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Vom Umgang mit der Heiligen Schrift
III. Vom Mißverständnis und Mißbrauch der Autorität der Heiligen Schrift
von Wilhelm Stählin

LeerAlle großen Irrtümer und Häresien, mit denen sich die christliche Kirche im Lauf der Jahrhunderte herumgeschlagen hat, sind dadurch entstanden oder mindestens dadurch gefährlich geworden, daß eine Teilwahrheit aus dem komplexen Gefüge der Wahrheit herausgelöst, für sich genommen, mit sturer Einseitigkeit vertreten und dadurch dem notwendigen Ausgleich durch die altera pars, die andere Seite, entzogen worden ist. So gibt es kein Mißverständnis und keinen Mißbrauch der Autorität der Heiligen Schrift, worin nicht von Haus aus etwas Richtiges gemeint wäre, das ernstliche Beachtung verdient.

Leer1. Wir gehen aus von der scheinbar ganz nebensächlichen Frage, welche Rolle die Bibel in der christlichen Unterweisung der Jugend zu spielen hat. Wer dieses als eine offene Frage empfindet, will damit gewiß nicht bestreiten, daß es zu den unerläßlichen Aufgaben jeder christlichen Unterweisung gehört, die Jugend mit der Bibel vertraut zu machen. Aber ebenso wenig soll bestritten werden, daß die Bibel nicht eigentlich für Kinder geschrieben ist und daß es aus gewichtigen pädagogischen Gründen widerraten werden muß, den Kindern die ganze Bibel wie ein anderes Schul- und Lernbuch in die Hand zu geben, und das nicht nur, weil die Offenheit, mit der die Bibel von den Dingen des Geschlechts und von menschlichen Verirrungen redet, geeignet ist Kinder zu verwirren, sondern vielleicht mehr noch deswegen, weil die Bibel dadurch nur allzuleicht in die Atmosphäre der Schulbücher gerät und nun genau so lieblos und respektlos behandelt wird, wie man eben mit Schulbüchern umzugehen pflegt. Wer jemals Zeuge dessen war, wie bei Klassenschlachten (wie sie auch bei Konfirmanden vorzukommen pflegen) die Buben einander Bibeln an den Kopf warfen, ein durch seine Größe und sein Gewicht besonders empfehlenswertes Wurfgeschoß, der möchte gewiß gerne die Bibel vor solcher höchst profanen Verwendung bewahrt wissen.

LeerAber ich habe mich bei solchem Anblick immer wieder gefragt, ob die polemische Verwendung der Bibel in theologischen Auseinandersetzungen sich wesentlich von jenen Bubenschlachten unterscheidet. Man wirft einander Bibelzitate an den Kopf, um den anderen mundtot zu machen, und entsprechend dem boshaften Wort, wonach ein Ideal dasjenige ist, was der andere tun sollte, benützt man die Heilige Schrift als Mittel, den Gesprächspartner zu widerlegen. Die Autorität der Heiligen Schrift wird zur handfesten Waffe in konfessioneller Polemik und in innerkirchlichen Streitigkeiten.

LeerAber es ist notwendig, die Wurzel bloßzulegen, aus der dieser polemische Gebrauch oder Mißbrauch der Heiligen Schrift erwächst. Die Voraussetzung dieses Gebrauchs der Bibel als eines bewährten und zuverlässigen Kampfmittels ist eine gesetzliche Auffassung ihrer Autorität, und diese Gesetzlichkeit wiederum steht in engstem Zusammenhang mit einer mechanischen Auffassung der Inspiration. Daß jede Heilige Schrift theopneustos (2. Tim. 3,16), das heißt durch die Einhauchung des göttlichen Geistes ins Dasein gerufen ist und eben darum Heilige Schrift genannt werden kann und als Autorität anerkannt werden muß, gehört wieder zu jenen undiskutierten Selbstverständlichkeiten. In der Zeit des späten Judentums, da die Verehrung heiliger Schriften an die Stelle lebendiger prophetischer Rede trat, entstand aber jene Lehre von der wörtlichen Inspiration, der „Verbalinspiration”, wonach jedes einzelne Wort bis hin zu den Vokalzeichen des hebräischen Textes vom Heiligen Geist eingegeben ist, darum immer unumstößlich verbindliche Wahrheit enthält.

