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Zu: Manfred Richter, Gegenseitige Einladung
von Sigisbert Kraft

Evangelische und Alt-Katholiken gemeinsam am Abendmahlstisch.

LeerErfreulicherweise hat Manfred Richter die Leser von QUATEMBER nochmals auf diesen noch zu wenig beachteten ökumenischen Schritt hingewiesen. Inzwischen beschäftigen sich die synodalen Gremien der Evangelischen Kirche in Deutschland, des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR und der Anglikanischen Kirche von England mit einer ähnlichen gemeinsamen Feststellung: „Auf dem Weg zur sichtbaren Einheit”.

LeerAllerdings bedarf der Beitrag von Manfred Richter an einer Stelle einer Präzisierung. Gerade die Frage der Ämter und der Sakramentsverwaltung läßt zwischen Alt-Katholiken und Anglikanern einerseits und den Evangelischen Kirchen in Deutschland andererseits noch keine völlige Übereinstimmung zu. Anglikaner und Alt-Katholiken halten an der Entscheidung der frühen Kirche für das dreifache apostolische Amt (Diakon, Priester, Bischof) fest. Sie sind der Überzeugung, daß die alte ungeteilte Kirche diese Entscheidung, geführt vom Heiligen Geist, in ähnlich verbindlicher Weise getroffen hat, wie die über den Umfang des Neuen Testaments. Deshalb sind noch kein Interkommunionsabkommen, keine Interzelebration und Interordination möglich. Dennoch sind wir dankbar für einen ersten Schritt aufeinander zu. Er führt zu besseren Voraussetzungen, auch die noch kontroversen Fragen besprechen und lösen zu können.

LeerDabei wäre es hilfreich, wenn in den Evangelischen Kirchen die Feststellungen der alt-katholisch/evangelischen und anglikanisch/evangelischen Grundlagentexte einen wahrnehmbaren Sitz im Leben fänden. Wenn z.B. das Abendmahl von Nichtordinierten gefeiert wird, wenn anstelle der lebenslangen Ordination Zeitaufträge erteilt werden, so erschwert dies den weiteren gemeinsamen Weg. Die Kurzform der Abendmahlsliturgie ohne das Gedächtnis der Heilstaten Jesu (Anamnese) und vor allem ohne die Herabrufung des heiligen Geistes (Epiklese) erweist sich ebenfalls als ökumenisches Problem. Wird doch gerade mit der Epiklese verdeutlicht, daß sich eine gegenseitige Einladung zum Kommunionempfang auf das Handeln des Gottesgeistes in der Feier der Kirche berufen kann.

LeerBleibt schließlich die für Anglikaner und Alt-Katholiken bedeutsame Frage nach dem Umgang mit den nicht ausgeteilten Abendmahlsgaben nach dem Gottesdienst. Kann man damit genauso leichtfertig umgehen, wie es manche Schüler mit nicht aufgegessenen Pausenbroten im Schulhof tun? Mancherorts ist man für all diese Probleme spätestens seit den Lima-Dokumenten sensibler geworden. Die Leser von QUATEMBER werden selbst beurteilen können, was hier in ihrem Umkreis schon erreicht ist und wo sie selbst dazu beitragen müssen, daß zwischen ökumenischen Erklärungen und der üblichen Gemeindepraxis Übereinstimmung besteht.

LeerVielfach wird heute eine Abkühlung des ökumenischen Klimas wahrgenommen und bedauert. Sie hängt wohl auch damit zusammen, daß zahlreiche Dokumente wachsender Übereinstimmung zwischen den Kirchen Papier geblieben und nicht zu Wegweisern für den lebendigen Vollzug geworden sind. Die ökumenischen Schwierigkeiten kommen nicht nur aus unterschiedlichen Lehren, sondern auch aus der verschiedenartigen Praxis. Auch wenn wir zwischen verschiedenen christlichen Kirchen zu weitreichenden Lehrübereinstimmungen finden durften, vornehmlich über das Herrenmahl, bleiben doch noch beträchtliche Unterschiede im kirchlichen Leben.

LeerSo ist z. B. in der römisch-katholischen, alt-katholischen, anglikanischen und orthodoxen Kirche die Feier des Herrenmahls an allen Sonntagen und an vielen Wochentagen unverzichtbare Regel, während in reformatorischen Kirchen das Abendmahl zwar häufiger, aber doch noch nicht überall allsonntäglich gefeiert wird. Bei aller Freude und Dankbarkeit über mögliche Teilschritte müssen wir kritisch und wachsam bleiben und dürfen bestehende Unterschiede nicht übersehen und überspielen. Wenn man sich mit teilweise Erreichtem zufriedengibt, kommt es zu ökumenischem Stillstand. Wenn sich verdrängte Probleme Geltung verschaffen, bleiben Rückschläge nicht aus.

Quatember 1989, S. 180

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-23
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