Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1986
Autoren
Themen
Stichworte

Leserbrief zu „O König Jesu Christe”
von Dietrich Wilke

LeerBei der Lektüre des Artikels „O König Jesu Christe” in Heft 3/1986 wurde ich an ein Michaelsfest in Marburg (1955?) erinnert, wo ich das Lied zum erstenmal hörte, von einigen hundert Männern gesungen. Text und Melodie haben mich sehr bewegt, ich empfand das Lied als ein gut reformatorisches Lied, das an den Kampf der Christen gegen die Mächte des Bösen erinnert.

LeerWenn dieses Lied aus dem Stammteil des neuen EKG gestrichen werden sollte, so steht dahinter sicher nicht allein der Umstand, daß es sich in den Gemeinden nicht durchsetzen konnte, woran sicher nicht zuletzt die Pastoren schuld sind, sondern die Abneigung vieler gegen alles, was nach Kampf klingt und mit Bildern der Wehrhaftigkeit verdeutlicht wird. Boeckh hat mit Recht darauf hingewiesen, daß der Dichter dieses ursprünglich sehr viel umfangreicheren Liedes, Leonhardt Roth, zu den Hutterern gehörte, jener Täufergemeinschaft aus der Reformationszeit, 1526/27 in Zürich entstanden, die ihren Weg durch 460 Jahre unter Ablehnung jeder Form von Gewalt gegangen ist. Über 2000 von ihnen wurden verbrannt oder hingerichtet. Ihr Weg führte über Tirol, Böhmen, Mähren nach Rumänien, von dort nach Mittel- und später nach Südrußland. Als dort die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, wanderten sie 1874 nach den Vereinigten Staaten aus und ein großer Teil von ihnen 1917 auch wieder aus Gründen der Wehrdienstverweigerung nach Kanada.

LeerDurch das Buch von Michael Holzach: „Das vergessene Volk” (dtv-Sachbuch 1982) ist die Gemeinschaft mit ihren heute etwa 250 Bruderhöfen und etwa 25 000 Mitgliedern bekannt gemacht worden. Dank ihres Kinderreichtums konnten die noch nach den Regeln und Vorschriften des 16. Jahrhunderts lebenden Hutterer sich weit ausbreiten, immer neue Höfe gründen, wobei sie ihre Landwirtschaft nach modernsten Methoden führen und dadurch in den Provinzen Alberta und Manitoba sowie in Süd-Dakota (USA) zu den erfolgreichsten Landwirten wurden. Es gibt wohl kaum eine andere christliche Gemeinschaft, die so konsequent über Jahrhunderte hinweg ihre Eigenart bewahrt hat. Die Hutterer werden mit Recht zu den „Friedenskirchen” gezählt.

Quatember 1986, S. 251

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-21
Haftungsausschluss
TOP