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Das Taufgedächtnis in den Kirchen der Reformation (II)
von Frieder Schulz

LeerIm vorigen Heft (Seite 69 bis 77) ist aufgezeigt worden, welche Anstöße zur Feier des Taufgedächtnisses geführt haben und welche theologischen Probleme dabei Beachtung verdienen. Die weiteren Ausführungen befaßten sich dann mit der für evangelisches Verständnis grundlegenden Taufverkündigung („kerygmatisches Taufgedächtnis”) und mit den Möglichkeiten eines „speziellen Taufgedächtnisses” bei Taufen im Gemeindegottesdienst und in der Feier der Osternacht.

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Konfirmatorisches Taufgedächtnis

LeerIm 16. Jahrhundert führte der Straßburger Reformator Martin Bucer in seinem Wirkungsbereich den besonderen Ritus eines verbindlichen Taufgedächtnisses ein, die evangelische Konfirmation. Sie ist Abschluß des nachgeholten Tauf-Unterrichts, öffentliches Bekenntnis des christlichen Glaubens, Fürbitte und Segnung sowie Eröffnung des ersten Abendmahlsganges„ In dem von Bucer verfaßten bis in die Gegenwart gebrauchten Konfirmationsgebet ist deutlich auf die Taufe zurückverwiesen, wenn es heißt:
Allmächtiger, barmherziger Gott, himmlischer Vater, der du allein alles Gute in uns anfängst, bestätigst und ausmachst, wir bitten dich für diese Kinder, die du deiner Kirche geschenkt und durch die Heilige Taufe wiedergeboren hast. . . stärke dies dein Werk, das du in ihnen angefangen hast, mehre ihnen deinen Heiligen Geist...

LeerDas Gute, das Gott angefangen hat, ist eben die Taufe. Im übrigen nennt Bucer die Handlung „Firmung und Handauflegung”. Dieser Bezeichnung entspricht auch die bekannte Segensformel:
Nimm hin den Heiligen Geist, Schutz und Schirm vor allem Argen, Stärke und Hilfe zu allem Guten, von der Hand Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes”.

LeerAuch darin steckt eine Tauf-Erinnerung: Der trinitarische Schluß erinnert an die Taufformel, der pneumatologische Anfang an das Votum nach der Taufe und die Bitte um Bewahrung vor dem Argen an die Abrenuntiation, die Absage an die Macht des Bösen.

LeerAndere Konfirmations-Ordnungen des 16. Jahrhunderts haben die Rückbeziehung zur Taufe dadurch betont, daß die Konfirmanden ausdrücklich gefragt werden, ob sie dem Teufel und der Welt absagen und ob sie sich zum dreieinigen Gott bekennen. Die früheste württembergische Konfirmations-Liturgie von 1722 hatte demnach folgende Fragen:
Widersaget ihr nochmals dem Teufel und allen seinen Werken und Wesen? Verpflichtet ihr euch aufs neue dem dreieinigen Gott, nach seinem Willen und Wort zu glauben, zu leben und zu sterben?

LeerDie gegenwärtig geltenden Konfirmationsliturgien haben die Abrenuntiation durchweg getilgt und beim Credo auf die Frageform verzichtet. Die Verpflichtungsfrage blickt also nicht auf die Taufe zurück, sondern auf den weiteren Weg des jungen Christen. Doch weist wenigstens die Einleitung zum Glaubensbekenntnis auf die Taufe hin, wenn es in der VELKD-Agende (III, 89) heißt:
Ihr seid auf den Namen des dreieinigen Gottes getauft worden. Durch die Taufe seid ihr aus dem Reich der Finsternis errettet und in die Nachfolge Jesu Christi, eures Herrn, gerufen.

LeerIn der Badischen Taufagende (1984, 80) heißt es lediglich:
Eure Eltern haben euch taufen lassen. Damit hat Gott euch in seinen Bund aufgenommen. Seither gilt: Ihr seid Gottes Kinder.

LeerFerner wird daran erinnert, daß Eltern und Paten bei der Taufe das stellvertretend getan haben, was die Konfirmanden jetzt tun sollen, nämlich das Glaubensbekenntnis sprechen. Man wird sagen müssen, daß die evangelischen Konfirmations-Liturgien zwar an die Taufe erinnern und daß sie etwas, was bei der Säuglingstaufe nicht geschehen konnte, jetzt ergänzend nachholen, so daß man von einem komplementären Taufgedächtnis sprechen könnte. Jedoch wird die Konfirmation insgesamt weniger als Taufgedächtnis erlebt und verstanden. Als Segenshandlung aus Anlaß des Übergangs in eine neue Lebensstufe hat die Konfirmation ihr eigenes Gewicht bekommen. Man kann das auch daran erkennen, daß 50 Jahre später die goldene Konfirmation gefeiert wird - eine goldene Taufe gibt es nicht.

