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von Frieder Schulz |
Anstöße zur Feier des Taufgedächtnisses Seit etwa 25 Jahren läßt sich ein vermehrtes Interesse an einer Feier des Taufgedächtnisses feststellen. In der letzten Zeit hat sich dieses Interesse noch gesteigert, wie man aus der anwachsenden Zahl von neugestalteten Sonder-Ritualen für die Feier des Taufgedächtnisses erkennen kann. Diese Entwicklung läßt sich vor allem auf folgende Motive zurückfuhren: In der volkskirchlichen Situation bereitet die Säuglingstauf-Praxis dem zu verantwortlicher Sakramentsverwaltung verpflichteten Gemeindepfarrer zunehmend Kummer. Vielfach meint er die gebotene und erbetene Säuglingstaufe nur mit schlechtem Gewissen vollziehen zu können. Auf der einen Seite wird nun die Heilung der nach Karl Barth „unordentlichen” Taufpraxis darin gesucht, daß man der Spättaufe oder zumindest einer gemischten Taufpraxis Raum gibt. Man kann auf diese Weise die tauftheologischen Aussagen des Neuen Testaments wieder unverkürzt und unmittelbar zur Geltung bringen. Auf der anderen Seite verspricht eine Feier des Taufgedächtnisses, bei der Gabe und Verpflichtung der Taufe immer wieder neu vor Augen geführt werden, die Wiederherstellung des geistlichen Umfeldes, das zu einer ordentlichen Säuglingstauf-Praxis gehört. So könnte auch die verunsichernde Kritik an der Säuglingstaufe aufgefangen werden. Die Einführung einer Feier des Taufgedächtnisses ist demnach eine Antwort auf das mit der volkskirchlichen Säuglingstaufpraxis zusammenhängende pastorale Problem. „In einer Gemeinschaft des Zeugnisses und Dienstes erkennen Christen die volle Bedeutung der einen Taufe als der Gabe Gottes für sein ganzes Volk. Ebenso erkennen sie an, daß die Taufe, als eine Taufe in Christi Tod ethische Folgen hat, die nicht nur nach persönlicher Heiligung rufen, sondern die Christen motivieren, sich um die Verwirklichung des Willens Gottes in allen Bereichen des Lebens zu bemühen. ” (T 10). Über die Zurüstung zu dieser Aufgabe heißt es weiter: „Bei jeder Taufe bekräftigt die ganze Gemeinde neu ihren Glauben an Gott und verpflichtet sich, für einen Geist des Zeugnisses und des Dienstes zu sorgen. Die Taufe sollte daher immer im Rahmen der christlichen Gemeinschaft gefeiert und entfaltet werden” (T 12; vgl. auch T 23). Darüber hinaus wird mit einem wiederholbaren und zu wiederholenden verbindlichen Taufgedächtnis gerechnet: „Die Taufe muß ständig wieder bekräftigt werden. Und die offenkundigste Form einer solchen erneuten Bestätigung ist die Feier der Eucharistie. Die Erneuerung des Taufgelübdes könnte auch z. B. während der jährlichen Feier des Ostergeheimnisses oder während der Feier der Taufe anderer stattfinden. ” (T 14 K.c). Die Einführung einer Feier des Taufgedächtnisses ist also auch unabhängig vom Zeitpunkt der Taufe ein notwendiger Akt der Erinnerung und Verpflichtung auf dem Weg der Getauften. Schließlich ist für alle, die sich um die Einheit der Christen mühen und denen deshalb die Trennung am Tisch des Herrn Kummer macht, die Taufe als das Sakrament, das wechselseitig anerkannt wird, ein geistliches Geschehen, bei dem eine höhere Stufe der Gemeinsamkeit, nämlich der sakramentalen Gemeinsamkeit erreichbar scheint. Auch hier kann der Lima-Text zitiert werden: „Unsere gemeinsame Taufe, die uns mit Christus im Glauben vereint, ist so ein grundlegendes Band der Einheit. - Wenn die Einheit der Taufe in e nbsp;i nbsp;n nbsp;e nbsp;r nbsp;, heiligen