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Michael und Maria bei den Iroschotten
von Hermann Knodt

LeerFür das, was Wilhelm Flückiger im vorigen Michaelsheft in seiner erregenden Untersuchung „Michael gegen Maria?” von der Entwicklung des Westwerks der alten deutschen Dome her gesehen und festgestellt hat, können aus dem mittelalterlichen Hessen überzeugende urkundliche Belege beigebracht werden. Sie beweisen, wie das unter der Sinngestalt von St. Michael stehende karolingische Imperium vom römischen Papalen Sacerdotium unter der Sinngestalt der „siegreichen Jungfrau Maria” planmäßig und mit Gewalt, aber auch zu der Kirche eigenem großem Schaden vernichtet wurde.

LeerZugleich tritt aber auch mit den hier gegebenen Hinweisen eine erste deutsche Missionskirche in unser geistiges Blickfeld, die von Anfang an, wie zahlreiche deutsche Kirchengründungen beweisen, bewußt und eindeutig unter der Sinngestalt von St. Michael stand und daher von den Karolingern trotz Bonifatius gefördert und beschützt wurde, womit die einstige Verbindung des deutschen Imperiums und der deutschen Kirche erkennbar wird. Es ist dies die stark vom Evangelium her orientierte iro-schottische Kirche.

LeerDie Iroschotten wurden im Laufe des fünften Jahrhunderts durch den Heiligen Patrick, den Neffen des Bischofs Martin von Tours, zum Christentum bekehrt. Von da bis ins zwölfte Jahrhundert hatte die christliche Kirche in Irland ihr eigenes unabhängiges, unter dem Erzbischof von Armagh stehendes Kirchenregiment und entfaltete eine starke Missionstätigkeit auf dem Festland. Von 1094 aber bis zur Synode von Cashel 1172 dauerten die letzten heißen Kämpfe um ihre Selbständigkeit, dann aber wurde auch die freie irische Kirche päpstlich und römisch.

LeerAls erster iroschottischer Missionar um 500 erscheint Fridolin als Missionsapostel der Alemannen und Gründer der Abtei Säckingen. Dann folgt Columban, der berühmteste Schottenmissionar, der über Mainz 610 nach Oberalemannien zieht und dessen Schüler Gallus St. Gallen gründet. Im Jahre 602 schreibt Columban aus den Vogesen an ein Gallisches Konzil betreffs Osterfragen; sie wollten das beibehalten, was am meisten mit dem Alten und Neuen Testament übereinstimme. Er leitet das Heil nicht von guten Werken ab, sondern allein von Gottes Erbarmen. Ein Kult der Jungfrau Maria fehlte bei den Iroschotten vollständig.

LeerUm 630 wurde der Schottenmissionar Wendelin in Butzbach in der Wetterau beigesetzt, wo noch heute eine Spitalkapelle des heiligen Wendelin ist, und es ist nicht ausgeschlossen, daß die sehr alte St.-Johanniskirche auf dem nahen Johannisberg bei Bad Nauheim, die älteste Mutterkirche der Wetterau, auf ihn zurückgeht, während in Lauterbach am Vogelsberg noch heute eine Wendelinkapelle auf dem alten Friedhof steht.

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LeerWo die Iroschotten in Deutschland Kirchen und Klöster ohne Klostermauern gründeten, waren sie zugleich Bringer der Kultur. Ihre Glocken, Zymbeln, Kelche, Kreuze und Harfen, ihre Schreibkunst der Heiligen Schrift, ihre Sprachstudien und Schulen waren berühmt. Der größte Geograph jener Zeit war der Schotte Virgil, der größte Astronom unter Karl dem Großen der Schotte Dungas. Als Columban 610 nach Mainz kam, fand er mit seinen Missionaren die freundlichste Aufnahme beim Bischof der Stadt.

LeerIm Elsaß, in der Gegend von Straßburg, wirkten die Schotten mit besonderem Erfolg. Im Jahr 667 wurde von Herzog Ettico I. die Abtei Ebersmünster unter Leitung des Columban-Schülers Deodatus begründet. Der Schotte Hildulf, Abt von Medianum in den Vogesen, lehnte es gegenüber der Wundersucht des Volkes entschieden ab, daß ein verstorbener Einsiedler der Abtei an seinem Grab Wunder tue. Im Jahre 679 erhob der Frankenkönig Dagobert II. den Schotten und Einsiedler Florens auf den Bischofsstuhl von Straßburg. Etticos Sohn und Nachfolger Herzog Adalbert errichtete auf der Rheininsel Hohenau eine Schottenabtei, deren Kirchensprengel bis nach Mainz und Oberhessen ging und uns hier besonders interessiert, da St. Michael ihr Patron ist.

LeerDie geschichtlich unanfechtbare Schenkungsurkunde des Schottenabtes Beatus von Hohenau, ausgestellt in Mainz am 21. Juni 810, übergibt seinen Nachfolgern, den Äbten „der hochheiligen Kirche des Erzengels St. Michael” und der anderen Heiligen auf Hohenau, unter anderem eine Schottenkirche zu Mainz und sieben in Oberhessen (vgl. Heber: Die neun vormaligen Schottenkirchen in Mainz und Oberhessen, im Archiv für Hess. Geschichte, Bd. 9). Dieser Schottenschenkung verleiht 884 der letzte vollblütige Karolinger, Karl der Deutsche, die Bestätigung des Reiches, in der in Mainz bereits zwei Schottenkirchen genannt werden, nachdem Pippin und Karl der Große dem Schottenabt Beatus dessen Privilegien, Besitzrechte und Immunität für alle Zeiten bestätigt hatten. Aber schon beginnt durch Bonifatius der päpstliche Kampf gegen die „Britonen”, ihre vagierenden Bischöfe, ihre Ordination, „Schotten, die sich für Bischöfe ausgeben”. Doch hat es 400 Jahre gedauert, bis man zum Ziel ihrer völligen Vernichtung kam.

