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Zeit der Alibis
von Heinz Beckmann

LeerDie Dinge spitzen sich zu. Wir merken es nicht. Zeichen werden genug gesetzt. Der Aufstand der Natur wider den Menschen, die bedrohliche Erschöpfung der sogenannten Erdschätze, die unverminderte Abtötung jener Umwelt, die Bedingung ist für menschliches Leben - Zeichen über Zeichen, aber der Mensch ist mündig. Plötzlich überfällt uns eine Energiekrise. Das Erdöl bleibt aus, weil Menschen nicht aufhören können, andrer Menschen Feind zu sein. Es geht ein Schock durch das Land. Es werden Reden gehalten, Leitartikel geschrieben. Man müht sich, der Krise Herr zu werden. Daß aber die Erdölvorkommen ohnehin nur noch für zwanzig Jahre ausreichen, davon spricht bei dieser Gelegenheit niemand. Zeichen werden gesetzt. Der mündige Mensch kneift die Augen zu. Was aus unseren Kindern wird, wen kümmert das.

LeerEs wird Zeit, aufzuwachen. Und weil so verdächtig viel heute vom Menschen, von der Menschlichkeit, von der Würde und Freiheit des Menschen geredet wird, müssen wir wahrscheinlich auf den Menschen zurückkommen, wie er wirklich ist. Dann bestünde noch Hoffnung. Die Dinge spitzen sich zu. Auch im Menschen spitzen sie sich zu. Eine neue Unruhe kommt auf unter vielerlei Flaggen. Man begegnet ihr mit den Rezepten und Programmen von gestern, meistens von vorgestern. Nirgends freilich hört man das Eingeständnis, daß wir mit unserm Latein wieder einmal ziemlich am Ende sind. Wer mag das schon zugeben? Und doch wäre das ein Ansatz, eine Hoffnung. Wir aber leben in der „Zeit der Alibis”. So hat der französische Priester, Mediziner und Psychologe Marc Oraison sein jüngstes Buch genannt.

LeerEs ist ein sehr lesenswertes Buch, erschienen im Verlag Josef Knecht, Frankfurt. Darin findet sich der bedrohliche Satz: „Man kann sich ehrlich fragen, ob die Menschen in den nächsten zwanzig oder dreißig Jahren einen explosionsartigen Ausbruch der Wut und der Verzweiflung verhindern können.” Auch dafür sind Zeichen gesetzt, man liest sie fast täglich in der Zeitung, nur bucht man sie meistens unter die Kriminalfälle ab. Es geht augenblicklich gar nicht mehr um Krieg oder Frieden, diese früher ständig beunruhigende Frage, sondern es geht um den so tief sich einfressenden Unfrieden im Menschen. Von daher droht Gefahr, eine dann ganz gewiß nicht mehr zu bändigende Gefahr.

LeerBliebe noch nachzutragen, daß der Artikel „Lebensvollzug Kirche” keine gründlich durchdachte, behutsam abgesicherte Darlegung eines „Problems”, sondern die Niederschrift einer Einleitung zu einem sehr lebhaften Gespräch beim Michaelsfest des Konvents Rheinland der Michaelsbruderschaft ist.

Quatember 1974, S. 55-56

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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