katholischen und apostolischen Kirche realisiert wird, kann ein echtes christliches Zeugnis abgelegt werden für die heilende und versöhnende Liebe Gottes. Daher ist unsere eine Taufe in Christus ein Ruf an die Kirchen, ihre Trennungen zu überwinden und ihre Gemeinschaft sichtbar zu manifestieren. ” (T 6). Die Feier des Taufgedächtnisses umgeht also die Schwierigkeiten, die einer gemeinsamen Feier des Altar-Sakraments noch entgegenstehen. Als ökumenischer Gottesdienst ist die Feier mehr als ein bloßer Wortgottesdienst, da sie sich zumindest im Bezugsrahmen des von allen anerkannten Tauf-Sakraments abspielt. Die Einführung einer Feier des Taufgedächtnisses bietet also die willkommene Gelegenheit, ökumenische Gemeinschaft auszudrücken und gottesdienstlich zu begehen, ohne mit einengenden kirchlichen Ordnungen in Konflikt zu geraten. Nun dürfen freilich die Schwierigkeiten nicht verschwiegen werden, die gerade bei den evangelischen Kirchen auftauchen, wenn es darum geht, die Feier des Taufgedächtnisses liturgisch auszuformen. Zu diesen Schwierigkeiten gehört natürlich vor allem die Tatsache, daß ein besonderes Taufgedächtnis in der evangelischen liturgischen Tradition kaum in Erscheinung tritt. Man kann das auch daran erkennen, daß dafür in jüngster Zeit eigene Sonder-Rituale geschaffen werden mußten, die zunächst nur örtliche oder kasuelle Bedeutung haben. Wenn man diese allerneusten Schreibmaschinen-Manuskripte, die eine besondere kritische Würdigung verdienen, zunächst einmal außer Betracht läßt, so gibt es über ein ausdrückliches Taufgedächtnis auf evangelischer Seite nicht viel zu berichten. Man kann daher eigentlich nur auf Ansatzpunkte und entfaltungswürdige Elemente aufmerksam machen, die den evangelischen Gemeinden noch kaum als Hinweise auf die Taufe und als Lebenshilfe für die Getauften bewußt sind. Die eigentlichen Schwierigkeiten sind jedoch inhaltlicher Art. Sie werden vor allem dann offenbar, wenn man die gegenwärtige Taufpraxis mit den Tauftexten des Neuen Testaments und der altkirchlichen Bekenntnisbildung in Beziehung setzt. Es geht dabei im wesentlichen um drei spürbare Akzent-Verlagerungen: In den evangelischen Kindertauf-Liturgien werden als biblische Begründungstexte für die sakramentale Handlung der Taufbefehl Mt 28 (mit Mk 16, 16) und das Kinder-Evangelium Mk 10 verlesen. Tauftheologisch und christologisch bedeutsame Texte wie Röm 6 und der Bericht über die Taufe Jesu Mt 3 sind jedoch beiseite gelassen. Die vorherrschende Säuglingstauf-Praxis hat außerdem im Lauf der Zeit dazu geführt, daß liturgische Elemente, die den in der Taufe geschehenden Herrschaftswechsel ausdrücken, weithin verschwunden sind, nämlich die Tauf-Absage und das erfragte Glaubensbekenntnis. Auch Luthers aspektreiches Sintflutgebet gehört nicht mehr zum Bestand evangelischer Taufliturgien. Damit sind auch die alttestamentlichen Tauf-Typoi aus der Osternachtliturgie nicht mehr zur Geltung gekommen. Dazu paßt, daß auch der Wassergebrauch immer spärlicher geworden ist. Damit ist ein wichtiger Tauf-Aspekt, der mit der Taufe von Säuglingen in Spannung zu stehen scheint, einfach verloren gegangen. Wer erkennt bei einer Taufe noch, daß sie Durchgang durch das Wasser, Rettung aus dem Wasser des Todes, mortificatio und vivificatio abbildet und zueignet. Dabei hatte doch Luthers Kleiner Katechismus recht deutlich vom Ersäufen des alten Adam gesprochen. Jedenfalls ist nicht zu leugnen, daß die Säuglingstauf-Praxis