Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1937
Jahrgänge
Autoren
Suchen

„Erstanden ist der heilig Christ”
von Walter Blankenburg

Erstanden ist der heilig Christ

 1. Erstanden ist der heilig Christ,
der aller Welt ein Tröster ist.
 2. Und wär er nicht erstanden,
so wär die Welt vergangen.
 3. Und seit, daß er erstanden ist,
loben wir den Herren Jesu Christ.
 4. Es gingen drei heilige Frauen,
des Morgens früh im Tauen.
 5. Sie suchten den Herren Jesu Christ,
der von dem Tod erstanden ist.
 6. Sie fanden da zween Engel schon,
die trösten die Frauen lobesam.
 LeerEngel:
 7. Erschrecket nicht und seid alle froh, denn,
den ihr sucht, der ist nicht do.
 LeerMaria:
 8. Ach Engel, lieber Engel mein,
wo find ich dann den Herren mein?
 LeerEngel:
 9. Er ist erstanden aus dem Grab,
heut an dem heiligen Ostertag.
 LeerMaria:
10. Zeig uns den Herren Jesu Christ,
der von dem Tod erstanden ist.
 LeerEngel:
11. So tret't hinzu und sehet die Statt,
da man ihn hingeleget hat.
 LeerMaria:
12. Der Herr ist hin, er ist nicht do,
wenn ich ihn hätt, so wär ich froh!
 LeerEngel:
13. Seht an das Tuch, darin er lag
gewickelt bis an den dritten Tag.
 LeerMaria:
14. Wir sehens wohl zu dieser Frist,
weis uns den Herren Jesu Christ.
 LeerEngel:
15. Gehet in das Galiläisch Land,
da findt ihr ihn, sagt er, zur Hand.
 LeerMaria:
16. Habt Dank, ihr lieben Engel fein,
nun wollen wir alle fröhlich sein.
 LeerEngel:
17. Geht hin, sagt das Sankt Peter an
und seinen Jüngern lobesam.
18. Nun singet alle zu dieser Frist:
Erstanden ist der heilig Christ!
19. Des sollen wir alle fröhlich sein,
und Christ soll unser Tröster sein.

LeerDas nachweisbar älteste deutsche Osterlied „Christ ist erstanden von der Marter alle” hat seine Berühmtheit nicht zuletzt dadurch erwiesen, daß es im Laufe der Zeit eine zweifache Fortbildung erfahren hat. Luther hat den alten, gedrungenen Osterruf im Liede „Christ lag in Todesbanden” weiter ausgeführt und daraus eines seiner inhaltsschwersten und mit theologischer Weisheit beladensten Lieder geschaffen. Auch die Melodie ist hier weiter nichts als eine Weiterspinnung der alten Weise. Man lese über dieses Lied bei Christa Müller „Luthers Lieder. Theologische Auslegungen” (Verlag Vandenhoek & Ruprecht, (Göttingen) Näheres nach.

LeerAber schon vor Luther im späten Mittelalter, hat „Christ ist erstanden” eine Weiterbildung erlebt, die jedoch ganz andersartig gewesen ist; das geschah in „Erstanden ist der heilig Christ”. Im Unterschied zu „Christ lag in Todesbanden” haben wir es hier nicht mit einer predigthaften Behandlung der Osterbotschaft, sondern mit einer ganz einfachen, sehr volksliedhaften epischen Nacherzählung eines Abschnittes aus der Ostergeschichte zu tun. Wiederum aber zeigt gerade der „Volkston” (wie etwa beim Beispiel der Liedpassion, von dem wir im vorigen Heft geschrieben haben) von einer feinen, hingebungsvollen Einfühlung in die biblische Geschichte, ans der ein tiefes Verständnis für den entscheidenden Sachverhalt erwächst.

