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von Bernhard Maurer |
Die Predigt eines Physikers und die Predigt eines Theologen über Die Hochzeit von Kana (Johannes 2,1-11) Glaube gegen die eigene Erfahrung Ein Hochzeitsfest ist in der Regel ein Freudenfest und ein Fest der erfüllten Sehnsucht nach Liebe, Gemeinschaft, Vertrauen und Leben. Aber können wir noch Feste feiern? Zwar kennen wir die Sehnsucht nach erfülltem Leben, aber viele von uns zerreiben sich in der alltäglichen Hektik von Produktion und Konsum, von Zwängen und Unsicherheiten oder in den Sorgen um Gesundheit, Auskommen, Partner, Eltern oder Kinder, um Arbeitsplatz und Kollegen. Zu diesen persönlichen Sorgen treten die uns allen inzwischen bekannten Probleme der Armut bei den Außenseitern unserer Gesellschaft und des Hungers und der Bevölkerungsentwicklung in der Dritten Welt; während dieses Gottesdienstes sterben in der Welt etwa hundert Menschen Hungers, davon die Hälfte Kinder. Wir kennen das Massenelend und die Umweltverschmutzung hier und dort und die Ängste vor einer drohenden Eskalation von Mißtrauen, Unruhen, Feindseligkeiten und Kämpfen um Rohstoffe, Märkte und Macht zu einem Krieg. Das Wunder des Leidens Dennoch rettet Jesus das Fest des Lebens. Er ordnet an, daß die bereitstehenden Krüge mit Wasser gefüllt werden sollen. Diese Wasserkrüge dienten den Reinigungsriten, die den Juden vorgeschrieben waren. Nun erfüllt sich in diesen Gefäßen der traditionellen Religion das neue Leben. Jesus wirkt in und mit den vorhandenen Gefäßen. Aber er wirkt, weil er es für richtig hält. Warum greift er nicht früher ein? Die Bemerkung des Speisemeisters, daß jedermann den guten Wein zuerst anbiete, gibt der Erzählung eine besondere Pointe: Warum handelt Jesus nicht schon früher? Wir wissen es nicht. Die Erzählung vom Weinwunder deutet im voraus das Wunder des Leidens Jesu als das des erhöhten Herrn. Es ist bei Johannes ein Zeichen seiner Herrlichkeit. Nur - ich kann mich noch nicht zufrieden geben mit diesem Hinweis darauf, daß er der Geber aller Gaben ist, daß er das Fest rettet und angesichts der weitverbreiteten Dürre den Durst nach dem geistigen Leben stillt. Ich muß hinzufügen, daß unser Glaube an ihn, daß unser Blick auf ihn, daß unsere Erfahrung mit ihm uns befähigen müßten, mit den notleidenden und geängstigten und hungernden Menschen das Fest des Lebens zu feiern. Im Blick auf ihn dürften unsere Liturgie, unser Zeugnis und unsere Diakonie nicht auseinanderfallen. Wandlung - durch den Tod zum Leben Aber ich muß fragen, ist es so? Ist die Welt im Glauben in Ordnung? Leben wir Christen in einer heilen Welt? Wäre das nicht eine vordergründige und materialistische Auslegung dieser Erzählung? Ich muß noch immer an die Zurückweisung der Mutter Maria denken. So wahr es ist, daß Gott inmitten der Fülle des Lebens erfahren und gelobt sein will und nicht erst an den Grenzen des Lebens, so wahr ist es eben auch, daß wir ihn erst als hilflose, frustrierte, an ihren Grenzen angekommene, leidende, schuldbeladene Menschen, im Mangel und in der Entfremdung, in unserer Schwachheit, in unserer Krankheit und in unserem Sterben ganz erkennen können. Erst an der Grenze des Lebens erfahren wir ihn als den anderen, fremden Gott; erst am Widerstand gewinnen wir unsere Identität, und nicht im ekstatischen Rausch des Lebens, nicht in einer sentimentalen und verweichlichten Frömmigkeit, auch nicht im seligen Eintauchen in die eigene Innerlichkeit, sondern im wachen Bewußtsein und im vertrauenden Hören auf ihn, in der Bereitschaft das zu tun, was er sagt, liegt das Leben beschlossen. Christus macht die Welt nicht problemlos und nimmt uns das leibliche Sterben nicht ab. Aber er nimmt uns hinein in die Wandlung vom Wasser zum Wein, durch den Tod zum Leben. Als Martin Luther nicht mehr ein und aus wußte, riet ihm sein Beichtvater, auf den Gekreuzigten zu blicken. Luther ließ sich auf diesen Rat ein und betrachtete den Christus am Kreuz, bis ihm, wie er selbst berichtet, in der foeditas, der Häßlichkeit des Gekreuzigten, die Claritas Dei, die Klarheit Gottes erschien. Luther gab sich selbst in den Tod Christi hinein, und er erfuhr so das Leben des Auferstandenen. Das machte ihn frei für sein Werk in der Welt. Quatember 1986, S. 29-32 |
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