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LeerWährend man im deutschen Sprachraum bei der evangelischen Konfirmation von einem eher nur beiläufigen Taufgedächtnis sprechen muß, haben die evangelischen Kirchen im englischen Sprachraum eine beachtenswerte neue Konzeption entwickelt. Dabei zeigt sich das Bestreben, das Taufgedächtnis zum Kern der Handlung zu machen und das auch in der Bezeichnung der Handlung auszudrücken. Trotz unterschiedlicher Ausformung läßt sich eine gemeinsame, auf die Taufliturgie zurückweisende Grundstruktur erkennen.

LeerBei den amerikanischen Lutheranern heißt die seit 1975 entwickelte, der Konfirmation entsprechende Feier Affirmation of Baptism, also etwa: „Bejahung der Taufe” oder „Bekenntnis zur Taufe”. Die grundsätzlich wiederholbare Handlung hat ihren Platz als Abschluß einer Katechumenats-Phase, bei der Aufnahme Getaufter aus anderen Denominationen und aus Anlaß der Wiederaufnahme aktiver Mitarbeit in der örtlichen Gemeinde nach einer Phase distanzierter Mitgliedschaft. Die gut überschaubare Ordnung enthält als Elemente aus der Taufliturgie eine erfragte Abrenuntiation, das erfragte Credo sowie nach dialogischen Fürbitten eine Verpflichtungsfrage als Beispiel für womöglich eigene Formulierungen, die folgenden Wortlaut hat:
lhr habt euren Glauben öffentlich bekannt.
Wollt ihr in dem Bund bleiben, den Gott mit euch gemacht hat in der Taufe;
wollt ihr zu Gottes gläubigem Volk gehören;
wollt ihr sein Wort hören und an seinem Mahl teilnehmen;
wollt ihr Gottes frohe Botschaft in Christus verkündigen durch Wort und Tat;
wollt ihr allen Menschen dienen nach dem Beispiel unseres Herrn Jesus
und wollt ihr euch einsetzen für Gerechtigkeit und Frieden auf der Erde?


LeerEs folgt dann ein kurzes Gebet mit der Bitte um den Heiligen Geist, zu dem die Betroffenen knien. Eine Handauflegung, ursprünglich in allen Fällen vorgesehen, soll nach der Endfassung der Ordnung von 1978 nur beim Abschluß des Katechumenats stattfinden, also bei der bisher so benannten Konfirmation. Diese Einschränkung ist freilich nicht ganz folgerichtig.

LeerBei den amerikanischen Anglikanern hat das Book of Common Prayer von 1979 den Begriff Confirmation beibehalten. Die Ordnung wird jedoch auch dann verwendet, wenn Getaufte in die Gemeinde aufgenommen werden und wenn die „Erneuerung der Taufgelübde” (Reaffirmation of Baptismal Vows) vorgesehen ist.

LeerGemeinsamer Kern der Handlung ist die abgekürzte Abrenuntiation und das erfragte Credo, dem fünf Verpflichtungsfragen folgen, die zum größten Teil mit denen der amerikanischen Lutheraner übereinstimmen. Die zusätzliche zweite Frage lautet: „Willst du beharren im Widerstand gegen das Böse, und, wenn du in Sünde fällst, bereuen und umkehren zum Herrn?” Den Abschluß bildet die Bitte um den Heiligen Geist und bei der Konfirmation die Handauflegung des Bischofs, während in den anderen Fällen ein fürbittendes Schluß-Votum gesprochen wird. Der Wortlaut aller genannten Stücke ist der gleiche wie in der Tauf-Liturgie.

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LeerIm Alternative Service Book von 1980 hat die Kirche von England ebenfalls eine konfirmatorische Handlung vorgesehen, die Renewal of Baptismal Vows, also „Erneuerung der Taufgelübde” genannt wird. Sie findet an Ostern, zu Neujahr oder bei anderen passenden Gelegenheiten statt.

