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von Peter Groos |
Das Verhältnis des Menschen zum Tier ist auf vielfältige Weise gekennzeichnet, was die Haltung des Menschen zur Kreatur charakterisiert. Gerhard Kappner spricht in seinem Aufsatz „. . . samt allen Kreaturen” von dem deutlichen Unterschied der Herkunft der Pflanzen- und der Tierwelt und der Erschaffung des Menschen durch Gott persönlich. Danach trifft die Forderung an den Menschen, sich dem Tier gegenüber „menschlich” oder „human” zu verhalten, sprachlich wenig zu und meint ein von Albert Schweitzer bezeichnetes „Solidaritätsverhältnis und den Zwang, aller Kreatur alles mögliche Gute anzutun . . .” Die unsere Zeit charakterisierende Trennung der Wirklichkeit in eine „inner-göttliche” und eine „mechanisch-technische” (G. Kappner) versucht, Leib und Seele, Materie und Geist unterschiedliche Bedeutung zuzumessen. Die Angst vor Geistern und Dämonen hinderte den Menschen durch Jahrhunderte, die Wirksamkeit der Götter zu leugnen und damit eine solche Trennung zu vollziehen. Unsere Wirklichkeit ist aber nicht mehr durch diese Angst gekennzeichnet. Als Christen wissen wir um die Gnade, als Techniker glauben wir, um die „Unwirklichkeit” von Göttlichem, die im menschlichen Leib medizinisch nicht nachweisbare Seele, zu wissen. Es ist ein wesentliches Verdienst Günter Howes, die Pantokrator-Eigenschaft Gottes verständlich gemacht zu haben, dessen Gegenwart auch in „Wissenschaft und Technik” wirksam ist. Der hoheitliche Herrschaftsauftrag Gottes an den Menschen nach der Genesis ist kein Freibrief zur Ausbeutung der Erde durch den Menschen, sondern er hat danach die ihm anvertraute Kreatur zu hegen und zu pflegen (colere - Kultur), und erst durch seine Schuld „im Schweiße seines Angesichts”. Die Arbeit und Mühsal, die Geburt unter Schmerzen entbindet uns nicht von der Fürsorge und Liebe gegenüber allem Geschöpflichen und erlaubt im Hinblick auf die ihm innewohnende Seele keine Trennung einer göttlichen und technischen Welt. Die Bestattung von Haustieren ist nicht nur eine „umweltfreundliche Beseitigung eines Kadavers”, und das „Gnadenbrot”, das der Mensch dem Pferd nach jahrelangem Dienst gewährt, hat nichts mit technischen oder wirtschaftlichen Überlegungen zu tun, sondern solches Verhalten beweist eine menschliche Zuneigung gegenüber dem mit Seele behafteten Geschöpf. Nur solche verantwortliche Haltung erlaubt uns das Töten von Tieren zur Nahrung und zu anderem Gebrauch, alles andere ist Mord, auch am Tier. Der Jäger der Frühzeit lauerte dem wilden Tier auf und stellte ihm nach, weil es für ihn Lebensunterhalt bedeutete, das Fleisch als Nahrung, die Haut als Kleidung, die Knochen als Werkzeuge. Das Verhältnis Mensch und Tier war durch das Messen der Kräfte und den Willen zu überleben auf beiden Seiten gekennzeichnet. Vielleicht könnte man einen Vergleich ziehen zu Menschen, die den anderen töten, um in den Besitz von dessen Intelligenz, Kraft oder auch Potenz zu kommen. Die Hinwendung an die lebende Kreatur drückt sich im Anfassen, im Gespräch, in unseren Gedanken um sie aus und damit im ganzen Umgang mit ihr, bis in den Schlachtvorgang, die Form des Tötens, die sachgerechte Zerlegung des Fleisches und seine Zubereitung, bis hin zum Verzehren. Im Gegensatz zu der bäuerlichen, einer beziehungsreichen Tierhaltung, nimmt die technifizierte Massentierhaltung immer mehr zu, obwohl Gerichte wiederholt diese als „unmenschlich” oder „die Grenzen dessen überschreitend, was dem menschlichen Gewissen und Empfinden entspricht”, bezeichnet haben. Die Tierhaltung wird unter rationalen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Produktionsfaktor, und das Tier ist nicht mehr Kreatur, sondern Objekt. Ob hierzu aus ernährungswissenschaftlichen Gründen für eine zunehmende Weltbevölkerung, aus