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Gebet für die Einheit
von Reinhard Mumm

LeerWorum beten wir, wenn wir um die Einheit der Kirche beten? Wie können wir - auch im Gebet - einiger werden? Das waren die Fragen, die einen Kreis von fast 40 Theologen aus sieben verschiedenen Konfessionen und zwölf Nationen vom 26. bis 29. Februar im Ökumenischen Institut in Bossey beschäftigten. Die Tagung leitete der Bischof von Bristol, Oliver Tomkins, in echt englischer Weise, pünktlich, zurückhaltend, und doch von innen her bewegt. Es war vorgesehen, daß man nicht nur über das Gebet reden, sondern vor allem auch mit einander beten wolle. Dementsprechend waren die besten Stunden des Tages dem Gottesdienst (in der bescheidenen, weltbekannten Kapelle), der biblischen Betrachtung und der Schweigezeit gewidmet.

LeerDrei Vorträge wurden gehalten - aber täglich nur einer! (Wann werden wir bei deutschen Tagungen endlich auch so weise sein?) Zu unserer Freude waren auch röm.-kath. Theologen zugegen, Schüler und Anhänger des Abbe Couturier von Lyon, der vor vierzig Jahren die ökumenische Gebetswoche um die Einheit der Kirche ins Leben gerufen hatte. Ein Benediktiner-Pater sprach über „Treue zum Dogma und brüderliche Liebe”: „Wir beten nicht einfach um die „Rückkehr” der Getrennten, sondern darum, daß der Wille Jesu geschehe. Wenn die Einheit erreicht ist, um die wir ringen, so wird die katholische Kirche orthodox und die orthodoxe katholisch sein. Wir möchten als Katholiken das Werk des Ökumenischen Rates auf uns nehmen, weil wir erkannt haben, daß hier Christus am Werk ist. Wir bitten darum, daß Sie im gleichen Sinne das Werk des Ökumenischen Konzils auf sich nehmen.” (In der Tat, wir sind jetzt in Gefahr, allzu selbstverständlich das geplante Konzil als eine rein römische Angelegenheit abzutun.) Der zweite Vortrag gehörte dem kontinentalen Lutheraner. Svend Borregaard aus Kopenhagen - uns als Leiter der St.-Ansgar-Bruderschaft bekannt - sprach über „Bekehrung und Heiligung im Gebet für die Einheit”. Wir spürten die Erfahrung mit der Erweckung in Dänemark während des vorigen Jahrhunderts. Wiewohl das dänische Volk fast ganz seiner Volkskirche angehört, wissen doch die Christen, daß die Einheit der Kirche eine eschatologische Größe ist. Nur in der Hinkehr zum Herrn können wir die Spaltungen überwinden. - Interessant ist der Versuch in der dänischen Hauptstadt, während der Gebets wo ehe mit einer großen Gemeinde von über tausend Menschen von einer Kirche in die andere zu ziehen, also eine Art ökumenischer Prozession zu veranstalten.

LeerDen wichtigen Beitrag des russisch-orthodoxen Professor Dr. Paul Evdokimov, Paris, bringt Quatember in diesem und im nächsten Heft.

LeerIn der Aussprache wurde u. a. bekannt, daß von den 5 Millionen Mitgliedern des YMCA (Christi. Verein Junger Männer) etwa 1,5 Millionen Katholiken und auch viele Orthodoxe seien. Selbstverständlich wird über die Grenzen der Konfessionen hinaus gemeinsam gebetet. Katholische Konferenzteilnehmer machten darauf aufmerksam, daß alle von ihrer Kirche erlaubten Gebete auch mit anderen Christen gemeinsam gebetet werden dürfen. Sie würden aber dafür eintreten, das kanonische Recht abzuändern, damit das gemeinsame Gebet erleichtert würde. Ja, sie litten darunter, daß sie nicht bei den Orthodoxen und Anglikanern kommunizieren dürften.

LeerDer letzte Teil der Beratung galt den praktischen Fragen. In Deutschland, aber auch in England ist es ein Problem, daß die ökumenische Gebetswoche im Januar der weit verbreiteten Allianz-Gebetswoche folgt. Leider haben die Versuche,. beide Gebetswochen zu vereinigen, bisher keinen Erfolg gehabt. Es ist schon früher ernstlich erwogen worden, die ökumenische Gebetswoche in die Nähe des Pfingstfestes zu verlegen. Auch das ist bisher nicht gelungen, weil in vielen Ländern während dieser österlichen Freudenzeit die Konfirmationen stattfinden. So blieb es vorerst bei dem Rat, örtlich beide Gebetswochen aufeinander abzustimmen. Entscheidend ist, daß wir miteinander beten, in welcher Weise auch immer; denn wir leben in einer äußerst bedrohten Welt. Wie sollten wir uns da nicht mit Leidenschaft ausstrecken nach der Einheit aller Christen?

LeerDie Feier der Holy Communion nach anglikanischem Ritus und der Eucharistie nach der französisch-reformierten Ordnung von Taizé vereinte die Angehörigen der reformatorischen Kirchen zur sakramentalen Gemeinschaft, während Orthodoxe und Katholiken in stillem Gebet, ja sogar mit dem verkündeten Wort, am Gottesdienst teilnahmen.

LeerDiese drei Tage gewährten eine geistliche Gemeinschaft über alle nationalen und konfessionellen Unterschiede hinweg. Jeder Teilnehmer wurzelte ganz in seiner Tradition, jeder aber war bereit, über sie hinauszuwachsen zu dem „vollkommenen Alter Christi”. Die Einheit der Kirche ist eine Wirklichkeit über alle Unterschiede hinaus. Diese Wirklichkeit neu erlebt zu haben, stärkt unsere Hoffnung.

Quatember 1960, S. 119-120

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 16-01-09
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