LeerAußer den zwei Schottenkirchen in Mainz, deren eine Abt Beatus selbst erbaute, werden in Oberhessen genannt die Schottenkirchen und Gemeinden im Markwald Lich, die Lahnkirche im Wiesecker Hof (Kirchberg), die Kirchen in Sterrnbach, Burrenheim (Bauernheim), in Rodaheim (Rodheim), in Hornufa (Horloff) und eine in Buchonien (wohl Schotten) mit allen Ländereien, Feldern, Wiesen, Wäldern, Weinbergen, Häusern, Gebäuden, also ein wohlgeordneter umfangreicher kirchlicher Besitz. Wir entnehmen der ausführlichen Untersuchung von Heber nur das, was den Kampf „der siegreichen Jungfrau Maria” gegen St. Michael deutlich macht, natürlich zuerst gegen die Schottenabtei von St. Michael in Hohenau selbst, die im elften Jahrhundert auf einmal in ein Chorherrnstift St. Peter verwandelt und nach Straßburg verlegt wurde. So traf man planmäßig zuerst das Haupt und dann die Glieder. In Mainz waren die beiden alten Schottenkirchen das sogenannte Hagenmünster, auch Udenmünster, und die St. Paulskirche. Im Jahr 1081 ging das schottische Hagenmünster in Flammen auf. An seiner Stelle erstand aus den Ruinen 1218 die Pfarrkirche St. Maria; die Schottenkirche St. Paul wurde dem Zisterzienserkloster Altenmünster übereignet und um 1650 abgebrochen. Zu ihr gehörte einst eine Brigidenkapelle mit Brigidenhaus (der iroschottischen Heiligen) für Beginen und ein Beghardenturm.

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LeerNoch hielten die Salier, Nachkommen der Karolinger, zum Teil aus alter Tradition zu den Iroschotten, so der in Oppershofen in der Wetterau geborene Erzbischof von Mainz St. Bardo, ein gewaltiger Prediger des Wortes Gottes und Reformator der Kirche genannt, der 1050 in Mainz kurz vor seinem Tode den Schotten das Jakobskloster erbaute, und der Graf Walter von Gleiberg bei Gießen, der 1036 den Schotten in Erfurt ein Klosterstift begründet hatte. Aber sie wurden überrannt durch die Machtpolitik der kluniazensischen Päpste. Am Beginn des 13. Jahrhunderts waren alle alten Schottenstiftungen am Rhein in den Händen der Papstgehorsamen. Noch aber lebte in den Herzen vieler der Widerstand fort, St. Michael stritt noch gegen Roma-Maria.

LeerNachdem an dem Beispiel von Mainz der Kampf „der sieghaften Jungfrau Maria gegen Michael” etwas ausführlicher gezeigt wurde, sei er bei den oberhessischen Iroschotten-Kirchen und Gemeinden noch kurz angedeutet. Auch in dem mit Mainz eng verbundenen Aschaffenburg stand einst auf dem Friedhof eine von den Iroschotten erbaute Michaels-Kapelle. Neben ihr wurde 1016 eine Kirche zu Ehren der Jungfrau Maria erbaut, der die Einkünfte der Michaelskapelle einfach überwiesen wurden. In Schotten war die von den Schottenprinzessinnen Rosamunde und Diemudis nach ihrer Flucht vor den heidnischen Dänen dort erbaute älteste Kirche eine Michaeliskirche. Neben ihr, die noch 1351 Pfarrkirche war, wurde zuerst als Tochterkirche, dann als Hauptkirche eine der Jungfrau Maria geweihte gebaut, deren Benifizien ihr dann überwiesen wurden, die Michaeliskirche aber wurde abgebrochen. Ein Ablaß von 1351 für die, die mit gebeugten Knien dreimal täglich das Ave Maria beteten, bot den Conversi die Möglichkeit sich noch zu retten.

LeerIn Kirchberg war die alte Schottenkirche an der Lahn allen Heiligen geweiht. Die Ketzer an der Lahn, auch Waldenser genannt, kamen 1179 in den Bann, die reichen Kirchengüter von Kirchberg wurden 1193 zwischen Kurmainz und Kurtrier geteilt. 1483 ist aus der alten Schottenkirche eine solche Unserer Lieben Frau geworden. In Rodheim vor der Höhe mit alter Schottenkirche hat einer der letzten Nürings, Burghard Propst der Domkirche von Fulda und vom Kloster Neuenburg, 1170 „kraft der ihm von Gott und dem römischen Stuhl überlassenen Autorität” die Zehntherrschaft über das siebendörfige Kirchspiel, Kirchsatz, Gericht und das ganze Dorf übernommen. Der dortige Ketzerbornwald mit dem Ketzerborn ist noch heute eine letzte Erinnerung an das, was auch dort geschah, ebenso wie der einstige Ortsname Ketzer-Eschbach. Während Wendelin als harmloser Bauernheiliger und Kilian als Schutzpatron der Winzer in den römischen Heiligenkalender eingefügt wurden, wird St. Michael, der lebendige Gottesstreiter, zum Totengeleiter und Seelenwieger, dessen letzte Kapellen sich im Oberstock über den Kernern, dem Beinhaus, auf den alten Friedhöfen befinden.

Quatember 1958, S. 229-231

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-30
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