wirtschaftlichen oder Kostengründen oder um einer Gewinnsteigerung willen ein Zwang besteht, mag dahingestellt bleiben. Der Zwang könnte aber auch dadurch entstanden sein, weil wir im Bereich der Landesplanung und damit im Soziologischen Voraussetzungen geschaffen haben, um nicht zu sagen Fehler gemacht haben, ebenso in Fragen der Finanzwirtschaft, die wir heute im Rahmen der Entwicklungshilfe im Begriff sind, auf Drittländer zu übertragen. Die Technifizierung unserer Umwelt ergreift heute Bereiche, nicht nur in der Tierhaltung, sondern auch im menschlichen Leben - etwa in der Medizin -, wo der Mensch mit seinen Fähigkeiten der Hinwendung, der Liebe und der Verantwortung ausgeschaltet und durch die Technik, die Maschine ersetzt wird. Die ausgeschaltete menschliche actio kann somit keine re-actio mehr hervorrufen, bestenfalls eine Passivität, wenn nicht sogar eine Abwehr. Jedes Leben, jedes Werden und Wachsen bedarf aber der Liebe, und nur diese kann Voraussetzung und auch Folge der actio und re-actio sein, und nur solcher Boden kann Kultur hervorbringen. Da Hühnerfedern nicht unmittelbar verwertbar sind, hat man Versuche angestellt, Hühner so zu füttern, daß ihnen kein Federkleid wächst, aber Aufwand und Erfolg standen in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis, so daß die Federn neben anderen nicht eßbaren Teilen des Huhnes wieder zu Futter verarbeitet werden. Das Schlachten der Hühner geschieht in speziellen Anlagen, wobei jedes Huhn an einem Transportband hängend etwa ein Dutzend verschiedener Maschinen durchläuft, deren Kapazität 400 bis 12 000 „birds per hour” beträgt. (Bei solchen Anlagen, exportiert in die Länder des Islam, müssen wir uns von den Moslems sagen lassen, daß das Töten der Hühner nicht maschinell, sondern mit der Hand geschehen muß.) Bis zum Verkauf werden sie dann bei -35º C eingefroren. Die aufwendigste Verrichtung ist schließlich die Zubereitung, das Zerteilen der Hühner in zwei Hälften und der allzuoft völlig unrationelle Verzehr mit Messer und Gabel durch den Menschen! Unter solchen Voraussetzungen kann zwischen dem Menschen und der Kreatur keine Beziehung entstehen. Das Huhn ist Wirtschaftsobjekt und muß in kürzester Zeit die Investition amortisieren und die nächste Tahiti-Reise - nicht des Huhnes, sondern des Investors - finanzieren. Inwieweit der Eier- und Hühnerverbraucher einen Qualitätsunterschied zwischen Käfig- oder Freilandhühnern zu erkennen in der Lage ist, mag dahingestellt sein. Ob durch Futterzusätze wie Antibiotika dem menschlichen Konsumenten Nachteile entstehen könnten, bedarf sicher eingehenderer Untersuchungen, die wohl kaum der Produzent vornimmt, vielleicht einmal eine Verbraucherorganisation, bevor es zu spät ist. Empfindliche Menschen reagieren sehr oft schon bei der Vorstellung, ein „Brathendl” aus einem Käfig vorgesetzt zu bekommen, negativ, was sich schließlich auch in der Bekömmlichkeit auswirkt. Das Vorgehen, mit dem wir als Menschen an der Kreatur schuldig werden, ist liebloses und unverantwortliches Tun. Wir rechtfertigen es mit „Hunger in der Welt”, mit Fortschritt oder wirtschaftlicher Notwendigkeit, je nach Gesprächspartner. Wir produzieren zwar Nahrungsmittel, aber Welthunger kann damit nicht gestillt werden. Von Fortschritt und Entwicklung zu sprechen beweist, wie weit wir uns vom Leben entfernt haben und daß wir von Kultur keine Vorstellung mehr haben. Das Tier hat keine Möglichkeit, sich zu wehren, es gibt keine re-actio mehr; dem Menschen bleiben aus seinem Tun nur noch die Konsequenzen. Als positiv mag er eine Profitsteigerung erachten, daß diese jedoch die negativen Folgen der Schädigung seiner Haltung gegenüber allem Lebendigen nicht aufwiegt, wird uns vielleicht einmal bewußt, wenn es zu spät ist. Quatember 1982, S. 39-43 |
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