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von Helmut Schaffert |
„Lebensstil und Auftrag der Bruderschaft heute”, hieß das Thema des Vortrags von Bruder Hans-Rudolf Müller-Schwefe, den er in Kirchberg gehalten hat (Quatember 1/80). Hat dieser Vortrag über den Kreis derer hinaus, die ihn dort gehört haben, das nötige Echo gefunden? Das aber würde heißen: Hat er zur Stellungnahme herausgefordert? Sollte er etwa ohne Antwort bleiben, ohne Zustimmung oder Widerspruch? Ich persönlich muß ihm, gerade weil ich ihm in vielen Aussagen und Ansätzen zunächst zustimme, in wesentlichen anderen entschieden widersprechen. Einmal schon in dem, was da als grundsätzliches Unterscheidungsmerkmal zwischen der Regel von Taizé und der Regel der Michaelsbruderschaft behauptet wird: Jene sei „ganz durchdrungen von der Freude, die Gestalt werden will, Freude auf das Kommen des Herrn in der Gemeinschaft der Brüder”, diese entspringe „nicht eigentlich aus der Gemeinschaft mit dem Herrn und der aus ihr erwachsenden Freude, sondern aus dem Ernst, der sich anstrengt, dem Leben eine der geistlichen Wirklichkeit entsprechende und würdige Gestalt zu geben”, also aus einem „gesetzlichen Ernst”. Natürlich kann man ihren Ansatz so deuten und damit, so meine ich, doch mißverstehen, und sicherlich ist kein Vorwurf solcher Art ohne scheinbare Berechtigung. Betrachtet man die Kirchengeschichte, so könnte man ihn ebenso gegen das ganze Evangelium erheben. Beginnt nicht auch der zitierte Satz aus der Regel von Taizé mit den Worten: „Seufze nicht unter der Last einer Regel”. Ist dies ohne Anlaß gesagt? Ist dort nur Freude? Nein, auch unsere Regel meint die Freude, jene wahre geistliche Freude, die sich unter anderem aus der „Entdeckung der Dimension der Heiligen” nährt und die von daher um Gestaltung ringt. Vollends aber erwachte mein Widerspruch, als ich las, wie sich die durchaus verständliche Kritik an bestimmten Elementen des gewordenen „Berneuchener Stils” - der man in etlichem stattgeben könnte - letztlich doch vermischt mit einer grundsätzlichen Infragestellung, oder soll ich sagen mit dem „Madigmachen” von Berneuchener Anliegen und Gestaltwerdungen, die meines Erachtens an die Substanz gehen und unser Ur-Charisma berühren. Und selbst dann, wenn es zur Geschichtlichkeit und damit Begrenztheit alles geistlichen Lebens gehört, daß anvertraute Pfunde nicht ohne a u c h zeitbedingte Stilelemente in die leibhafte Wirklichkeit der Kirche hinein wirken können, und wenn dann gewisse Elemente solcher Stilprägung durchaus wandelbar sind, so darf doch immer auch anvertrauten Talenten gegenüber das Wort des Herrn gelten: „Halte, was du hast, daß niemand deine Krone nehme!” Trägt er bei den Konventen das - vielleicht zum Zahnrad vervollkommnete - Kreuz, gefertigt ‚aus dem Kunststoff der Apparate’? Lebt er vor allem solidarisch mit den Geplagten der - immerhin wohltuend klimatisierten - Hölle der technischen Welt, welche die Plagen ihrer Unnatur noch immer ganz gerne tragen, solange der technische Betrieb funktioniert und die Annehmlichkeiten nicht ausbleiben? Nährt sich sein geistliches Leben von Stoßseufzern und einigen „Terminen mit Gott” inmitten des profanen und gewollt untransparenten Lebensraumes (ohne „Oberlicht”), während das Tagzeitenbuch der Väter im Keller in Kirchberg ein ehrenvolles Mausoleum gefunden hat? Schirmen ihn Leuchtstoffröhren, UV-Filter und Windschutzscheibe gegen die Einsicht der Alten ab, man sollte in den Strahlen der natürlichen kosmischen Sonne das Christusmonogramm schauen und ihr gestatten, in der Predigt von ihm unser Leben heilsam ordnen zu helfen? Können wir wirklich, nur mit guten Vorsätzen zu Nachfolge und Solidarität ausgerüstet, an der Höllenfahrt Christi teilnehmen, in deren Abgründen uns der erste Glaubensartikel von den Lippen genommen wird? Könnte es nicht auch sein, daß gerade wir aus unseren Ansätzen heraus neu entdecken, wo es heute gälte, gemäß dem Wort von der abgehauenen Hand und dem ausgerissenen Auge gewissen Ansprüchen der dreist immanenten, von Menschen geschaffenen Kunstwelt zu trotzen und um unserer und der Menschenbrüder Seligkeit willen da und dort den Gehorsam zu verweigern? Und sollten wir dies nicht auch getrost im Rückgriff auf alte Berneuchener Ideale oder Sitten tun, wo die Parole um uns her heißt: Man muß den Gesetzen der wirtschaftlich-technischen Kunstwelt mehr gehorchen als den gliedhaft natürlichen Ordnungen? Könnten nicht die uns gerade heilsam sein? Sollten aber solche Botschaft und Beispiel heute (bei uns!) absolut nicht mehr „absetzbar” sein (ich wage das zu bezweifeln), so bin ich bereit, mit anderen „altmodischen” Brüdern als „Jahresring” in die Geschichte der Kirche und unseres Volkes einzugehen. Wir vertagen uns dann auf später, wenn die Geschichte unseres Jahrhunderts und unserer Kultur von hinten her zu betrachten ist. Inzwischen mögen die Brüder späterer Bruderschaften, die nach dem endgültigen „Ende der Neuzeit” leben, erwägen, wozu unser gefällter Baum mit den feinjährig gewachsenen Jahresringen tauglich sein möge. Das letzte Urteil hat sowieso ein anderer. Quatember 1980, S. 189-190 |
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