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Stille Andacht in der Kirche
von Fritz Langensiepen

LeerGewöhne dich an eine regelmäßige Andacht. Du sollst jetzt nicht daran gemahnt werden, wie notwendig, ja unerläßlich die tägliche Begegnung mit Gott einem Christen ist. Es wäre ein Leichtes, zu beweisen, daß ein Mensch, der die Andacht versäumt, unmöglich ein Christ sein kann, wenn er auch noch so eifrig aus sein Bekenntnis pocht. Du sollst aber jetzt nicht in Versuchung gebracht werden, dich als rechten und ausgezeichneten Christen zu fühlen, weil du zuweilen deiner Andachtspflicht nachkommst. Es soll dir nur geraten werden: Versuchs einmal.

LeerDu wirst dich zuerst deiner Andacht schämen, - vor den Leuten, wie du meinst. Das stimmt aber nicht. Du schämst dich vor dir selbst, denn es ist dir ungewohnt, was du da treibst. Du kommst dir selbst fremd vor, weil du nie gelernt hast, je und dann am Tage ganz wach und doch stille zu sein. Entweder du warst beschäftigt oder du hast geschlafen. Willst du aber zum ersten Mal Andacht halten, so ist dir dieser Zustand an dir ganz fremd. Du schämst dich auch vor deinem Gott, den du so garnicht gewohnt bist, anzureden, - und jetzt auf einmal anreden willst. Suche über diese erste Scham und dieses Be- fremden vor dir selbst hinwegzukommen, indem du dir die tägliche Andacht zur festen, täglichen Regel machst und treu einhältst. Sieh alle Gründe und Bedenken, die dich von der dir selbst gesetzten Regel abwendig machen wollen, als Versuchungen an. Laß nichts von all dem gelten, was du dir selbst in den Weg legst, wie: heute ist die Zeit zu kurz, - jetzt fällt es zu sehr auf, - es ist keine rechte Gelegenheit vorhanden.

LeerWo du deine Andacht hältst, ist ganz gleichgültig, wenn es nur nicht vor den Leuten geschieht. Unser Herr Jesus hat das Kämmerlein empfohlen. Wenn du aber so arm bist, wie er selbst, daß du nicht hast, wo du dein Haupt hinlegest, so tue es ihm nach und suche die einsamen Wege und die Berge zu deiner Andacht auf. Hast du auch dazu keine Zeit, so halte es wie die Apostel zu Jerusalem es hielten. Sie gingen täglich zum Gebet in den Tempel. So geh du zu deiner stillen Andacht in die Kirche. Dort bist du auch alleine. Es mag der eine oder andere gleichzeitig mit dir dort weilen, so ist er ja mit dem- selben Willen wie du zur Kirche gekommen. Deshalb braucht sich niemand vor dem andern zu verstecken. Sondern wenn du einen anderen neben dir auch Andacht halten siehst, so kann dich das in der Einigkeit im Geist nur stärken.

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LeerDie Kirche ist überhaupt zur Andacht einer der geschicktesten Orte, weil sie die Stätte ist, wo die versammelte Gemeinde Gott lobt, dankt, bittet und anbetet. Hier hört sie Gottes Wort und empfängt Gottes Gabe im Sakrament. Hier ist die Gemeinde auch unsichtbar gegenwärtig und ein leiser Widerhall der Gottesdienste verstummt in diesem Räume nie.

LeerVor allem wenn du auf Reisen an einem anderen Ort bist, so findest du nicht leicht eine geschicktere Gelegenheit zu deiner Andacht als die geöffnete Kirche. Deshalb sorge dafür, daß du dieses Blatt auf Reisen stets bei dir hast.

LeerWenn du eine Kirche betrittst, so denke daran, wem zu Ehren dies Haus gebaut ist und wen du selbst hier suchst. Darum beginne deine Andacht gleich bei der Türe mit der Anrufung des dreieinigen Namens und sprich bei dir selbst:

LeerDas walte Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, Amen!

LeerDu findest auf dem Altar die aufgeschlagene Bibel. Sie ist dir ein Zeichen dafür, daß in deiner Kirche Gottes Wort jedermann frei zugänglich ist und vor niemand verborgen gehalten wird. Für dich selbst liegt eine aufgeschlagene Bibel auf einem Lesepult gleich beim Eingang bereit. In ihr liegt ein Zettel, auf dem der Wochenspruch geschrieben steht und die Lektion für den Tag. Lies beides andächtig durch und denke daran, daß der, der dir diese Bibel aufgeschlagen hat, schon vor dir seine Andacht hier gehalten hat, du also mit deinem Gebet hier und an diesem Tage nicht alleine bist. Auch an anderen Plätzen der Kirche sind Bibeln in den Bänken ausgelegt.

LeerDarauf suche dir einen stillen Platz und sprich das Glaubensbekenntnis „in Einmütigkeit des Glaubens mit der gesamten Christenheit”.

LeerDann beginne dein Gebet.

LeerDu findest im Gesangbuch die Tagesgebete. Solange wir noch kein vollständiges kirchliches Gebetbuch haben, seien dir außerdem die „Samenkörner des Gebets” von Wilhelm Löhe empfohlen. Oder lies im Psalter, etwa den 19., 63. oder 84., mittags den 36. vom 6. Verse an, abends den 91. Psalm. Vergiß auch nicht, deinem Vater im Himmel das zu sagen, was dir selbst das .Herz bewegt. Hüte dich bloß, daß du nicht in leeres Wortgepränge verfällst, sondern sprich, was du zu sagen hast, in deinem Herzen und vor deinen: Vater schlicht und einfältig aus.

LeerDen Beschluß soll stets das Vaterunser machen. Wenn du dich dann von deinem Platz erhebst, so sprich beim Hinausgehen:

LeerDie Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit uns allen, Amen.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1931/32, S. 18-20

Siehe dazu die Leserbriefe

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-01-16
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