung durch den Antichrist auf der anderen Seite. Die Aufmerksamkeit der Tausende wurde auf das höchste gespannt, als ein römisch-katholischer Priester, kenntlich an seinem Amtskleid, sich zum Wort meldete: Heinz Schütte, der Verfasser des jetzt in 2. Auflage erschienenen Buches „Um die Wiedervereinigung im Glauben” gewann sofort das Herz seiner Zuhörer, als er auf jede vordergründige Apologie verzichtete und einfach die Schuld der römisch-katholischen Christen an vielen Ereignissen bekannte, die uns im Laufe der Jahrhunderte entzweit haben. Damit hatte Schütte nichts gesagt, was dem Bekenntnis seiner Kirche widerspricht. Denn, wenn auch die Kirche, nach römisch-katholischer Lehre, nicht fehlen kann, so heißt das nicht, daß auch Einzelpersonen, Bischöfe und Päpste, frei von Irrtümern wären. Mit diesem ehrlichen Schuldbekenntnis hat der Priester die versteiften Fronten aufgelockert und eine Brücke gebaut.

LeerAuf der anderen Seite ist es erstaunlich, daß ein Lutheraner wie Paul Althaus in seinem Alter sich so weitherzig über die „Einheit der Kirche” äußern kann, wie er es auf diesem Kirchentag wiederum getan hat. Es scheint, daß wir in Deutschland heute mehr denn je berufen sind, das Gespräch zwischen der evangelischen und römisch-katholischen Kirche zu führen. Unsere besondere Lage zwingt uns einfach dazu. Es ist schon manches Mißverständnis ausgeräumt. Wir sind ohne Zweifel in wichtigen Punkten einander näher gekommen, ohne uns schwärmerischen Illusionen hinzugeben. Nun haben wir stellvertretend für einander weiterzuarbeiten, jeder an seinem Ort und in dem ihm erreichbaren Kreis.

LeerDaß diese erregenden Dinge in München in einer wahrhaft erregenden christlichen Weise behandelt worden sind, verdient unseren Dank.

Quatember 1960, S. 33-34

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-07
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