Linie

LeerDas Lied „Erstanden ist der heilig Christ” ist in vielen Fassungen überliefert, von denen die hier wiedergegebene wohl die verbreitetste ist. Den Zusammenhang mit „Christ ist erstanden” erkennt man sofort: Die drei ersten Strophen sind lediglich eine geringe Umbildung dessen ersten Teils. Hier aber vertreten diese Strophen nun die Stelle einer Eröffnung vor dem eigentlichen Inhalt des Liedes. Dem steht in den beiden letzten Versen ein zweistrophiger „Beschluß” gegenüber (wiederum äußerlich ähnlich der Liedpassion), der in der letzten Strophe fast wörtlich mit den abschließenden Worten von „Christ ist erstanden” übereinstimmt. Inhaltlich kennzeichnend für die Rahmenverse ist in Überbietung der Urform die Betonung der weltgeschichtlichen Bedeutung des Ostergeschehens: „der aller Welt ein Tröster ist”, „so wär die Welt vergangen”. Jesus Christus ist aller Welt ein Tröster, weil er als Überwinder des Todes von der Welt das Verhängnis des ewigen Todes genommen hat: „sonst”, d. h. ohne ihn, den auferstandenen Jesus Christus, wäre die Welt vergangen und hätte als der Sünde Sold nur Vergänglichkeit zu erfahren und zu erleben. In der Todesüberwindung liegt der tiefe Grund zum Fröhlichsein.

LeerDie Strophen 4-17 erzählen nun vom Gang der drei heiligen Frauen zum Grabe am frühen Ostermorgen und ihr Gespräch mit den Engeln, die sie dort antreffen. Eine der Frauen ist Wortführerin, wie auch einer der Engel antwortet. Die Erzählung ist geformt und gestaltet in freier Nachbildung von Motiven aus allen vier Evangelien. Vers 4-6 berichten den Hergang vom Aufbruch der Frauen in der Frühe bis zur Begegnung mit den Engeln. Dann folgt der eigentliche Hauptteil des Liedes: Das Zwiegespräch zwischen Maria und dem einen Engel. In einem Druck von 1544 trägt das Lied darum als Überschrift die Worte: „Das erst fröhlich Ostergeseng, auß den alten Gesengen und Evangelio, im Thon „Erstanden ist der heilig Christ”, auff Frag und antwort gestellet”.

LeerAus diesem Zwiegespräch kommt nun auch die besondere Eigenart der Darstellung zum Ausdruck; es ist das ängstlich-besorgte Fragen nach dem Verbleib des Herrn Jesus Christus. Es dauert eine Weile, bis die Frau das Wunder faßt; sie gibt sich nicht zufrieden mit den Worten: „Er ist erstanden aus dem Grab, heut an dem heiligen Ostertag”. Sie bittet darauf: „Zeig uns den Herren Jesu Christ, der von dem Tod erstanden ist”. Aber auch das leere Grab mit dem Hinweis auf das Schweißtuch, was der Engel ihnen nun zeigt, beruhigt sie noch nicht: „Wir sehen wohl zu dieser Frist, weis uns den Herren Jesus Christ”. Erst die Aufforderung, nach Galiläa zu gehen, um ihn dort zu finden, löst die Spannung: „Habt Dank, ihr lieben Engel fein, nun wolln wir alle fröhlich sein”. Das ist bei aller Gedrängtheit der Form überaus lebensvoll erzählt; man spürt aus dieser Schilderung mehr als nur persönliche Anteilnahme am Schicksal eines nahestehenden Menschen heraus. Hier wird vielmehr eine dunkle Ahnung, es könnte etwas Besonderes, Außergewöhnliches, bisher nie Dagewesenes vorgefallen sein, zur Auferstehungsgewißheit geführt. Und gerade die schlichte Sinnfälligkeit, mit der das hier geschieht, stellt dem Betrachter des Liedes so anspruchsvoll die ganze Schwere des Wortes „Auferstehung” vor Augen.

LeerDie Weise zu unserem Liede ist übervoll von Osterfreude. Sie gehört ursprünglich zu dem lateinischen Osterlied „Surrexit Christus hodie”. Im Gesangbuch der Böhmischen Brüder von Michael Weiße aus dem Jahre 1531 steht sie bei dem manche Verwandtschaft zeigenden Choral „Gelobt sei Gott im höchsten Thron”, das wir heute auf die nicht unähnliche Weise von Melchior Vulpius singen. Ihre große und klare Einfachheit kann es leicht dahin bringen, daß sie wieder Allgemeinbesitz unserer Gemeinden wird, und es gilt doch eben auch von diesem Lied, daß es wie so viele alte epische Gesangbuchslieder in seiner demütigen Einfall an uns einen großen Dienst zu erfüllen hat.