LeerDer Kern der Handlung besteht aus Stücken, die auch bei Taufe und Konfirmation im gleichen Wortlaut vorkommen. Der Einleitungsfrage „Wendest du dich Christus zu?” folgen zwei Abrenuntiationsfragen und drei Fragen nach dem trinitarischen Glauben. Dann spricht die Gemeinde „Das ist unser Glaube. Wir glauben und vertrauen Gott, dem Vater, Sohn und Heiligen Geist.” Die bischöfliche Handauflegung ist nur bei der Konfirmation vorgesehen.

LeerDer Neujahr-Termin für die Handlung knüpft an die methodistische Praxis des jährlichen Covernant Service an, den auch die Liturgie der Kirche von Südindien übernommen hat. Freilich fehlt bei den Methodisten gänzlich die Rückbeziehung auf die Taufe.

LeerEin letztes Beispiel für das wiederholbare Taufgedächtnis findet sich in dem 1982 erschienenen Liturgie-Entwurf der United Church of Christ, einer Kirchenunion aus amerikanischen Kirchen mit reformierter und methodistischer Tradition. Die Handlung heißt dort wie bei den amerikanischen Lutheranern Affirmation of Baptism. Die Ordnung wird ebenfalls bei der Konfirmation und bei der Aufnahme Getaufter in die örtliche Gemeinde verwendet. Wieder sind aus der Taufliturgie Absage an das Böse und Zusage an Christus übernommen. Dann folgen drei Fragen, die den Glaubensgehorsam betreffen, mit folgendem Wortlaut:
Versprichst du, ein Jünger Christi zu sein, dem Wege Christi zu folgen, dem Bösen und der Unterdrückung zu widerstehen und Christi Werk und Wort zu bezeugen?
Versprichst du, nach der Gnade, die dir gegeben ist, ein treues Glied der Kirche Jesu Christi zu sein, Christi Gegenwart zu feiern und Christi Sendung in die Welt zu fördern ?
Versprichst du, teilzunehmen am Leben und an der Sendung dieser Familie des Gottesvolkes, den Gottesdienst regelmäßig zu besuchen und mitzuarbeiten beim Dienst dieser Versammlung an Kirche und Welt?


LeerErst jetzt wird das Credo gemeinsam gesprochen. Je nachdem folgen dann Erwachsenentaufe, Konfirmation oder Aufnahme Getaufter. In den vorgestellten Beispielen aus dem englischen Sprachbereich sind folgende Gestaltungstendenzen zu erkennen:

Leera) Das konfirmatorische Handeln ist ausdrücklich auf die Tauf-Liturgie bezogen und als Taufgedächtnis gestaltet.

Leerb) Aus der Tauf-Liturgie sind Absage und Zusage sowie Verpflichtungsfragen wörtlich übernommen.

Leerc) Die Feier des konfirmatorischen Taufgedächtnisses ist in einen eucharistischen Gottesdienst eingefügt. d) Die Konfirmations-Handlung ist nur Erst-Konfirmation. Sie wird durch weitere gleichartige Taufgedächtnisfeiern fortgesetzt, so daß der Getaufte so zusagen immer wieder konfirmiert wird.

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Kontinuierliches Taufgedächtnis

LeerNeben den Formen eines speziellen oder konfirmatorischen Taufgedächtnisses verdienen diejenigen Elemente des gewöhnlichen Gemeindegottesdienstes oder der kirchlichen Handlungen Beachtung, die gerade in ihrer einübenden Wiederholung Ansatzpunkte für ein kontinuierliches Taufgedächtnis bieten. In den sonntäglichen Gemeindegottesdiensten ist das von der Gemeinde mitgesprochene Glaubensbekenntnis stets auch eine Aktualisierung des Taufbekenntnisses. In neuerer Zeit wird das oft durch ein entsprechendes Präfamen vor dem Credo der Gemeinde bewußt gemacht.

LeerAuch die trinitarischen Doxologien und Konklusionen wie das Gloria patri nach dem Introitus und der Schluß des Tagesgebets sind so etwas wie Kurzformeln des trinitarischen Glaubens, in dem die Taufe vollzogen wird. Auch die anderen triadischen Gruß- und Segensformeln könnte man als Texte ansehen, die das Taufbewußtsein wachhalten und prägen.

LeerViele evangelische Gottesdienste beginnen seit dem 19. Jahrhundert mit dem trinitarischen Votum „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes”. Dieses den Gottesdienst eröffnende Wort der Liturgen wird durchweg als Vollmachts- und Legitimationsformel verstanden, ähnlich wie das Urteil des Richters „im Namen des Volkes” gesprochen wird. Es wäre höchst angemessen, dieses Votum wieder aus dem biblischen Kontext des Taufbefehls zu begründen und als knappste Form eines Taufgedächtnisses aufzufassen. Die katholische Praxis ist dieser Konzeption sehr nahe, wenn dort vor dem die Messe eröffnenden Gruß des Zelebranten die ganze Gemeinde das trinitarische Votum spricht und sich dabei bekreuzigt.

