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Ostererfahrungen
von Jürgen Boeckh u.a.

Elsbeth Hagmann - Also heilig ist der Tag
Walter Tappolet - Unterwegs in der Osternacht
Gertrud Knodel - Jubilate Deo

LeerVor einem Jahr beschrieb Edith Thomas den „Osterweg”, wie sie ihn seit den Anfängen Berneuchens, ein halbes Jahrhundert hindurch, erlebte. Die drei hier folgenden Berichte stammen aus den Jahren 1976 bis 1981. Sie zeigen, wie in unterschiedlicher Weise an verschiedenen Orten, im Schwarzwald, im Schweizer Kanton Zürich und in Hessen das Geheimnis des Kreuzes und der Auferstehung gefeiert und erlebt wird. Die Autorin des dritten Berichtes schreibt uns noch dazu: „Wir feiern in unserer Gemeinde schon über 30 Jahre lang die Evangelische Messe und die Vesper und gestalten oft die Gottesdienste mit Musik und die Liturgie leibhaft aus. So hat mich Ihr Bericht mit der Predigt über die Fenstergeschichten ('Österliches Halleluja', Jg. 45/1981, S. 45--48) sofort gefesselt. Auch unser Orgelweihegottesdienst am Palmsonntag letzten Jahres war schön gestaltet mit dem Einzug von Chor und Liturgen mit blühenden gelben Zweigen und dem Singen von Psalm 24 mit Antiphon, einem festlichen Kyrie, der Weihehandlung und dem ersten Spiel der Orgel, der prägnanten Predigt und den Orgelvariationen und der Teilnahme der großen Gemeinde am Heiligen Mahl. Es ist gut zu wissen, daß es noch mehr Gemeinden gibt, wo mit Sachkenntnis und Liebe die Feiern vorbereitet und durchgeführt werden!”


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Elsbeth Hagmann
Also heilig ist der Tag


LeerIn den 50er Jahren war ich verschiedentlich zu Gast in Hinterzarten im Hochschwarzwald, wo Pfarrer Herbert Fischer († 1967) jeweils Ende Dezember und in der Karwoche eine Einkehrzeit hielt. Es war keine freie Zeit, denn er meinte: „Ausschlafen könnt ihr zuhause.” Hier wurde vier Tage lang hart gearbeitet, beinahe gnadenlos, denn einmal wurden wir am 31. Dezember morgens um 7 Uhr in die eiskalte St.-Oswald-Kapelle befördert, die eine halbe Wegstunde unterhalb des Dorfes am Steilhang steht. Dort hielt Pater Manfred Hörhammer für zwei oder drei katholische Teilnehmer eine Messe, zu der wir sangen. Ein anderes Mal hatten wir bis tief in die Nacht hinein ein Kolloquium mit Pater Manfred und einem Major der Bundeswehr. Tagsüber versuchten wir neben der Bibelarbeit uns in die gregorianischen Gesänge des Alpirsbacher Weihnachtsheftes (mit nur vier Notenlinien!) einzuarbeiten. In der Karwoche benutzten wir auch das von der Michaelsbruderschaft erarbeitete Heft „Die heilige Woche”. Das war keine leichte Aufgabe, aber die Arbeit bereitete uns große Freude, und zugleich war es ein echt ökumenisches Unterfangen - aber darüber wurden nicht viel Worte verloren. In der Karwoche waltete ein tiefer Ernst. Wir nahmen alle Mahlzeiten (von der Pfarrfrau in nimmermüdem Einsatz zubereitet) schweigend ein, Sogar das leise Klappern des Bestecks war verpönt, und es hieß schlicht, wer von irgend einer Speise nichts oder zu wenig bekäme, der müsse eben warten und dürfe sich nachher in der Küche satt essen - ein Angebot, das jeden aufforderte, auf seinen Nachbarn „zu schauen”. Viele Jahre später hörte ich unversehens mit dem inneren Ohr den Anfang eines Liedes, ohne zu erkennen, wohin es gehörte. Es waren nur vier Töne
Also heilig ist der Tag...
LeerMehr hatte ich nicht. Aber was für ein unglaublicher Text! Könnte man Größeres in noch knapperer, noch unscheinbarerer Sprache aussagen? Und diese dichten Worte waren untermalt von vier Tönen. Die Musik hatte hier wirklich nur eine dienende Rolle, aber sie war unabdingbar, um „das Wort” abzuschirmen vor der Gewohnheit des Alltäglichen. Erst die Töne schufen den Raum der Stille, in dem diese Aussage richtig vernommen werden konnte.

