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75 Jahre Societas Sanctae Birgittae
von Wolfgang Bordthäuser

LeerVom 19. bis 25. Juli 1995 tagte das 76. Generalkapitel (Gesamkonvent) der schwedischen Societas Sanctae Birgittae in Vadstena am Vätternsee. Ich konnte als Vertreter der Evangelischen Michaelsbruderschaft daran teilnehmen. Die Tagung stand unter dem Leitwort »Gottes Auserwählte, Heilige und Geliebte« (nach Kolosser 3,12). Die täglichen Messen und Stundengebete fanden in der schönen alten Klosterkirche (von 1430) statt.

LeerDie Societas Sanctae Birgittae (SSB) beging zugleich ihr fünfundsiebzigjähriges Bestehen. Ein Vortrag von Prof. Bengt Kilström über »75 Jahre SSB« gab Aufschluß über Weg und Wesen der SSB. Ihre Wurzeln liegen in der hochkirchlichen Bewegung am Anfang dieses Jahrhunderts, die zunächst zu einer »Kirchenliedbewegung« nach deutschem Vorbild führte. Angesichts des verkümmerten sakramentalen Lebens in der schwedischen Kirche hob Erzbischof Nathan Söderblom 1916 in einer Rede die Bedeutung der heiligen Birgitta hervor, die sie für die schwedische Kirche und ihre Erneuerung haben könnte. Zugleich schlug er einen Zusammenschluß derer vor, die sich Birgitta und der birgittischen Spiritualität verbunden fühlten. So wurde schließlich im März 1920 die Societas Sanctae Birgittae in der Sakristei der deutschen St.-Gertrud-Kirche in Stockholm gestiftet. Im Gründungsjahr hatte sie 15 Mitglieder, heute sind es über 250, Pfarrer, Laienbrüder und Schwestern. Die SSB erstreckt sich über Schweden und Finnland.

LeerGemäß ihrer Regel wird die SSB geleitet »im Geist der hl. Birgitta von einem Pfarrer, genannt Confessor, im Einvernehmen mit einer der Schwestern, genannt Superiorin«. Der gegenwärtige Confessor ist Propst Karl-Olof Berglund (Västeras), die Superiorin Rektorin Anna-Grete Norén (Älvsbyn). Visitator der SSB ist jeweils ein Bischof, gegenwärtig Bischof Bertil Gärtner. Außer dem alljährlichen Generalkapitel werden regionale Konvente abgehalten. Das Generalkapitel tritt immer in der Woche des »himmlischen Geburtstages Birgittas« (23. Juli) zusammen.

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LeerBirgitta, 1303 als Tochter eines adligen Landrichters geboren, sehr jung dem ebenfalls adligen Uff Gudmarsson vermählt und Mutter von acht Kindem, hatte schon in frühen Jahren und immer wieder bis zu ihrem Tode Visionen, die sie als »Himmlische Offenbarungen« niederschrieb. In ihnen vernahm sie, besonders nach dem Tode ihres Mannes, den Ruf, Gottes Wort und Willen in dieser von Unglauben, Ungerechtigkeit und Unfrieden gezeichneten Welt zu Gehör zu bringen, auch Papst, Bischöfe und weltliche Machthaber zu ermahnen. Auf Grund ihrer Offenbarungen begründete sie in Vadstena ein Kloster für Mönche und Nonnen ihres »Ordens des Allerheiligsten Erlösers« (Ordo Sanctissimi Salvatoris), 1345 verfaßte sie eine Klosterregel und reiste wenig später nach Rom, um ihren Orden durch den Papst bestätigen zu lassen. Dies geschah wegen der päpstlichen Machtstreitigkeiten erst im Jahre 1370 durch Urban V.

LeerBirgitta starb am 23. Juli 1373 in Rom. Ihr Leichnam wurde nach Vadstena überführt. Heute ruhen ihre Gebeine und die ihrer Tochter Katharina im vergoldeten Reliquienschrein im Mönchschor der Klosterkirche zu Vadstena.

LeerDie SSB hat es sich zum Ziel gesetzt, im Geiste und geleitet von der Frömmigkeit Birgittas zur geistlichen und sakramentalen Erneuerung der schwedischen Kirche beizutragen. Ebenso hat die SSB die Pflege ökumenischer Kontakte in ihr Programm geschrieben.

LeerBengt Kilström schloß seinen oben genannten Vortrag mit der Feststellung, daß die SSB, um die es in den ersten Jahrzehnten dunkel bestellt war, ignoriert und beargwöhnt von der Kirche, sich allmählich Anerkennung verschafft habe und heute zum fünfundsiebzigjährigen Jubiläum auf eine positive Entwicklung und ein segensreiches Wirken in der Kirche zurückblicken darf.