LeerIn Anknüpfung an das alte Confiteor des Priesters in der lateinischen Messe haben manche evangelische Liturgien im Eingangsteil des Gottesdienstes ein Element der Vorbereitung und Selbstprüfung. Es hat die Gestalt eines zuweilen mit dem Kyrie verbundenen Bußgebetes, Bußaktes oder Sündenbekenntnisses. Im eucharistischen Gottesdienst wird dann diese Vorbereitung zu einer gemeinsamen Beichte entfaltet, bei der auch ausdrücklich Fragen gestellt werden können, etwa: „Bekennt ihr eure Schuld . . .?” und: „Begehrt ihr im Glauben die Vergebung ...”

LeerIn diesem Bußteil des Gottesdienstes steckt ein besonders zentraler Aspekt des Taufgedächtnisses; nur wird er erstaunlicherweise oder, wenn man will, bezeichnenderweise überhaupt nicht wahrgenommen. Die Beziehung zur Taufe ist hier völlig verdeckt und vergessen.

LeerDabei gibt es für den Zusammenhang zwischen Buße und Taufe zwei bedeutende Gewährsmänner, nämlich Augustin und Luther. Beide verwenden für das Taufgedächtnis als eine Aktualisierung des Taufgeschehens den gleichen Begriff, nämlich baptismus cottidianus (= tägliche Taufe), und meinen damit die Buße.

LeerZu Joh 13,13 sagt Augustin:
Der Mensch wird in der Taufe ganz abgewaschen. Aber er macht sich bei seinem irdischen Wandel immer wieder die Füße schmutzig. . . Daher haben wir täglich die Fußwaschung nötig, die Christus täglich an uns vollzieht. . . wenn wir sagen: Vergib uns unsere Schuld.

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LeerNach Augustin ist das Vaterunser mit seiner demütigen Bitte um Vergebung sozusagen eine tägliche Taufe. Luthers Äußerungen im großen Katechismus gehen ganz in die gleiche Richtung, wenn er sagt:
Buße ist nichts anderes als ein Rückgriff und eine Rückkehr zur Taufe . . . Das Leben des Christen ist nichts anderes als eine tägliche Taufe, die einmal empfangen wird, aber immer in Übung bleiben muß . . . Für jeden ist die Taufe etwas wie ein Kleid für jeden Tag, mit dem man bekleidet ist, um immer darin einherzugehen.

LeerSobald der in der Taufe geschehende Herrschaftswechsel, die Befreiung von der Macht des Bösen, wieder als Hauptaspekt des sakramentalen Geschehens erkannt wird, wie es die osternächtliche Feier nahelegt, wird die in der Buße sich vollziehende mortiflcatio und vivificatio als besonders bedeutsames Taufgedächtnis erfaßt und erfahren werden.

LeerWolfhart Pannenberg hat in einem bemerkenswerten Aufsatz über Christsein und Taufe kürzlich vorgeschlagen, den vorbereitenden Rüstakt zu Beginn des Gottesdienstes in folgender Weise zum ausdrücklichen Taufgedächtnis auszuformen:
Da wir hier versammelt sind, um miteinander Gottes Wort zu hören, ihn im Gebet und Loblied anzurufen und das Mahl unseres Herrn Jesu Christi zu feiern, so lasset uns gedenken unserer Taufe, durch die wir von Sünde und Tod gerettet und der Gemeinschaft des neuen Lebens Christi teilhaftig geworden sind. Aber wir sind rückfällig geworden und haben gesündigt in Gedanken, Worten und Werken. Darum lasset uns nun aufs neue Zuflucht nehmen zu der Gnade, die wir in unserer Taufe empfangen haben ...

LeerDie folgende Gnadenzusage hatte übrigens schon bisher diesen Akzent, wenn sie mit dem Wort abschließt: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.”