LeerImmer wieder hörte ich diesen erstaunlichen Vers, immer mehr geriet ich über ihn in ein Staunen: so einfach läßt sich das Höchste ausdrücken! Immer wieder wurde ich beschenkt durch diese kurze Zeile, deren Sinn unauslotbar schien. Sie war mir so genug, daß ich nie daran dachte, nach ihrer Herkunft zu forschen.

LeerEines Tages aber fand ich beim Blättern in der „Heiligen Woche” das folgende Lied
Also heilig ist der Tag,
daß ihn niemand mit Loben erfüllen mag;
denn der einige Gottessohn,
der die Hölle überwand
und den leidigen Teufel darinnen band,
damit erlöst der Herr die Christenheit.
Das war Gott selber. Kyrieleis.
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LeerIn der zweiten Zeile steigt die Melodie nochmals um drei Töne empor, so daß jeweils das wichtigste Wort der Zeile auf den höchsten Ton entfällt: niemand - Überwand - selber. Dabei hat die überlange vierte Zeile zugleich den Tiefpunkt; das einzige Eigenschaftswort in diesem Lied ist dem Teufel zugesellt, und so hat das Wort „leidig” den höchsten Ton, verläßt ihn aber eilig wieder und strebt mit dem Teufel der Tiefe zu. Der „Leibhaftige” entzieht sich der Identifikation, kann also nur durch Eigenschaften erkannt werden!

LeerDie Melodie wird von der dritten Zeile ab nur noch leicht abgewandelt, wie es die Worte verlangen. Es kommt nichts Neues mehr dazu, aber sie verschmilzt völlig mit dem Text, wie bei allen wirklich gut gebauten Liedern.

LeerHier haben wir das ganze Dogma der Christenheit in den einfachsten Worten vor uns, für jeden Christen verständlich und überzeugend. „Das war Gott selber”. Es ist, als stocke dem Sänger der Atem bei dieser kühnen Aussage, und darum folgt gleich darauf: „Kyrieleis”. Wilhelm Stählin in seiner „Feier des Neuen Bundes” sagt dazu: „Immer ist es der sehnsüchtige Ruf aus der Tiefe nach der Höhe . . , aus dem Tod nach dem Leben, und es ist also schlechthin der Ausdruck der Lage des Menschen, der es wagt, sein Herz zu Gott zu erheben. Auch noch mit dem überquellenden Jubel des Weihnachtsliedes vermischt sich Strophe für Strophe der Ruf Kyrieleis . . . weil der Ruf, mit dem sich der Mensch an Gott wendet, eben immer der Ruf jener Huldigung ist: Herr, erbarme Dich!”

LeerDieses Lied steht am Ende des Vespergottesdienstes am Karsamstag, und es folgen darauf nur noch die Fürbitten für die Toten. Es könnte auch nirgendwo sonst stehen als an diesem tiefsten Punkt der Heiligen Woche. Daher kann es nur ganz leise, verhalten gesungen werden. Still, mit gemessenen Schritten entfernen wir uns damit vom Grab. Es ist darin noch kein österlicher Jubel spürbar, aber es birgt die Gewißheit, aus der die herrlichen Osterlieder gespeist werden. Nur in dieser Gewißheit können wir später singen:
„Die ganze Welt, Herr Jesu Christ, zu Deiner Urständ fröhlich ist”
LeerDieses unscheinbare Lied, das gewissermaßen im leeren Raum steht, ihn vorahnend erfüllt mit der ganzen Fülle des österlichen Geschehens, gerade dieses Lied war mir in den Einkehrtagen nie „aufgefallen”, während ich doch andere Stücke der Feiern immer im Gedächtnis behalten hatte. Aber es ist eben so, daß das, was uns im Tiefsten berührt, oft erst viel später wieder im Bewußtsein auftaucht. Dann aber offenbart es einen Reichtum, eine Nährkraft, nicht zu vergleichen mit dem, was uns „unvergeßlich” blieb. Ich bin sicher, daß solche Erlebnisse immer die Frucht einer unbewußten Meditation sind. Sie entstehen da, wo wir uns mit allen Sinnen einer Sache hingeben. Während meiner Studienzeit war im deutschen Seminar von den Tropen genannten dichterischen Versuchen des frühen Mittelalters die Rede, durch die an den Festtagen der Gottesdienst bereichert und das Dogma veranschaulicht wurde. Es hieß damals, daß man bis heute nicht wisse, welche Tropen früher entstanden seien, die für Weihnachten oder die für Ostern, und daß man wohl diese Frage mangels schriftlicher Zeugnisse solcher Spiele nicht mehr beantworten könne. Die Frage blieb mir im Gedächtnis haften. Warum, hätte ich nicht sagen können, aber ich mochte damals wohl schon spüren, daß da eine Frage wissenschaftlich gelöst werden sollte, ohne daß die Gelehrten merkten, wie diese Frage in einem größeren Raum beheimatet war. In der „Lesung für das Jahr der Kirche” sagt Wilhelm Stählin: „Das Osterfest war die erste und höchste Feier der Christenheit”. Damit ist ja auch die Frage nach den dramatischen Spielen in der Kirche geklärt: Die Tropen für die Osterzeit sind früher entstanden als die für das Weihnachtsfest. Eine Geburt ist etwas durchaus Irdisches, ja Alltägliches, auch wenn es sich um die Christgeburt handelt, die einmalig ist und von allerlei wunderbaren Erscheinungen begleitet war. Hingegen ist die Auferstehung Christi eine unwiederholbare Gewißheit, etwas, das sich dem menschlichen Verstand völlig entzieht, weil es ein totaler Einbruch der jenseitigen Welt in unser irdisches Jammertal ist. Darum singen wir immer wieder mit erneutem Staunen: Also heilig ist der Tag.