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LeerFür diese Auffassung der Inspiration ist der Autor einer biblischen Schrift nur der calamus, der Federhalter des Heiligen Geistes. Dann freilich, wenn es sich so verhält, wäre mit dem Verweis auf das, was „geschrieben” ist, ein bündiger und unumstößlicher Beweis geliefert, der jede weitere Erläuterung abschneidet. Das Bedürfnis nach einer unfehlbaren und einfach zu handhabenden Autorität hat dazu geführt, daß durch Jahrhunderte auch in der protestantischen Orthodoxie die Autorität der Heiligen Schrift in der Weise einer solchen mechanischen Inspirationslehre verstanden und begründet wurde. Dabei wird freilich nicht bedacht, daß dieses nicht die Art und Weise ist, wie Gott Menschen behandelt und als seine Werkzeuge gebraucht, und es bedeutet diese Art von Inspirationslehre also die eigensinnige Konstruktion eines „Wortes Gottes”, das anders ist, als es Gott beliebt hat sich zu offenbaren.

LeerMit dem Bedürfnis nach einer handfesten Sicherung geht die Neigung zu einem gesetzlichen Verständnis der Schriftautorität Hand in Hand; beide bedingen einander und steigern einander. In den weiten Räumen unterhalb der St.-Peters-Kirche in Rom standen wir vor einem frühchristlichen Sarkophag, dessen durchaus noch römisch empfundenes Steinbildwerk in der Mitte eine Christusgestalt mit der Umschrift Pax vobiscum zeigte. Der hochgestellte katholische Kleriker, der uns führte, erläuterte dieses Wort: pax komme von pactum, und das Wort bedeute also „Ich gebe euch das Gesetz”. Es kann nicht ausbleiben, daß dann das Verständnis des Evangeliums als einer nova lex auf die ganze Heilige Schrift ausgedehnt wird. Die Bilderscheu der reformierten Kirche (auf Grund des wahrscheinlich mißverstandenen mosaischen Bilderverbots) oder die Meinung der Adventisten, daß unter allen Umständen gemäß dem jüdischen Sabbat-Gebot nicht der erste, sondern der letzte Tag der Woche als Feiertag gehalten werden müsse, sind die bekanntesten Beispiele einer solchen biblizistischen Gesetzlichkeit. Die Tatsache, daß an den beiden Stellen 1. Kor. 12 und Eph. 4 die Ämter der urchristlichen Gemeinde in einer verschiedenen Zusammenstellung und Reihenfolge aufgezählt werden, sollte es ein für allemal verbieten, aus dem Neuen Testament den verpflichtenden Kanon einer Ämterordnung für die christliche Kirche abzuleiten. Indem Luther in der Auslegung der Zehn Gebote im Kleinen Katechismus jedes einzelne Gebot aus der zentralen Verpflichtung zur Gottesfurcht und Gottesliebe ableitet, hat er - in Übereinstimmung mit der Bergpredigt - jeder gesetzlichen Auffassung des mosaischen Gesetzes einen Riegel vorgeschoben. Es ist ja auch deutlich, daß es ein Mißverständnis der Bergpredigt wäre, die Beschreibung des neuen Lebens der Kinder Gottes als gesetzliche Vorschriften für unser Verhalten in der Welt aufzufassen, als Vorschriften, von denen sich dann der einzelne, weil sie unerfüllbar sind, eben doch dispensiert fühlt, und es sollte ebenso deutlich sein, daß man gegenwärtige Fragen der Kirche oder der einzelnen Gemeinde nicht durch den Verweis auf bestimmte einzelne apostolische Weisungen entscheiden kann. Die Pax, die Christus seinen Jüngern „gegeben” hat, ist wahrhaftig etwas anderes als eine Summe gesetzlicher Vorschriften.