LeerAus dieser Konzeption könnte vielleicht auch eine neue Lösung für das Problem des Junktims von Gemeinsamer Beichte und Abendmahl gefunden werden. Wenn in der Beichte Abkehr vom Bösen und Vergebung geschieht, dann wird an das osternächtliche Grundmuster des Taufweges erinnert, bei dem der grundsätzliche Herrschaftswechsel geschehen ist, der den Getauften dann zum eucharistischen Mahl führt. Schließlich könnte der durch die katholische Sonntagspflicht nicht eingeengte evangelische Büß- und Bettag auch für das Wachsen ökumenischer Gemeinsamkeit fruchtbar gemacht werden. Warum sollte man nicht an diesem Tag einen sozusagen ökumenischen Quatembergottesdienst als besonderen Taufgedächtnisgottesdienst feiern, in der Linie der grundlegenden Aussagen Augustins und Luthers über die Buße als Aktualisierung der Taufe. Bei den kirchlichen Handlungen gab es schon bisher wenigstens in einzelnen Gebeten Hinweise auf die Taufe. So heißt es in der lutherischen Agende (III, 108) in der Beichte:
Du hast uns in der Taufe aus den Banden des Bösen befreit und die Verheißung des neuen Lebens geschenkt. So hast du heute aufs neue unsere Schuld vergeben ...

LeerIn den Gebeten zum Begräbnis (172) wird auf die Taufe Bezug genommen:
Wir danken dir, daß du den Verstorbenen in der Taufe zu deinem Kinde angenommen hast. . .
daß du dem Verstorbenen in der Taufe deine Gnade zugewendet hast...


LeerAuch die evangelische Ordinations-Liturgie enthält den Hinweis auf die Taufe, wenn sie unter den die Ordination begründenden Lesungen den Taufbefehl Matth 28 an erster Stelle aufführt. Der Ordinationsvorhalt der Arnoldshainer Formulare geht demgemäß von der Tauf-Sendung des ganzen Gottesvolkes aus: „Aufgrund der Taufe sind alle Christen zum Zeugnis und Dienst in der Welt verpflichtet.”

LeerIn der liturgischen Ausformung der evangelischen kirchlichen Handlungen steckt ebenfalls ein Hinweis auf das dahinterstehende Basis-Sakrament der Taufe. Wo nämlich verpflichtende Fragen gestellt werden, geht es im Grund immer um die Fragen bei der Taufe, um Absage und Zusage, oder wenn man will: um ein konfirmatorisches Taufgedächtnis. Und wo im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes gesegnet wird, da handelt es sich letztlich um eine Wiederaufnahme der Taufformel und um eine Aktualisierung des Taufsegens.

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Privates Taufgedächtnis

LeerIm Gegensatz zur Frömmigkeitspraxis der katholischen Kirche ist auf evangelischer Seite ein nonverbales privates Taufgedächtnis wenig ausgebildet worden. Es gibt höchstens säkularisierte Spuren-Elemente wie Geburtstagskerzen und Patengeschenke zum Geburtstag. Kaum jemand bringt die Grabkreuze, die Kerzen um den aufgebahrten Toten in der Friedhofskapelle oder den dreimaligen Erdwurf bei der Bestattung mit der Taufe in Verbindung.

LeerDabei kann man bei Luther in einem Brief aus dem Jahre 1530 noch folgendes lesen:
. . . Dazu kommt, daß wir den Verstorbenen zum Gedächtnis unserer Taufe ein ebensolches Gewand anziehen, in welchem wir auf den Tod Christi getauft werden, damit sowohl bei der Taufe wie im Tode die Auferstehung der Toten angezeigt wird; denn die Taufe ist nichts anderes als der Tod, der zum ewigen Leben führt...

LeerEin anderes Bild zeigt die evangelische Gebetsliteratur. Sie läßt erkennen, daß im 16. Jahrhundert das Taufgedächtnis ein Bestandteil der Trostgebete angesichts von Krankheit und Tod war.

LeerIm 17. und 18. Jahrhundert mehren sich Gebete mit der Überschrift „Tägliche Erneuerung des Taufbundes”, wobei meist ausdrücklich auf 1 Petr 3, 21 Bezug genommen ist, wo es in Luthers Übersetzung hieß:
Das Wasser (der Sintflut), welches nun auch uns selig macht in der Taufe, die durch jenes bedeutet ist: nicht das Abtun des Unflats am Fleisch, sondern der Bund eines guten Gewissens mit Gott.

