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Hört Gott alle Gebete?
von Hans-Joachim Thilo

[Leserbrief zu Gott hört alle Gebete]

LeerEs ist Rudolf Ehrat (s. Heft 2/52 Jg., 1988) nachdrücklich zuzustimmen, wenn er die anderen Religionen und deren Nöte nicht nur kennt, sondern in lebendiger Erfahrung mit dem Frommsein des anderen als notwendiges geistliches Geschehen uns vor Augen stellt. Es ist auch notwendig, mit viel mehr innerem Respekt den anderen zu begegnen und mehr Kenntnis über religionswissenschaftlich herausgearbeitete gemeinsame Wurzeln der einzelnen Religionen zu besitzen, um für unser kleines Stück Leben an der geistlichen Erneuerung dieser Welt teilhaben zu können. Fernerhin wird notwendig sein, daß wir uns von sogenannten „dogmatischen” Glaubenssätzen befreien, die weder zum Zentrum der christlichen Botschaft noch zu den Grundsätzen christlichen Glaubens gehören. Die Himmelfahrt Mariens gehört ebenso dazu wie der törichte protestantische Windmühlenkampf gegen den Wandlungsbegriff in der katholischen Messe.

LeerNicht bereit jedoch bin ich, auch nur einen Schritt Boden preiszugeben, wenn es sich um die Proklamation eines „Buddha-Christus” handelt und um ein unreflektiertes gemeinsames Beten. In meiner Jugend gelegentlich der Phantomgestalt eines „Baldur-Christus” nahe, in den 68er Jahren den „Che Guevara-Christus” in den Auseinandersetzungen mit den Theologiestudenten begegnend, möchte ich nun nicht innerhalb der Michaelsbruderschaft mit einem Buddha-Christus konfrontiert sein! Was heißt denn, mit Buddhisten zusammen zu beten, wenn das Gebet das große Reden mit Gott darstellt. Der Buddhismus kennt eine Vielzahl von Göttern, die aber alle nicht sonderlich ernst genommen werden, weil sie im eigentlichen über den Verlauf der Welt und des einzelnen Menschen nichts Bestimmendes aussagen können, und anstelle des Dialogcharakters steht die Versenkung und die Suche nach dem inneren Licht. Anstelle des Weges, den der Sohn vom Vater zu den Menschen gegangen ist und der Christ im Gebet von seinem Menschsein hin zu Gott geht, steht im Buddhismus der ewige, große Kreislauf.

LeerMit nicht zu überbietender Schärfe hat der Dalai-Lama auf dem Kongreß für „geistige Erneuerung” in Hannover vor wenigen Wochen vor jeder Vermischung zwischen Buddhismus und Christentum gewarnt. Seine Linie, wonach wir voreinander höchsten Respekt zu haben hätten, soviel voneinander als möglich wissen sollten, aber jede Verschmelzung unreal sei, sollte auch die unseres geistigen Nebeneinanders zwischen den christlichen und den nichtchristlichen Religionen sein. Irgendwo muß eben sichtbar werden, was nach dem Bekenntnis unserer reformierten Brüder unser „einziger Trost im Leben und im Sterben” ist. Eine solche Entscheidung muß sich auf unser Beten, Handeln und Meditieren auswirken. Daher kann ich mir wohl vorstellen, in einem ungebrochenen Glauben mich geborgen zu wissen, aber vermag mir nicht vorzustellen, wie man solches auch in einem „unreflektierten Glauben” tun kann. Christ sein heißt nun einmal, verpflichtet sein zum Denken, auch zum theologischen Denken. Daher ist für mich ein „unreflektierter Glaube” ein Widerspruch in sich selbst.

Quatember 1988, S. 177-178

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-30
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