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Leer2. Eine zweite verhängnisvolle Quelle jenes polemischen Mißbrauchs der Schriftautorität ist die Atomisierung der Bibel, die Auflösung des ganzheitlichen Zusammenhangs in eine Vielzahl einzelner „Verse” oder „Sprüche”. Die aus dem ersten Jahrtausend stammenden Bibelhandschriften kennen noch keine Einteilung in „Kapitel”; sie ist erst durch Stephan Langton, den späteren Erzbischof von Canterbury († 1228), erfunden worden; jedermann aber weiß oder kann nachprüfen, daß diese Kapiteleinteilung keineswegs überall mit den wirklichen Sinn-Abschnitten übereinstimmt und in vielen Fällen den Zusammenhang sinnlos zerschneidet. Die für den Gebrauch noch wichtigere Einteilung in Verse hat zwar ihr relatives Recht bei manchen Büchern des Alten Testamentes, vor allem etlichen Psalmen, bei denen die einzelnen Verse akrostichisch, das heißt mit den Anfangsbuchstaben nach dem Alphabet geordnet sind; aber die Ausdehnung einer solchen Verseinteilung auf die ganze Bibel war Luther noch unbekannt. Sie ist eine Erfindung des französischen Buchdruckers Robert Estienne (1503-1559), und der erste deutsche Bibeldruck mit Verseinteilung ist in Heidelberg 1568 erschienen. Zweifellos erleichtert diese Verseinteilung die Anführung und polemische Verwendung einzelner Worte; aber die Unsitte, in den Bibeldrucken jeden „Vers” mit einer neuen Zeile zu beginnen, verführt mit Notwendigkeit dazu, die Bibel als eine Sammlung einzelner Sprüche zu verstehen und die großen Zusammenhänge aus dem. Auge zu verlieren. Bei einigen Büchern des Alten Testamentes, bei manchen Psalmen und weit überwiegend in der kanonischen und apokryphen Weisheitsliteratur ist diese Atomisierung und Isolierung der einzelnen Verse durchaus berechtigt, weil es hier in der Tat um eine Sammlung einzelner Gebetsworte oder Weisheitssprüche geht, bei denen kein fortlaufender Gedankengang gesucht werden darf. Aber für alle anderen Teile des Alten Testaments und für das gesamte Neue Testament ist in den neueren Bibeldrucken mit Recht die sinnstörende Zerreißung des Zusammenhangs aufgegeben und sind in einem fortlaufenden Druck die unentbehrlichen Versziffern nur am Rande oder in Kleindruck eingefügt.

LeerVielen Religionslehrern bereitet die den meisten Katechismen beigegebene Sammlung „erklärender und beweisender Sprüche” eine innere Not, weil viele dieser Sprüche, in ihrem Zusammenhang gelesen, sich einer solchen didaktischen oder auch polemischen Verwendung entziehen. Ich bekenne, daß ich aus dem gleichen Grunde kein Freund des „Losungsbüchleins” der Brüdergemeine bin; man kann ja kaum wagen, ein Wort gegen dieses in der ganzen Welt verbreitete und gewiß von unzähligen Menschen mit Segen gebrauchte Buch zu sagen; aber diese ganze Sammlung von ein paar tausend einzelnen Sprüchen ist geeignet, ein falsches Bild der Heiligen Schrift zu geben und die Tatsache zu verdecken, daß weitaus die meisten dieser einzelnen Worte in einem bestimmten Sinnzusammenhang stehen und nur in diesem Zusammenhang richtig gelesen und verstanden werden können.

