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Aus der liturgischen Bewegung der römischen Kirche
von Walter Lotz

LeerAls in der römisch-katholischen Kirche der Gebrauch der Monstranz und das Aussetzen und Anbeten der geweihten Hostie aufkam, gab es in den eigenen Reihen heftige Kritik. Nicolaus Cusanus etwa sprach von dem Wiederaufleben heidnischer Vorstellungen und Bräuche und wies darauf hin, daß nach der Heiligen Schrift das gesegnete Brot nicht zum Anschauen und Umhertragen, sondern zum frommen Genuß gegeben sei.

LeerInzwischen ist eine rückläufige Bewegung im Gang, deren Ziel die Wiederherstellung des ursprünglichen, rein katholischen Gottesdienstes ist. Und heute kann es ein römisch-katholisches Sonntagsblatt wagen, seinen Lesern vor Augen zu halten, daß es in der alten katholischen Kirche keine Kniebeuge vor dem Sakrament gab, keine Aufbewahrung des Sakraments in kostbaren Gefäßen, keine Prozessionen, keine sogenannten sakramentalen Andachten, kein Tabernakel zur Anbetung des Allerheiligsten. Das alles habe eine kindlich-überschwengliche Gefühlsfrömmigkeit heraufgebracht, ohne daß die theologischen Konsequenzen von vornherein klar im Blick gewesen seien. Demgegenüber sei heute zu lernen: „Die Eucharistie ist nicht ein Gegenstand, in der Hand zu halten, mit den Augen zu betasten, in kostbares Gehäuse einzuschließen, mit Musik in den Straßen einherzutragen, sondern sie ist eine Handlung, ein Kommen Gottes zu den Menschen, ein Lobpreis der Menschen vor Gott, sie ist ein heiliges Gastmahl, ein Zeichen der Gemeinschaft des Herrn mit seinen Jüngern, des Schöpfers mit seinen Geschöpfen. Wir sind zum Tisch geladen und erkennen an ihm unsere Gemeinsamkeit als Familie Gottes im Hause des Herrn.” (Alfons Kirchgäßner)

LeerUnd selbst der bekannte jesuitische Gelehrte J. A. Jungmann sagt (vom Sinn der Messe, Seite 75): „Es ist auf die Dauer unmöglich, daß wir mit gleicher Stärke die eine wie die andere Art eucharistischer Frömmigkeit pflegen. Wir können nicht, seitdem wir in weiterem Umfange zum normalen Gebrauche des Sakramentes zurückgekehrt sind, zugleich auch alle Ersatzformen in gleicher Weise weiterüben.”

LeerWie dieser Kampf um die Erneuerung des Gottesdienstes und um manche Dinge, die uns selbstverständlich geworden sind, in der katholischen Praxis aussieht, zeigt ein offizielles liturgisches Arbeitsbuch, das E. J. Lengeling im Auftrag des Bischofs von Münster 1958 herausgegeben hat (Gottesdienst, Werkbuch zum Laudate-Gebetbuch und Gesangbuch für das Bistum Münster). Hier begegnen wir auf Schritt und Tritt offener Polemik gegenüber reaktionären oder bequemen katholischen Theologen, die der liturgischen Reform offenbar häufig in gehässiger Ablehnung entgegentreten. Lengeling schreibt z. B. Seite 37: „Es kann zum groben Unfug werden, wenn man jedes ernste Bemühen um pastorale Fruchtbarmachung der Liturgie mit einem uralten Dekret der Ritenkongregation erledigen zu müssen glaubt. Die Überzeitlichkeit und Übernationalität der Liturgie schließt den Forderungen der Zeiten, Verhältnisse und Seelen entsprechende Umgestaltungen nicht aus.” Immer wieder geht es in diesem Buch, das eine Fülle praktischen Materials bringt, um die aktive Beteiligung der Gemeinde mit rechtem Verständnis, mit dem Willen und mit dem Gemüt, um das Lebendigmachen der liturgischen Symbole, damit sie nicht bloße Attrappen bleiben, sondern ihre Realität im Mitvollzug erfahren wird, aber auch um den notwendigen Raum für die Stille, die bei liturgischem Übereifer oft verloren zu gehen droht, und um die rechte Erfüllung dieser Stille durch wirkliche Andacht.

LeerSo sehr verschieden unsere Verhältnisse sind, so mag es doch manchen Trost und Ansporn sein, das Ringen der römisch-katholischen Brüder zu beobachten und sich vor Augen zu halten, daß der Kampf um die Erneuerung des urchristlichen Gottesdienstes heute quer durch alle Konfessionen geht.

Quatember 1960, S. 79

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 16-01-09
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