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„Das Kreuz ist aufgerichtet”
von Paula Rothert OSB

LeerAls freundliche Gabe kommt die von Ihnen geleitete Zeitschrift „Quatember” der Evangelischen Michaelsbruderschaft auch in unser Haus, und ich verfolge sie regelmäßig. Im Märzheft stieß ich auf das Passionslied von Kurt Ihlenfeld. Sie meinen in Ihren anschließenden Zeilen „Kreuz und Dornenkrone im Osterlicht”, die Formulierung am Ende von Vers 1
„. . . gibt sich für ihre Sünde
der Schöpfer selbst zum Entgelt.”
Leersei „theologisch anfechtbar”.

LeerZugegebenermaßen ist sie uns ungewohnt. Es stellt sich die Frage: Liegt der Grund vielleicht darin, daß unsere Zeit die drei Personen in Gott, dieses unaussagbare Mysterium, allzu isoliert von einander sieht? Wie ist es mit Jo 1, 13, wie mit Kol 1, 16 u. a.? Daß der Gedanke „der Sohn als Schöpfer” lebendig geblieben ist, bezeugt z. B. die älteste uns erhalten gebliebene Osterpredigt, des Bischofs Meliton von Sardes († um 180) Rede „Vom Passa”. Dort heißt es:
„Im Anfang
als Gott den Himmel und die Erde machte,
und alles, was in ihnen ist, bildete er durch das Wort
aus Erde den Menschen.”
LeerEin Osterhymnus des 10. Jahrhunderts spricht Christus als Schöpfer an:

„Rex sempiterne, Domine,
Rerum Creator omnium . . .            
qui eras ante saecula
Semper cum Patre Filius:
Qui mundi in primordio
Adam plasmasti hominem:
Cui tuae imagine
Vultum dedisti similem: . . .”

LeerIn der Weihnachtsthematik wird von frühester Zeit an davon gesprochen, „der Weltenschöpfer” habe Fleisch angenommen . . . Angeführt sei als Beispiel aus vielen ein Weihnachtshymnus des Kirchenschriftstellers Ephraem der Syrer († 373):
„Die Ordnungen verkehrte
der Schoß deiner Mutter.
Der Schöpfer des Alls
trat als Reicher ein
und kam hervor als Bettler. ...”
LeerDas Hymnen- und Liedgut der frühen wie der späteren Kirche übernimmt ganz selbstverständlich diesen Gedanken. Im Weihnachtshymnus „Radix Iesse floruit ...” (5. Jh.) heißt es
„Praesepe poni pertulit
qui lucis auctor exstitit;
cum Patre coelos condidit,
sub matre pannos induit. .. .”
LeerÄhnlich ist es im Hymnus des Sedulius (5. Jh.), dessen 2. Vers beginnt
„Beatus auctor saeculi / servile corpus induit. . .”
LeerLuther hat diesen Hymnus übertragen („Christum wir sollen loben schon . . .”)
„Der selig Schöpfer aller Ding / zog an eins Knechts Gestalt gering . . .”
Leerund was besagt seine eigene Formulierung in seinem Weihnachtslied anderes
„. . . dort findet ihr das Kind gelegt, / das alle Welt erhält und trägt.”?
LeerAuch an das gern gesungene Weihnachtslied sei erinnert „Lobt Gott, ihr Christen allzu gleich . . .”, in dem es heißt:
„. . . und nimmt an eines Knechts Gestalt / der Schöpfer aller Ding. .. .”
LeerVon daher wäre also kaum an Patripassionismus zu denken . . .

LeerDamit nun mein „Standort” und auch ich Ihnen nicht allzu fremd seien, darf ich hinzufügen, daß zwischen Wilhelm Stählin und unserm Hause, vorab unserm verstorbenen Spritual Odo Casel, dessen 100. Todesjahr wir jetzt haben, eine echte Freundschaft bestand. Auch meine Eltern waren mit Stählin und seiner Frau befreundet. Mit guten Wünschen für Ihre Arbeit bin ich, vielmals grüßend in ΧΡΟ Ihre

Schw. Paula Rothert OSB / Herstelle

Quatember 1986, S. 123-124

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-08
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