LeerWenn vollends auch die einzelnen Verse noch aufgespalten und nur Versteile zitiert werden, so ist merkwürdigen Mißverständnisse und Mißbräuchen Tür und Tor geöffnet. Auf ein Beispiel habe ich in diesen Blättern (S. 126 des vorigen Jahrgangs) schon hingewiesen: Das Leitwort für die vorjährige Sammlung des evangelischen Hilfswerks „Ein Bruder hilft dem anderen in der Not”, ist die erste Hälfte eines Spruches aus Jesus Sirach (40, 24); die zweite Hälfte heißt „aber Barmherzigkeit hilft viel mehr”, und es scheint mir doch nicht wohlgetan, diese zweite Hälfte zu unterschlagen. Bei einer Siegesfeier der S. A. nach der Machtergreifung Adolf Hitlers wurde gepredigt über den Text „Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat” (1. Kor. 15, 57 a); aber es schien dem Prediger offenbar doch richtig, diesen Sieg nicht „auf unseren Herrn Jesus Christus” zurückzuführen.

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LeerVor vielen Jahren erbat sich eine Braut bei mir als Text der Traupredigt den Psalmvers 16, 9. „Aber bitte nur die erste Hälfte, die zweite Hälfte ist mir unsympathisch”; man lese nach, was in der ersten und was in der zweiten Hälfte dieses Verses steht. Es ist nicht immer so offenkundig, was bei einer solchen Atomisierung der Heiligen Schrift, bei der Aufspaltung in eine Summe erklärender, beweisender, erbaulicher Sprüche herauskommt.

LeerGegen diese Gefahr muß nun wirklich das Recht, ja die Notwendigkeit einer „Bibelarbeit” gerühmt werden, die darum bemüht ist, ganze biblische Bücher in ihrem Zusammenhang zu lesen und zu verstehen. Es sind nicht alle biblischen Bücher im gleichen Maß dafür geeignet, und bei manchen fordert die Frage nach dem Gedankengang eine sehr ernsthafte geistige Arbeit, der wahrscheinlich nicht alle einfachen Bibelleser gewachsen sind. Aber es lohnt sich schon einmal zu erforschen, in welchem Zusammenhang das berühmte 13. Kapitel des ersten Korintherbriefs steht und welches Licht von hier aus auf die Erörterung der Charismen, der außerordentlichen Geistesgaben, fällt; oder wie tief die Christus-Gnosis des Hebräer-Briefes von Christus als dem großen Priester mit der Mahnung zum Glauben und zum ausharrenden Vertrauen zusammenhängt. Wer sich einmal auf diesen Weg begeben und einige Mühe daran gewendet hat, der wird jene aus dem Zusammenhang gerissenen einzelnen Sprüche als eine Speise empfinden, von der er nicht mehr satt wird.

Leer3. Damit hängt schließlich ein Drittes zusammen, das in ähnlicher Weise als ein Mißverständnis und als ein Mißbrauch der Bibelautorität beurteilt werden muß. Wer Zusammenhänge verstehen will, kann das nicht tun, ohne daß sich ihm die Einzelheiten um bestimmte zentrale Gedanken ordnen und ohne daß sich ihm also ein perspektivisches Bild mit Vordergrund und Hintergrund, Mitte und Randerscheinungen ergibt. Luthers Äußerung, Wort Gottes sei für ihn das, „was Christum treibt”, ist viel zitiert worden, und er verstand darunter das Evangelium von der durch Christus vollbrachten Erlösung und von der Rechtfertigung des Sünders durch die rettende Gnade. Das galt ihm als der Schlüssel, mit dem er glaubte die ganze Heilige Schrift aufschließen und verstehen zu können. Das kann durchaus für bestimmte Zeiten der Kirchengeschichte und im gleichen Maß auch für einzelne Christen so sein, daß sich ihnen das Ganze der Heiligen Schrift - diese zunächst so verwirrende Vielgestalt - von einem bestimmten einzelnen Punkt her erschließt, der ihnen entscheidend wichtig geworden ist. Aber welcher Punkt das ist, kann zeitlich und individuell durchaus verschieden sein. Für Luthers Reformation hatten bestimmte Aussagen des Apostels Paulus in seinen Briefen an die Römer und an die Galater diese zentrale Bedeutung, und für den auf diese „Mitte” fixierten Blick waren andere biblische Bücher, wie die Briefe an die Epheser und an die Kolosser, der Jakobusbrief und auch die Offenbarung St. Johannis, an den Rand des Sehfelds geraten. Es könnte aber sein, daß für uns heute gerade diese (vielleicht auch einige andere) Bücher eine ähnlich zentrale Bedeutung gewinnen. Was „Mitte” ist und was am Rande steht, läßt sich nicht ein für allemal gesetzlich festlegen, und auch das, was jeweils „am Rande” steht, darf doch keinesfalls gering geachtet werden, auch wenn es vielleicht nur dazu dient, vor Mißverständnissen der „Mitte” zu bewahren.

