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Hundert Jahre Syrisches Waisenhaus
von Hermann Schneller

LeerDer Direktor des Syrischen Waisenhauses, Pfarrer Hermann Schneller, wird demnächst in den Ruhestand treten und nach Deutschland zurückkehren. Am 2. Oktober wird seine Lebensarbeit ihren Abschluß und ihre Krönung in der Feier des hundertjährigen Jubiläums der Anstalt finden. In alten Briefen lesen wir, wie Hermann Schneller gerade in Jerusalem unter der Not der Glaubensspaltung litt und, wegen der verschiedenen Weihnachts- und Ostertermine in den Kirchen des Ostens und des Westens, den Spott der Mohammedaner über sich ergehen lassen mußte, daß Christus zweimal geboren und zweimal auferstanden sei. Aber seine ökumenischen Bestrebungen fanden damals noch wenig Verständnis. Wir erinnern uns auch daran, daß Schneller, der seit 1949 Mitglied der Evangelischen Michaelsbruderschaft ist, schon im Jahre 1934 mit seinen Waisenkindern die Morgenandacht auf Berneuchener Art beging und daß er u. a. die „Gebete für das Jahr der Kirche” ins Arabische übertrug. Mochte das Werk, das Gott in die Hände seiner Familie legte, auch weiterhin seinen Segen erfahren!

LeerHermann Schneller schreibt uns selber zur Geschichte seiner Anstalt:


LeerDas Syrische Waisenhaus wurde im Jahre 1860 im Anschluß an eine Christenverfolgung in der Gegend von Damaskus, im Hermongebiet und im südlichen Libanon, die damals zu der türkischen Provinz Syrien gehörten, von dem schwäbischen Missionar Johann Ludwig Schneller in Jerusalem gegründet. Später wurde es von dem Evangelischen Verein für das Syrische Waisenhaus in Köln übernommen, geleitet und getragen, der seinerseits von einem schweizerischen und einem amerikanischen Hilfsverein unterstützt wurde.

LeerDie Anstalt wuchs unter der Leitung des Gründers, dann unter der seiner Söhne Theodor (Direktor in Jerusalem) und Ludwig (Vorsitzender des Vereins in Köln und bekannter Palästinaschriftsteller) zu einer bedeutenden Missionsanstalt mit drei Zweiganstalten heran, in denen 400 Knaben, Mädchen und Blinde ihre Erziehung und Ausbildung bekamen. Über sechstausend Kinder wurden in den hundert Jahren ihres Bestehens in der Anstalt erzogen.

LeerDie Anstalt, die 1910 von einem schweren Brandunglück heimgesucht und 1919 nach der Eroberung Palästinas von den Engländern für zwei Jahre anderen Organisationen übergeben wurde, ist im Jahre 1949 vom Staate Israel enteignet worden. Nachträglich erfolgte eine kleine Entschädigung. Das Syrische Waisenhaus wurde nun im Libanon (1951) und in Amman (1959) von den Enkeln des Gründers wieder aufgebaut; Pfarrer Hermann Schneller übernahm die Aufgabe in Chirbet Kanafar, Diplomingenieur Ernst Schneller in Amman.

LeerDie Bedeutung des Syrischen Waisenhauses liegt vor allem auf dem Gebiet der Erziehung mit dem Ziel christlicher Charakterbildung. Durch gründliche Ausbildung der Zöglinge in einem Handwerk wurde nach der Aussage der Einheimischen das moderne Handwerk in Palästina erst richtig begründet. Durch Einrichtung einer Lehrerbildungsstätte wurde das Schulwesen gehoben. Viele der im Syrischen Waisenhaus ausgebildeten Lehrer wirkten später in anderen Missionsschulen oder wurden Pfarrer und Evangelisten. Die evangelische Prägung der Arbeit trug zum Wachstum und zur Festigung der evangelischen Gemeinden im Nahen Osten, sowie zur Entstehung der im letzten Jahre konstituierten evangelisch-lutherischen Kirche in Jordanien maßgeblich bei. Durch die Erziehung vieler mohammedanischer Kinder, von denen etliche auch getauft wurden, gab die Anstalt dem Islam das Zeugnis christlicher Liebe und half dazu, eine Brücke des Verständnisses zwischen Christentum und Islam zu bauen.

Quatember 1960, S. 160

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 16-01-09
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