Linie

Leer„Erstanden ist der heilig Christ” ist wundervoll geeignet zum Wechselgesang, der das Nacherzählen sehr erleichtert und verständlicher macht. Man könnte sich ihn z. B. so vorstellen, daß die Gemeinde die Rahmenverse singt, Vers 4-6 Kirchenchor und Kinderchor zusammen und die übrigen Kirchenchor und Kinderchor im Wechsel. Von Michael Praetorius gibt es ein kleines Werk, das in jeweils einfachstem Satze bestimmte Verse in verschiedenen Besetzungen bringt und zwar die Rahmenverse siebenstimmig, Vers 4 und sodann den Gesang der Frauen in Vers 8, 10, 12, 14 und 16 in dreistimmigem Frauenchor, dem der Gesang der Engel in Vers 7, 9, 11, 13, 15 und 17 bezeichnenderweise als vierstimmiger Männerchor gegenübersteht (bei unseren heutigen Verhältnissen wird man freilich auf die Mithilfe von Altstimmen angewiesen sein). Bleiben noch die Verse 5 und 6, die zweistimmig gesetzt sind („sie fanden die zween Engel schön”). Ein ebenso schönes und dankbares wie leichtes Werk, das in seiner musikalischen Gestalt von greifbarer Sinnbildlichkeit ist. Wo die Siebenstimmigkeit nicht geschafft werden kann, greife man etwa zu der Bearbeitung, die sich in der Schönen Musika Blatt 4 (Burckhardhaus Verlag) befindet. Das ganze Werk ist von Albert Küster im Verlag Banas und Dette, Hannover, neu herausgegeben.

LeerWir geben hier außer der einstimmigen Weise den erwähnten zweistimmigen Satz von Michael Praetorius wieder. Wir haben dazu einen besonderen Grund. Im Jahre 1555 wurde von Valentin Triller ein dreistimmiger Satz unseres Liedes mit der Weise im Tenor veröffentlicht. Der Satz muß zu jener Zeit sehr bekannt geworden sein, denn einige Zeit später treffen wir den Trillerschen Sopran aus diesem Satz öfters als Hauptmelodie an und von einer ganzen Reihe protestantischer Kirchenmusiker werden beide Melodien, ähnlich wie bei Triller selbst, zusammengearbeitet und so eben auch in unserem zweistimmigen Satz. Hier ist die spätere Weise in strenger Form vorhanden, während die ursprüngliche eine leichte Abwandlung erfahren hat. So könnte man bei einem schlichten Wechselgesang, etwa zwischen zwei Kinderchören, den Gesang der Engel durch die alte, hochliegende und den Frauengesang durch die jüngere Melodie, die Rahmenverse jedoch im zweistimmigen Satz ausführen lassen. Auch ein Wechsel zwischen Männer- und Frauenstimmen ist natürlich möglich.

LeerDamit haben wir eine Fülle von Ausführungsmöglichkeiten angedeutet, und wir möchten unsere Leser nur noch bitten, sie gegebenenfalls weiter zu geben, wenn sie selbst sie nicht ausführen können. Sie aber dürfen vielleicht schon ohnedem spüren, daß unser Lied unsern Gemeinden gern eine festliche Stunde mit rechter Osterfreude bereiten möchte.

Anmerkung: Nach Drucklegung dieses Beitrags kommt mir P. Girkons Behandlung unseres Liedes in Heft 2/3 der Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst (1937) zu Gesicht. Ein bezeichnendes Zusammentreffen und ein Beweis dafür, wie nahe uns heute die alten geistlichen Volkslieder gerückt sind! Girkon weist noch besonders auf den Zusammenhang unseres Liedes mit dem Bereich des geistlichen Spiels hin, der ja in unseren Ausführungshinweisen unausgesprochen aufgedeckt ist.

Evangelische Jahresbriefe 1937, S. 86-91

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-07
Haftungsausschluss
TOP