LeerAm Rand der Lutherbibel von 1545 stand die Bemerkung „Bund: Stipulatio, daß Gott sich uns mit Gnaden verpflichtet und wir es annehmen.” Hier hat die Rede vom Taufbund ihre Wurzel. Freilich muß bemerkt werden, daß diese Übersetzung des griechischen Wortes επερωτημα inzwischen aufgegeben wurde. Nach dem Neuen Testament 1984 heißt die Stelle jetzt:
Das Wasser ist ein Vorbild der Taufe, die jetzt auch euch rettet. Denn in ihr wird nicht der Schmutz vom Leib abgewaschen, sondern wir bitten Gott um ein gutes Gewissen. ” Zahlreiche Exegeten nehmen an, daß diese Bitte auf die Taufhandlung hinweist, wo es um die Befreiung von Sündenschuld geht. Als Basis für den Begriff Taufbund kommt die Bibelstelle jedoch nicht mehr in Frage, sie fehlt auch in der evangelischen Ordnung der Sonntagsperikopen. Die neueren Texte zum privaten oder gottesdienstlichen Taufgedächtnis spiegeln bereits die Bemühungen um ein vertieftes Verständnis von Gabe und Wirkung der Taufe wider.

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LeerIn diesem Zusammenhang wäre noch auf Luthers Morgensegen hinzuweisen, der in seiner Vollgestalt ein tägliches Taufgedächtnis ist. Allerdings wird das kaum wahrgenommen, weil sich die Rezeption inzwischen auf das abschließende Gebet beschränkt hat. Elemente des Taufgedächtnisses sind sowohl die am Anfang stehende Selbstbekreuzigung wie das Sprechen von Vaterunser und Credo, was nach Jungmann seit langem in der lateinischen Kirche als Tauferinnerung gebräuchlich war. So heißt es bei Augustin (Sermo 58,13):
Sprecht es täglich, wenn ihr aufsteht, wenn ihr euch schlafen legt, sprecht euer Symbolum, werdet nicht müde, es zu wiederholen. ” Überdies könnte der Beter des Morgensegens bei den Worten „daß der böse Feind keine Macht an mir finde” sich an die bei der Taufe geschehende Absage an das Böse erinnern. Zum Schluß sollen noch zwei Hinweise gegeben werden, die den ökumenischen Aspekt des Taufgedächtnisses betreffen.

LeerAuf dem Kongreß der Societas liturgica, der im Sommer 1985 in Boston stattfand, hat Eugene L. Brand einen Vortrag über den „Lima-Text als Maßstab für Taufverständnis und Taufpraxis heute” gehalten, veröffentlicht im „Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie”, 29. Band 1985. Er zitiert dabei die neue Taufliturgie der Kirchenkonferenz der Karibik, wo es heißt:
Wir wollen Zeugnis ablegen für die Einheit der Christen in der Taufe. Die Liturgie ist besonders angemessen dann zu gebrauchen, wenn sie in zeitlicher Nähe zur Gebetswoche für die christliche Einheit gefeiert wird oder zu einer anderen Zeit, wenn der Einheit der Kirche besonders gedacht wird.

LeerBrand sagt dazu:
Hier findet sich ein fundamentales Zeugnis für die eine Taufe in den noch immer getrennten Kirchen, nämlich der Vollzug der Taufen an einem gemeinsamen Ort. Eine solche Handlung wäre sogar noch aussagestärker, wenn die Taufen an einem Taufstein vollzogen werden, der allen verschiedenen Christengemeinden am Ort gemeinsam gehört. Ja, selbst wenn die Taufen noch nach konfessionell verschiedenen Taufliturgien an einem gemeinsamen Taufstein in der Gemeinschaft einer ökumenischen Gemeinde gefeiert würden, könnte dies ein starkes Band der Gemeinschaft unter den einzelnen Ortsgemeinden schaffen.

LeerMan braucht übrigens gar nicht in die Karibik zu reisen, um dieses Ziel bereits verwirklicht zu finden. In Neckargemünd steht seit einigen Jahren ein ökumenisches Kirchenzentrum, bei dem die getrennten Kirchenräume der evangelischen und der katholischen Gemeinde so angeordnet sind, daß sich zwischen beiden ein Raum mit der Taufstätte befindet. Taufen werden bei den allmonatlich stattfindenden ökumenischen Gottesdiensten gehalten. Dabei werden die Wände zum Taufraum mit dem gemeinsamen Taufstein geöffnet und die vom zuständigen Pfarrer vollzogene Taufe findet in Gegenwart beider Gemeinden und des anderen Pfarrers statt. Das ist natürlich ein Einzelbeispiel, aber eines, das zur Taufe nicht nur zurückweist, sondern auch nach vorn.

Quatember 1986, S. 147-155

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-21
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