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Walter Tappolet
Unterwegs in der Osternacht


LeerWas haben wohl die paar Automobilisten gedacht, die nach neun Uhr nachts auf den kleinen Landstraßen zwischen Dübendorf und Gfenn dem langen Zug ausweichen mußten, der, bald geschlossen, bald in kleinere Gruppen aufgelöst, von drei brennenden Fackeln am Kopf, in der Mitte und am Schluß des Zuges geleitet, durch die dunkle Nacht wanderte? Etwa ein politischer „Schweigemarsch”? Aber hier in dieser abgelegenen Gegend? Und so lautlos ginge das auch nicht vor sich; es waren in der Überzahl junge Leute.

LeerDiese zwei- bis dreihundert Leute, wie gesagt meist junge, hatten sich vorher in der neuen katholischen Kirche Dübendorf eingefunden. Emil Heer war mit einem Teil seines Singkreises von Winterthur herübergekommen und übte mit allen ein paar Osterkanons und solche Osterlieder, die nicht in unserem Schweizer Gesangbuch stehen und deshalb nicht als bekannt vorausgesetzt werden können: Erstanden ist der heilige Christ / Die ganze Welt, Herr Jesu Christ / Wir wollen alle fröhlich sein, das Prozessionslied der Brüdergemeine beim Zug zum Sonnenaufgang auf den Gottesacker.

LeerDann sah man den Film „Espolio”, mit Szenen des Passionsgeschehens, das Ausgangsort und Vorbereitung für die Osternacht sein sollte.

LeerDer anderthalbstündige Marsch von Dübendorf nach Gfenn war eine Wiederaufnahme der alten Prozession. Durch nichts abgelenkt wenn man allein und etwas abseits ging - sollte und konnte man einem bestimmten Gedanken nachgehen, sollte und konnte man etwas „in sich bewegen”. Zum ersten Mal war mir dieser tiefe und heilsame Sinn der „Prozession” aufgegangen, als ich Gelegenheit hatte, auf dem Land in dem Trauerzug vom Wohnhaus zur Kirche mitzugehen. In dem Sarg vorne trug man meine liebste von sehr vielen Tanten. Nach dem frühen Tod meiner Mutter durfte ich bei ihr und bei gleichaltrigen Vettern und Kusinen meine Ferien verleben. Vor und neben mir gingen im Zug drei Theologen, der berühmte Vater und seine beiden Söhne, die dieses Zusammentreffen für theologische Erörterungen benützen wollten. Wahrscheinlich haben sie, die nüchternen und sachlichen Reformierten, meine Wortkargheit nicht verstanden, vielleicht sogar als Unfreundlichkeit ausgelegt. Aber ich wollte doch meine Gedanken auf den Menschen da vorne richten und auf die Dankbarkeit für so viel Gutes, das ich durch ihn empfangen hatte!

LeerVorne ging einer mit, der trug sein Cello. Wer ihn nicht bereits kannte, mußte ihn für einen besonders ängstlichen Musikanten aus der Gruppe, die in der Kirche dann mitzuwirken hatte, halten, daß er sein Instrument nicht dem Car anvertrauen wollte, der ein paar älteren oder gar invaliden Teilnehmern die Mühe des Fußmarsches abnahm. - Aber da kam man am Rande von Dübendorf zu einem kleinen Holzpodium, auf dem ein Stuhl stand. Der Cellist war nämlich Franz Hohler, der seine Chansons mit dem Cello zu begleiten pflegt. Er trug ein Chanson über die Schuld vor. Denn es war die Schuld, im Zusammenhang mit der Passion, die die Wanderer bedenken sollten, Meditation, hier in der Form der ehemaligen Prozession, in eine neue, gegenwärtige Realisierung übertragen.

