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von Walter Blankenburg |
Aber schon vor Luther im späten Mittelalter, hat „Christ ist erstanden” eine Weiterbildung erlebt, die jedoch ganz andersartig gewesen ist; das geschah in „Erstanden ist der heilig Christ”. Im Unterschied zu „Christ lag in Todesbanden” haben wir es hier nicht mit einer predigthaften Behandlung der Osterbotschaft, sondern mit einer ganz einfachen, sehr volksliedhaften epischen Nacherzählung eines Abschnittes aus der Ostergeschichte zu tun. Wiederum aber zeigt gerade der „Volkston” (wie etwa beim Beispiel der Liedpassion, von dem wir im vorigen Heft geschrieben haben) von einer feinen, hingebungsvollen Einfühlung in die biblische Geschichte, ans der ein tiefes Verständnis für den entscheidenden Sachverhalt erwächst. Die Strophen 4-17 erzählen nun vom Gang der drei heiligen Frauen zum Grabe am frühen Ostermorgen und ihr Gespräch mit den Engeln, die sie dort antreffen. Eine der Frauen ist Wortführerin, wie auch einer der Engel antwortet. Die Erzählung ist geformt und gestaltet in freier Nachbildung von Motiven aus allen vier Evangelien. Vers 4-6 berichten den Hergang vom Aufbruch der Frauen in der Frühe bis zur Begegnung mit den Engeln. Dann folgt der eigentliche Hauptteil des Liedes: Das Zwiegespräch zwischen Maria und dem einen Engel. In einem Druck von 1544 trägt das Lied darum als Überschrift die Worte: „Das erst fröhlich Ostergeseng, auß den alten Gesengen und Evangelio, im Thon „Erstanden ist der heilig Christ”, auff Frag und antwort gestellet”. Aus diesem Zwiegespräch kommt nun auch die besondere Eigenart der Darstellung zum Ausdruck; es ist das ängstlich-besorgte Fragen nach dem Verbleib des Herrn Jesus Christus. Es dauert eine Weile, bis die Frau das Wunder faßt; sie gibt sich nicht zufrieden mit den Worten: „Er ist erstanden aus dem Grab, heut an dem heiligen Ostertag”. Sie bittet darauf: „Zeig uns den Herren Jesu Christ, der von dem Tod erstanden ist”. Aber auch das leere Grab mit dem Hinweis auf das Schweißtuch, was der Engel ihnen nun zeigt, beruhigt sie noch nicht: „Wir sehen wohl zu dieser Frist, weis uns den Herren Jesus Christ”. Erst die Aufforderung, nach Galiläa zu gehen, um ihn dort zu finden, löst die Spannung: „Habt Dank, ihr lieben Engel fein, nun wolln wir alle fröhlich sein”. Das ist bei aller Gedrängtheit der Form überaus lebensvoll erzählt; man spürt aus dieser Schilderung mehr als nur persönliche Anteilnahme am Schicksal eines nahestehenden Menschen heraus. Hier wird vielmehr eine dunkle Ahnung, es könnte etwas Besonderes, Außergewöhnliches, bisher nie Dagewesenes vorgefallen sein, zur Auferstehungsgewißheit geführt. Und gerade die schlichte Sinnfälligkeit, mit der das hier geschieht, stellt dem Betrachter des Liedes so anspruchsvoll die ganze Schwere des Wortes „Auferstehung” vor Augen. Die Weise zu unserem Liede ist übervoll von Osterfreude. Sie gehört ursprünglich zu dem lateinischen Osterlied „Surrexit Christus hodie”. Im Gesangbuch der Böhmischen Brüder von Michael Weiße aus dem Jahre 1531 steht sie bei dem manche Verwandtschaft zeigenden Choral „Gelobt sei Gott im höchsten Thron”, das wir heute auf die nicht unähnliche Weise von Melchior Vulpius singen. Ihre große und klare Einfachheit kann es leicht dahin bringen, daß sie wieder Allgemeinbesitz unserer Gemeinden wird, und es gilt doch eben auch von diesem Lied, daß es wie so viele alte epische Gesangbuchslieder in seiner demütigen Einfall an uns einen großen Dienst zu erfüllen hat. Wir geben hier außer der einstimmigen Weise den erwähnten zweistimmigen Satz von Michael Praetorius wieder. Wir haben dazu einen besonderen Grund. Im Jahre 1555 wurde von Valentin Triller ein dreistimmiger Satz unseres Liedes mit der Weise im Tenor veröffentlicht. Der Satz muß zu jener Zeit sehr bekannt geworden sein, denn einige Zeit später treffen wir den Trillerschen Sopran aus diesem Satz öfters als Hauptmelodie an und von einer ganzen Reihe protestantischer Kirchenmusiker werden beide Melodien, ähnlich wie bei Triller selbst, zusammengearbeitet und so eben auch in unserem zweistimmigen Satz. Hier ist die spätere Weise in strenger Form vorhanden, während die ursprüngliche eine leichte Abwandlung erfahren hat. So könnte man bei einem schlichten Wechselgesang, etwa zwischen zwei Kinderchören, den Gesang der Engel durch die alte, hochliegende und den Frauengesang durch die jüngere Melodie, die Rahmenverse jedoch im zweistimmigen Satz ausführen lassen. Auch ein Wechsel zwischen Männer- und Frauenstimmen ist natürlich möglich. Damit haben wir eine Fülle von Ausführungsmöglichkeiten angedeutet, und wir möchten unsere Leser nur noch bitten, sie gegebenenfalls weiter zu geben, wenn sie selbst sie nicht ausführen können. Sie aber dürfen vielleicht schon ohnedem spüren, daß unser Lied unsern Gemeinden gern eine festliche Stunde mit rechter Osterfreude bereiten möchte. Anmerkung: Nach Drucklegung dieses Beitrags kommt mir P. Girkons Behandlung unseres Liedes in Heft 2/3 der Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst (1937) zu Gesicht. Ein bezeichnendes Zusammentreffen und ein Beweis dafür, wie nahe uns heute die alten geistlichen Volkslieder gerückt sind! Girkon weist noch besonders auf den Zusammenhang unseres Liedes mit dem Bereich des geistlichen Spiels hin, der ja in unseren Ausführungshinweisen unausgesprochen aufgedeckt ist. Evangelische Jahresbriefe 1937, S. 86-91 |
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