zu einer Reduzierung der Taufaspekte in der Tauf-Liturgie geführt hat. Es stellt sich daher die Frage, ob die Feier des Taufgedächtnisses auf die reduzierte Liturgie der Säuglingstaufe beschränkt werden kann und ob man von einem Taufgedächtnis sprechen kann, wenn wesentliche Elemente einer entfalteten Taufgedächtnisfeier bei der Taufe, auf die doch zurückverwiesen wird, gar nicht vorkommen. Ein weiteres Problem hängt damit zusammen. Im Pfingstbericht der Apostelgeschichte heißt es: „Tut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden” (Apg 2, 38). Ganz entsprechend sagt das Nizänum: „Confiteor unum baptisma in remissionem peccatorum”. Dieser wichtige Tauf-Aspekt, also Umkehr, Buße, Vergebung ist im Bewußtsein der evangelischen Getauften nahezu völlig verschwunden. Stattdessen ist für das evangelische Verständnis Sündenvergebung zum Kern des Abendmahls geworden. Schon die Arnoldshainer Thesen, nicht erst die Lima-Texte, haben gezeigt, daß dies zumindest eine Verengung ist. Als typisch evangelisches Problem muß schließlich noch die Idealkonkurrenz zwischen der einmaligen Säuglingstaufe und der ebenso einmaligen Konfirmation erwähnt werden. Während in der volkskirchlichen Wirklichkeit die Säuglingstaufe weithin nur noch eine Art „feuchter Kindersegnung” mit Verpflichtung der Eltern zu christlicher Erziehung geworden ist, kann die Konfirmation als der bewußt erlebte volkskirchliche Initiations-Akt angesehen werden. Er ist ja auch zum Ansatzpunkt gemeindlicher Katechese pastoraler Seelsorge und kirchenrechtlicher Mündigkeit geworden. Nun besteht natürlich kein Grund, den Jugend-Katechumenat und die pastorale Bedeutung der Konfirmation geringzuschätzen. Es war jedoch fast unvermeidlich, daß in dem Maße, wie die Bedeutung der Konfirmation wuchs, die Taufe an biblischer Substanz verlor und zum rite de passage wurde. Als Beispiel seien zwei Texte aus dem Anfang des 19. Jahrhundert zitiert, die durchaus auch gegenwärtige Auffassungen widerspiegeln: „Die Taufe ist die heilige Handlung, durch welche wir zum Christentum geweiht, in die christliche Kirche aufgenommen und aller Rechte und Segnungen derselben teilhaftig werden.”(Katechismus Baden 1836, Frage 82). „Die Taufe gewährt und erklärt die vorläufige feierliche Aufnahme des Täuflings in die öffentliche Gemeinschaft seiner gläubigen Gemeinde durch einen Lehrer derselben.” (Unions-Urkunde Baden 1821, ” 9, 1.) Es stellt sich die Frage, ob es gut ist, ein konfirmationsähnliches Taufgedächtnis isoliert auszuformen, ohne sein Verhältnis zur Säuglingstaufe und zur Konfirmation zu reflektieren. Es könnte sein, daß das Gewicht der einmaligen Konfirmation dazu führt, daß das Taufgedächtnis unversehens zum Konfirmations-Gedächtnis wird, wofür ja die Goldene Konfirmation Ansatzpunkte bietet. Es wäre aber auch zu prüfen, ob die Wiederholbarkeit des Taufgedächtnisses nicht zu einer Konzeption nötigt, bei der die bisherige Konfirmation nur Erstkonfirmation wäre und bei der alle nach der Taufe vorkommenden kirchlichen Handlungen als Taufgedächtnis-Handlungen oder, wenn man will, als wiederholte Konfirmationen aufzufassen und zu gestalten wären, die dann auch - wie beim osternächtlichen Grundmuster - in eine eucharistische Feier münden würden. Nach diesen Vorüberlegungen sollen nun die in der evangelischen Tradition vorliegenden Ausformungen eines Taufgedächtnisses vorgestellt werden. In die Darstellung mit einbezogen werden auch die nicht oder noch nicht bewußt