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LeerEs gab noch zweimal einen solchen Halt mit Besammlung der Teilnehmer des Marsches, bei dem Brunnen unter einer mächtigen Linde, und auf dem „Tenn” zwischen Bauernhaus und Scheune, dort mit der Lesung eines kleinen Prosastückes von Ernst Burren, dem Solothurner Dialektdichter, wieder über das Problem der Schuld, weil da ein schon in der Schule verschupfter Knabe nachher einsam und verachtet durchs Leben ging bis zu seinem frühen Tod. Hier, in der eindrucksvollen Situation des „Tenns”, Hohlers Ballade vom „Gerechten Friedrich”.

LeerBald leuchtete durch die schwarzen Baumkronen ein Feuer auf, größer als das der Fackeln, ein richtiges Holzfeuer auf dem Platz vor der altertümlichen Kirche von Gfenn, um das sich nach und nach alle Wanderer scharten. Einer der vier Geistlichen, alle, ungeachtet der Konfession in österlich-weißen Priestergewändern, entzündete die große Osterkerze am Feuer und gab das Licht weiter; alle hatten bei der Ankunft auf dem Kirchplatz eine Kerze (mit Manschette, zum Schutz vor den Tropfen) erhalten und jeder gab das Licht an den Danebenstehenden weiter. Der Sigrist (so nennt man in der Schweiz den Küster) meinte zwar, die kleine Kirche könne diese Menge nicht aufnehmen; aber man zog doch hinein, blieb für den ersten Teil der Liturgie stehen, und schließlich fanden mit gutem Willen alle ihren Platz, die Jüngsten auf den Stufen zum Chor und auf den Steinfliesen des Ganges zwischen den Stuhlreihen.

LeerUnd nun wurde Ostern gefeiert, vielmehr die Auferstehung des Herrn nachvollzogen in einer unkonventionellen und äußerst lebendigen Liturgie mit Voten und Lesungen der Priester, Wechselgesängen, Chorsätzen des Singkreises und Orgelchorälen, immer wieder einmündend in den sieghaft klingenden Jubelruf des Halleluja und des orthodoxen Ostergrußes. Viele Erinnerungen und Erlebnisse auf Geistlichen Wochen nach Ostern und Ostersingwochen wurden in mir lebendig, und es erwahrte sich einmal mehr der Ausspruch von Karl Bernhard Ritter, „richtig Ostern feiern” heiße „Halleluja singen”.

LeerAlles vollzog sich in freudig gelöster, natürlicher Selbstverständlichkeit, ohne den falschen Ernst der Verkrampfung und bei aller Fröhlichkeit doch würdig. Und bis auf den letzten Mitfeiernden schlossen sich alle dem Kommunionszug in den Chor an, viele Junge wohl zum ersten Mal seit der Konfirmation wieder Brot und Wein empfangend.

LeerWeil richtiges gottesdienstliches Geschehen die physikalischen Begriffe von Raum und Zeit aufhebt - wie könnten sonst orthodoxe Christen stundenlang stehen im Gottesdienst! -, hatte man nicht bemerkt, daß Mitternacht vorüber war.

LeerDie rötliche, kreisrunde Mondscheibe hob sich rechts vom Kirchlein aus der Horizontlinie empor in den klaren Sternenhimmel, während man erfüllt und gestärkt auf die Wagen wartete, die einen heimführten.


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Gertrud Knodel
Jubilate Deo


Leer„Erlöster müßten sie aussehen”, sagte einst Nietzsche von den Christen. Viele protestantische Gottesdienste sind im Laufe der Zeit „verkopft” worden, sind zu sehr vom Intellekt bestimmt und zu wenig vom Gemüt her zu erleben. Wer in der lutherischen Dreifaltigkeitsgemeinde zu Darmstadt am Sonntag Jubilate die „Österliche Musikalische Vesper” erlebt hat, konnte sich hineinziehen lassen in ein leibhaftes Feiern, das den ganzen Menschen erfaßt. Anlaß war die neue Oberlinger-Orgel, die am Palmsonntag ihrer Bestimmung übergeben worden war und die in dieser Vesper zusammen mit den Chören zur Ehre des Auferstandenen ihre Stimmen erklingen ließ.