LeerIn einer Plenumssitzung waren die ausländischen Gäste gebeten, die von ihnen vertretenen Gemeinschaften und ihre besonderen Probleme vorzustellen. So sprach der junge Erzbischof Janis Vanags für die lutherische Kirche in Lettland. Sie habe noch viel zu tun, die ihr während der Sowjetzeit zugefügten schweren Schäden, so auch den erheblichen Pfarrermangel, zu überwinden. Ökumenische Kontakte stünden erst in den Anfängen.

LeerDer Casteller Ring hatte Sr. Hanna Maurer entsandt. Sie berichtete, daß neben der Gästearbeit auf dem Schwanberg neuerdings ein »Experiment Gemeinschaft«, eine Art Kloster auf Zeit, Gelegenheit zum Ausspannen, zu Selbstfindung und seelsorgerlicher Betreuung biete. Auch gibt es 6-Wochen-Kurse für kirchliche Mitarbeiter, unterstützt von den Landeskirchen Bayerns, Württembergs und Badens.

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LeerAufgrund von Anfragen hatte ich Anlaß, Struktur und Zielsetzung der Evangelischen Michaelsbruderschaft darzustellen. Drei Anliegen unserer Bruderschaft erweckten besonderes Interesse:

a) die sog. Frauenfrage, die in unserer Bruderschaft eine zwiespältige Reaktion hervorgerufen habe, während sie für die SSB kein Problem darstellt, da sie von jeher eine Gemeinschaft von Männern und Frauen gewesen ist;

b) das Tagzeitenbuch: Auf dem Hintergrund des in der SSB gebrauchten Tagzeitenbuches »Den Svenska Tidegärden« konnte ich einige Erläuterungen zu unserem im Erscheinen begriffenen »neuen« Tagzeitenbuch geben.

c) Auf Wunsch unseres Bruders Ältesten habe ich dem Generalkapitel den von unserem Kapitel zu Exaudi 1995 beschlossenen Zusatz zur Regel »Von der öffentlichen Verantwortung der Brüder« (in schwedischer Übersetzung) zur Kenntnis gegeben.

LeerAls Geschenk der Michaelsbruderschaft überreichte ich der SSB zu Händen des Confessors ein Bronzerelief »St. Michael«.

LeerDer liturgische Höhepunkt der Feierwoche ist der 23. Juli, der »himmlische Geburtstag der heiligen Birgitta«, der mit einer festlichen Pontifikalrnesse begangen wurde mit dem Visitator der SSB, Bischof Gärtner, als Zelebrant und Prediger. Die Klosterkirche war bis auf den letzten Platz gefüllt, wie es stets bei diesem Gottesdienst der Fall sein soll. Abgeschlossen wurde der Tag mit einem Festgottesdienst, zu dem alle Brüder und Schwestern und die offiziellen Gäste in einer feierlichen Prozession in die Klosterkirche einzogen. Der Gottesdienst wurde abgeschlossen mit einer Fortsetzung der Prozession in den Mönchschor mit dem Birgittaschrein. Hier wurden »Die letzten Stunden der heiligen Birgitta« verlesen und das »Birgittalied« gesungen.

LeerDer Abschluß der Generalkapiteltagung ist eine Gedächtnismesse in der Klosterruine zu Alvastra (etwa 30 km südlich von Vadstena), dem letzten Aufenthaltsort Birgittas in Schweden.

LeerFür mich hat diese geistlich so dichte Feierwoche nicht nur innerliche »Erbauung« und manche gute Begegnung mit Brüdern und Schwestern gebracht, sondern auch erkennen lassen, wie doch ähnliche Erfahrungen SSB in ihren 75 Jahren und die EMB in ihren bald 65 Jahren auf ihrem Weg haben machen müssen - harte Zeiten der Verkennung und Beargwohnung, Blütezeiten und Niedergänge, segensreiche und krisengeschüttelte Phasen. Ebenso ist die Erkenntnis befestigt worden, daß unsere Gemeinschaften auch in der Gegenwart noch ihren Auftrag zu erfüllen haben.

LeerEins der bekannten Worte der heiligen Birgitta lautet: »Herr, weise mir deinen Weg und mach mich willig, ihn zu gehen.« Das gilt auch uns.

Quatember 1995, S. 242-243

Vergleiche auch den Bericht aus dem Jahre 1990 Als Bruder in Schweden

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-16
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