wahrgenommenen Ansatzpunkte für ein evangelisches Taufgedächtnis. Nach den idealtypischen Berichten der Apostelgeschichte, z. B.: 2, 38 (Pfingstpredigt); 8, 36 (Der Kämmerer); 10, 47 (Kornelius); 16, 33 (Der Kerkermeister) ist die Taufe stets eine Besiegelung der vorgängigen Evangeliums-Predigt. Es ist daher angemessen, daß ein evangelisches Taufgedächtnis vom Zeugnis der Bibel und der darauf gründenden Verkündigung über die Taufe ausgeht. Sieht man die seit 1978 geltende evangelische Ordnung der Lese- und Predigt-Perikopen durch, so zeigt sich, daß die biblischen Texte zum Taufgeschehen folgendermaßen eingeordnet sind: In der Osternacht werden die alttestamentlichen Tauf-Typologien verlesen: Sintflut (Gen 6-8); Schilfmeer (Ex 14-15); dazu die Prophetien vom neuen Herzen (Ez 36) und von der Belebung der Totengebeine (Ez 37). Dazu kommt das Wort vom Sterben und Auferstehen mit Christus (Kol 3, 1-4). Am Sonntag nach Ostern (Quasimodogeniti) handeln die Perikopen von der neuen Geburt (1 Petr 1, 3-9) und von der Taufe als vom Begrabenwerden und Auferstehen mit Christus (Kol 2, 12-15). Hauptmotiv für die Texte des 6. Sonntags nach Trinitatis ist das Leben aus der Taufe, also in besonderem Maße das Taufgedächtnis. Vorgesehen sind der Taufbefehl (Mt 28); die Taufe in Christi Tod (Röm 6, 3-8); die Taufe des Kämmerers (Ap 8, 26-39) und die apostolische Tauf-Paränese (1 Petr 2, 2-10). Aus dem Alten Testament sind die Erwählungstexte Jes 43, 1-9 und Ps 139 vorgeschlagen. Auch im Weihnachtsfest-Kreis erscheinen Tauf-Perikopen wie die Epistel am Christfest vom Bad der Wiedergeburt (Tit 3, 4-7) und die Epistel vom Anziehen Christi in der Taufe an Neujahr (Gal 3, 26-29). Eine Neuerung gegenüber der bisherigen Ordnung sind die Lesungen am 1. Sonntag nach Epiphanias, an dem die Taufe Jesu im Mittelpunkt steht (Mt 3, 13-17; Jes 42, 1-4; Joh 1,29-34). Folgt man der Exegese Oscar Cullmanns, so enthalten auch die alten Sonntags-Perikopen der Fastenzeit aus dem Johannes-Evangelium deutliche Hinweise auf die Taufe: Nikodemus (Joh 3); Samariterin am Brunnen (Joh 4) und der Blindgeborene (Joh 9). Freilich sind diese Texte in der evangelischen Perikopen-Ordnung anderen Sonntagen zugewiesen. Cullmann verweist auch auf die Johanneischen Perikopen, die Taufe und Abendmahl miteinander in Beziehung setzen: Fußwaschung (Joh 13) und Lanzenstich (Joh 19, 34). Man muß allerdings bedenken, daß die evangelischen Prediger, dem antisakramentalen Akzent des Johannes-Kommentars von Bultmann folgend, Hemmungen haben, die Tiefenschichten des Johannes-Evangeliums sozusagen mystagogisch zu entfalten. Wenn von der Besonderheit des evangelischen Taufgedächtnisses die Rede ist, dann müssen neben der bibelbezogenen Predigt auch die Kirchenlieder genannt werden, die das Thema Taufe entfalten und einprägen. Sie verdienen als Zeugnisse der Tauffrömmigkeit in den verschiedenen Epochen eine besondere Darstellung. Zu den evangelischen Taufgedächtnisliedern sei nur folgendes in Kürze bemerkt. Es ist für die Tauflieder der oberdeutschen Reformatoren Blarer und Zwick sowie für das große Tauflied Luthers charakteristisch, daß in ihnen die erwachsene Gemeinde nicht wie in späteren Taufliedern die Taufe von Säuglingen betrachtet und fürbittend begleitet. Vielmehr wird im Singen ins Herz gefaßt, was die Taufe für jeden Getauften bedeutet. Das gilt auch für das zwölfstrophige, wenig bekannte Tauflied von Paul Gerhardt. Die Tauflieder des 18. Jahrhunderts spiegeln