LeerZu dieser Feier war die Form der Vesper gewählt worden, die sich sehr gut für Chor- und Orgelmusik eignet. Nach dem feierlichen Einzug von Chor und Liturgen unter Vorantritt von Kreuz- und Kerzenträgern mit festlichem Orgelspiel (Allabreve von J. S. Bach) sang der große Chor - in den Bänken unter der Gemeinde sitzend - das Eingangslied „Gelobt sei Gott im höchsten Thron” im Wechsel mit der Gemeinde. Der Kinderchor hatte mit Eröffnungspsalm, Sündenbekenntnis und dem Lobpsalm 150 den Eingangsteil übernommen. Die neue Orgel trug mit zwei Voluntary's von Stanley und später mit Stücken zur Messe von Zipoli das Gotteslob ohne Worte vor. Die Verkündigung des Evangeliums wurde von zwei Lichtern begleitet und umrahmt von dem „Osterdialog” mit dem lateinischen „Surrexit Christus Dominus” von Hammerschmidt und der Osterkantate des Kinderchors „Heut singt die werte Christenheit” mit Streichern und Bach-Trompete von Johann Krieger. Die kurze, lebendige Predigt wurde zum Mittelpunkt der Feier. Schließlich sang der große gemischte Chor mit seinen über siebzig Sängern vor dem Altar eine kleine Osterkantate von W. C. Briegel, eine Motette von Dressler „Ich bin die Auferstehung und das Leben” und die glanzvoll mit Trompeten, Violinen, Bratschen und Generalbaß instrumentierte Buxtehude-Kantate „Man singet mit Freuden vom Sieg”. Mit ihrem großartigen Eingangschor, den zehn Liedstrophen mit prächtigem Halleluja-Ritornell und dem machtvollen Schlußchoral war sie der musikalische Höhepunkt. - Der Kinderchor empfing aus der Hand der Liturgen Osterkerzen und bildete im Mittelgang eine Lichterkette zum Magnificat, das vom Chor im 6. Psalmton im Wechsel gesungen und von der Gemeinde zusammen mit der neuen Orgel durch den wiederholten Rahmenvers „Christus sieget, Christus regieret, Christ triumphieret” festlich vollzogen wurde. Das österliche Lobgebet respondierte die Gemeinde gut mit der Antwort nach jedem Abschnitt: „Ehre sei dir, dem Erlöser der Welt”. Beschwingt und freudig erklang nach dein Vaterunser das Lied der Chöre „Wir wollen alle fröhlich sein” von Prätorius mit dem Kehrreim der Gemeinde. Nach dem Dank an die vielen Mitwirkenden zogen die Liturgen unter Orgelspiel durch die Lichterstraße der Kinder, die sich dem Zug anschlossen, aus der Kirche.

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LeerDer Altarraum war wundervoll geschmückt, festlich waren die weißen Gewänder der Liturgen und die Kleidung der Kinder wie der Chorsänger. Die Gemeinde war ergriffen von der Fülle des Gotteslobes, der reichen Liturgie, der freudig-ernsten Predigt, dem verinnerlichten Beten. Die Zeit war vergessen - immerhin hatte die Feier eindreiviertel Stunden gedauert. Es gab frohe, erlöste Gesichter, tage- und wochenlang nach diesem Gottesdienst viele freudige Ansprachen und Anrufe. Ein Ausspruch möge hier für viele stehen:

Leer„ . . . Mir ist der Vers in der Kantate ins Herz gefallen: Lebt Christus, was bin ich betrübt? Ich weiß, daß er mich herzlich liebt.”

LeerDas Singen unseres kleinen Kirchenchores mit vielen Gästen aus den vier evangelischen und katholischen Chören unserer Vorstadt und der Filialgemeinde war eine Frucht gelebten Glaubens und läßt auf weitere Zusammenarbeit hoffen. Die Vesperordnung verbindet uns mit der katholischen Kirche, und die Anwesenheit beider katholischer Pfarrer war eine Freude. Auch durch die Auswahl der Werke wurde die Feier zur ökumenischen Vesper (Zipoli war katholisch), nämlich für die „Eine, heilige, allgemeine d. h. katholische und apostolische Kirche.” Wir freuen uns, daß heute durch die Betonung der Gemeinsamkeit in der Vesperordnung mit Psalmgebet und Magnificat die Katholizität in der evangelischen Kirche wächst, daß die Fülle des Glaubens Christen beider Konfessionen vereint, und daß die herrliche evangelische Kirchenmusik eine Hilfe leisten kann auf dem Weg zu dem großen Ziel, dem uns unser Herz entgegenführen will: „ . . . auf daß sie alle eins seien”. Deo Gratias!

Quatember 1982, S. 99-104

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-29
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