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LeerDas rechte Verständnis der Autorität der Heiligen Schrift ist aufs stärkste bedroht durch die heute vertretene theologische Schulmeinung, daß nur jenes reformatorische Verständnis der paulinischen Rechtfertigungslehre als die beherrschende und verbindliche Mitte des göttlichen Wortes anerkannt werden dürfe und daß alles andere, die johanneische Christus-Meditation, das kosmische Verständnis des Christus-Ereignisses, die Stiftung der Kirche und der Bericht über die Lebensformen der Christengemeinde der zweiten Generation, das eschatologische Geschichtsbild der Apokalypse, für uns als verbindliches Gotteswort ausgeschieden werden müssen. Diese im strengen Sinn des Wortes häretische Auffassung der Schriftautorität tut genau das, was die Reformation der Papstkirche vorgeworfen hat, indem sie die Tradition, eine bestimmte theologische Überlieferung, über die Heilige Schrift setzt und alles beiseiteläßt, was dieser kirchlichen Tradition nicht gemäß ist.

LeerVor allem aber verkennt diese Art einer verengten und verstümmelten Schriftautorität den eigentümlich dialektischen Charakter aller biblischen Aussagen. Wir haben in der Erörterung darüber, was die Heilige Schrift eigentlich sagt und worin sie unzweifelhaft recht zu haben behauptet, darauf hingewiesen, daß sich alle entscheidenden Inhalte der biblischen Wahrheit einer systematischen Einordnung entziehen und immer nur in widerspruchsvollen Sätzen angemessen ausgedrückt werden können. Es ist ein verhängnisvoller theologischer Eigensinn, wenn man entweder nur das eine oder nur das andere zur Kenntnis nehmen und ernsthaft beachten will, wo es gilt, zwei scheinbar entgegengesetzte Dinge zusammenzuschauen und zusammenzuhören. Man kann nicht die kultische Frömmigkeit des alten Israel und die Gerichtsrede der Propheten gegeneinander ausspielen, sondern sie gehören, auch in ihrer ganzen Gegensätzlichkeit, ein für allemal zusammen. Man kann sich auch nicht für den synoptischen Jesus gegen den Johanneischen Christus (oder umgekehrt) entscheiden, da sie vielmehr beide unaufgebbare Seiten der Christusverkündigung darstellen. Man kann nicht darüber streiten wollen, ob Paulus oder Jakobus richtiger über das Verhältnis von Glaube und Werken gepredigt habe, da sie vielmehr beide, wenn auch in verschiedenem Sprachgebrauch, etwas entscheidend Wichtiges zu sagen haben. Die Wahrheit ist immer komplexer als sie unserem begrenzten Blick erscheint, und es hat Gott gefallen, seiner Kirche sein „Wort” in einer solchen Gestalt anzuvertrauen, daß wir gezwungen sind, immer das andere, das für uns im Augenblick am Rande steht, mit zu sehen und mit zu hören. Man wird sehr bescheiden, wenn man dieses verstanden hat; die Autorität der wirklichen Heiligen Schrift (so wie sie eben nach Gottes Willen und Ratschluß ist) verbietet uns alle Engigkeit, allen Eigensinn und alle Rechthaberei; und mit unserer Neigung zu apodiktischen und radikalen Thesen müssen wir sehr bescheiden umlernen, wenn wir vor Mißbrauch und Mißverständnis der Autorität der Heiligen Schrift bewahrt werden wollen.

Quatember 1960, S. 113 - 118

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 16-01-09
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