den Einfluß des auf Glaubensgewißheit und Glaubensgehorsam dringenden Pietismus. Die Lieder von Rambach, Starck und Neumeister stehen, zum Teil mit der Überschrift „Erneuerung des Taufbundes”, im Zusammenhang mit der in dieser Zeit überall eingeführten Konfirmation, die eben auch als persönliche Erneuerung des Taufbundes verstanden wird. Auch die Tauflieder der Gegenwart nehmen beide Akzente auf: sie rühmen die Gabe der Taufe oder sie formulieren die Bereitschaft zum Gehorsam in der persönlichen Nachfolge. Soviel zum kerygmatischen Taufgedächtnis durch Predigt und Kirchenlied. Dieses nichtritualisierte Taufgedächtnis ist sicher für die Kirchen der Reformation typisch und grundlegend. Reichere liturgische Ausformungen eines Taufgedächtnisses sind damit nicht ausgeschlossen, doch sollte das kerygmatische Taufgedächtnis in alten oder neuen Sonder-Ritualen nicht fehlen, damit keine dem biblischen Zeugnis widersprechenden Akzentverschiebungen eintreten. Schon seit längerer Zeit werden in den evangelischen Kirchen anstehende Säuglingstaufen in den sonntäglichen Gemeindegottesdienst eingefügt, sofern nicht für mehrere Taufen ein besonderer gemeinsamer Taufgottesdienst gefeiert wird. Die Praxis des monatlichen oder noch häufigeren Gottesdienstes mit integriertem Abendmahl kann dann zur Folge haben, daß in einem Gemeindegottesdienst die beiden Sakramente Taufe und Abendmahl vollzogen werden. Für die anwesende Gemeinde ist die vor ihren Augen vollzogene Taufe ein Taufgedächtnis, das verbale und nonverbale Elemente in sich schließt. Man könnte geradezu das auf die Feier des Abendmahls bezogene Wort des Paulus in 1 Kor 11, 26 auch auf die Taufe anwenden: „Sooft ihr tauft, verkündigt ihr die in der Taufe geschehende Teilgabe und Teilhabe an Tod und Auferstehung Christi.” Wenn dann die Gemeinde das zur Taufliturgie gehörende Glaubensbekenntnis mitspricht, wird aus dem anschaulichen Taufgedächtnis ein persönlich behaftendes Taufgedächtnis. Das entspricht der Aussage des Lima-Textes Taufe, wo es am Schluß heißt: „Da die Taufe zutiefst verbunden ist mit dem gemeinschaftlichen Leben und dem Gottesdienst der Kirche, sollte sie normalerweise während eines öffentlichen Gottesdienstes vollzogen werden, so daß die Glieder der Gemeinde an ihre eigene Taufe erinnert werden und diejenigen in ihre Gemeinschaft aufnehmen, die getauft werden und zu deren Unterweisung im christlichen Glauben sie verpflichtet sind.” (T 23). Das gilt in besonderer Weise für Eltern und Paten bei der Säuglingstaufe, zumal wenn die Tauf-Liturgie nicht nur den Dank für die Schöpfungsgabe, die Erziehungsverpflichtung und den Elternsegen zum Inhalt hat. Wird die erfragte Tauf-Absage und das erfragte Glaubensbekenntnis von den Eltern und Paten für ihre eigene Person beantwortet, so bezeugen sie damit, daß „in der Familie das Klima des Glaubens gegeben ist, aus dem heraus es zur persönlichen Ratifikation der unbewußt empfangenen (Tauf-)Gabe kommen kann” (B. Fischer). Freilich kam in der von Luther weitergeführten Praxis der lateinischen Kirche weniger zur Geltung, daß eine Säuglingstaufe das verbindliche Taufgedächtnis der Eltern und Paten einschließt. Denn dort wurden die Fragen bei der Taufe an den Säugling gerichtet, aber von den Paten stellvertretend beantwortet. Der für eine verantwortliche Taufpraxis eintretende Reformator Martin Bucer hat dieses Problem gesehen und einen Lösungsversuch vorgelegt. In seinem Entwurf für die Reformation des Erzstiftes Köln von 1543 findet sich die Intensivform eines Taufgedächtnisses für Eltern und Paten. Man kann diese Ordnung geradezu als Elternkonfirmation anläßlich einer Säuglingstaufe bezeichnen. „Denn dies steht ihnen zu, nicht allein darum daß sie Glieder Christi sind. . . sondern auch, daß sie allda für die Kinder der Gemeinschaft Christi in der heiligen Taufe empfangen, was sie in rechtem Glauben nicht tun könnten, wenn sie dies nicht auch für sich selbst recht herzlich begehren und geistlichen Hunger haben, die Gemeinschaft Christi vom gegenwärtigen Tisch des Herrn zu empfangen.” Am Vorabend dieses Tauf- und Abendmahlsgottesdienstes sollte ein katechetisch akzentuierter Vorbereitungsgottesdienst stattfinden. Dabei ermahnte eine ausführliche Taufgedächtsnispredigt zu erkennen, „wie wir an diese Gnade der Taufe immer, besonders aber in der Not, denken und Gott darin loben und ehren sollen”. Dem ersten Teil der Taufordnung bis zum Credo gingen elf Fragen voraus. Zunächst wurde nach dem Glauben und dem Taufbegehren der Eltern gefragt. Es folgte dann die zweiteilige Absage „um euer selbst und des Kindes willen”. In den zweimal drei Credo-Fragen ging es dann um den Glauben der Eltern und Paten an die drei Personen der Trinität. Die jeweils zweite Frage wollte erfahren, ob Eltern und Paten erkennen, was der Glaube für sie und ihr Kind bedeutet. Erst die letzte Frage bezog sich auf die Bereitschaft, das Kind im Glauben zu unterweisen. Bucers Entwurf wurde zwar in der evangelischen Tradition nicht übernommen. Er ist jedoch ein interessantes Beispiel für ein verbindliches Taufgedächtnis. Bevorzugter und angemessener Ort für ein besonders gemeinsames Taufgedächtnis ist die Feier der Osternacht. Die ersten evangelischen Entwürfe für die Feier der Osternacht, die vor 50 Jahren erschienen, sahen nur die Möglichkeit vor, daß in der Osternacht Erwachsene getauft werden. Nach dem Vorbild der katholischen Reform der Osternachtfeier ist auch auf evangelischer Seite das Taufgedächtnis zum festen Bestandteil einer Osternachtfeier geworden, was auch der Lima-Text Taufe anregt. Freilich besteht das Taufgedächtnis im deutschsprachigen Raum meist nur aus einem gemeinsam gesprochenen Credo, das durch ein Präfamen oder eine kurze Anrede eingeleitet und mit einem Gebet oder einem kurzen Zuspruch abgeschlossen wird. Auf besondere Fragen, insbesondere auf die Wiederholung der Tauf-Absage ist bewußt verzichtet. Doch muß man bedenken, daß diese aus den evangelischen Tauf-Liturgien weithin verschwunden ist. Auch wird das Credo bei der Taufe meist nicht erfragt, sondern geschlossen rezitiert. An dieser Stelle müßten nun die in letzter Zeit entstandenen ad hoc-Liturgien zum Taufgedächtnis vorgestellt und kritisch besprochen werden. Das kann jetzt nicht geleistet werden. Doch sei wenigstens hingewiesen auf den Taufgedächtnisgottesdienst des Lima-Forums auf dem Düsseldorfer Kirchentag 1985, auf das demnächst erscheinende Modell eines ökumenischen Taufgedächtnisgottesdienstes aus der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Baden-Württemberg 1985 und auf den geplanten ökumenischen Taufgedächtnisgottesdienst auf dem Katholikentag in Aachen 1986. Darüber hinaus gibt es bis jetzt nur allerlei sehr verschiedenartige und meist durch einen gewissen Verbalismus geprägte örtliche Liturgie-Entwürfe, die lediglich maschinenschriftlich vorliegen. Teil II Quatember 1986, S. 69-77 |
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