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„Sehet, das Lamm Gottes...”
von Beda Müller OSB

LeerAuf den „Brief” von Hans Grünewald (Heft 4/1982) und auf meinen Aufsatz, der eine Antwort auf die Anfrage von P. Beda Müller (Heft 3/1981, S. 152 ff.) aus Anlaß des Jubiläums der Evangelischen Michaelsbruderschaft war, hat unser Gesprächspartner seinerseits wieder geantwortet. Beide Stellungnahmen geben wir hier so wieder, wie sie geschrieben wurden: als Briefe, in denen die „Sache”, um die es geht, nicht nur objektiv-dogmatisch abgehandelt, sondern persönlich vertreten wird.
Jürgen Boeckh


LeerLieber Pfarrer Grünewald!

LeerFür Ihre Stellungnahme danke ich Ihnen, denn damit regen Sie das Nachdenken und das ökumenische Gespräch an. Sie vermissen in meinem Artikel „Fortdauer der Realpräsenz” in den entscheidenden Fragen Präzision. Sie möchten mich festlegen auf die Terminologie „Transsubstantiation”, auf Thomas von Aquin und auf Aristoteles, um unsere katholische Lehre dann als „nicht nachvollziehbar” abzulehnen. Zunächst ist zu sagen, daß die theologische Reflexion und lehrmäßige Ausgestaltung immer sekundäre Vorgange sind. Primär ist der lebendige Vollzug und die Glaubenserfahrung. Lex orandi est lex credendi.

LeerWenn Sie in die Dokumente hineinschauen, die als Frucht vieljähriger ökumenischer Dialoge in den letzten Jahren uns geschenkt wurden (u. a. „Das Herrenmahl” als Ergebnis des lutherisch-katholischen Dialoges und „Taufe, Eucharistie, Amt” (Lima-Text) als Ergebnis der Kommissionsarbeit der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des ÖRK, beide bei Otto Lembeck/Frankfurt), so werden Sie feststellen, daß auch dort von den katholischen Gesprächspartnern diese scholastische Terminologie vermieden wurde. Wir bemühen uns um eine bibelnahe Sprache und um allgemeinverständliche Ausdrücke.

LeerDer Terminus „Transsubstantiation” ist nicht nur in seiner Sprachgestalt schwierig, sondern eignet sich auch sachlich nicht mehr so recht, weil die moderne Naturwissenschaft einen anderen Substanzbegriff verwendet. Was er aussagen will, ist, daß die chemisch-physikalische Beschaffenheit von Brot und Wein zwar unverändert bleibt, daß aber in der Tiefe oder im Wesen der Elemente eine Veränderung sich ereignet. Daher sprechen wir auch von „Wesensverwandlung”. Ratzinger hat einmal gemeint, daß die lutherische Erklärung der Realpräsenz „in, mit und unter den Gestalten von Brot und Wein” von uns Katholiken akzeptiert werden könnte. Wir verzichten heute lieber auf eine „Erklärung”, und belassen es lieber beim „Geheimnis des Glaubens”.

LeerHinsichtlich der zeitlichen Fixierung des Beginns der Realpräsenz legen wir Katholiken heute nicht mehr soviel Gewicht auf die Wandlungsworte (damit sind die Einsetzungsworte gemeint), sondern sehen das ganze Hochgebet mehr als eine Einheit. Die Epiklese ist in der Ostkirche nach den Einsetzungsworten, bei uns vorher plaziert.

LeerIch möchte nun aber den Spieß herumdrehen und Sie fragen, lieber Herr Pfarrer Dr. Grünewald: Wie verstehen Sie die Realpräsenz? Können Sie mir präzise sagen, wann sie zeitlich beginnt und aufhört? Darf man von der Abendmahlsfeier der Gemeinde die eucharistischen Gaben den Kranken bringen oder nicht? Könnten Sie damit einverstanden sein, daß in einer Krankenhauskapelle das Abendmahl gefeiert und anschließend den Kranken, die womöglich mit Kopfhörer die Feier mitverfolgt haben, das Abendmahl auf die Zimmer gebracht wird? Eine Pastorin und Diakonissin schrieb mir auf meinen Artikel: Sie haben Recht. Wie können wir unserem Herrn sagen: „Jetzt mußt Du aus Brot und Wein verschwinden!”? Ich bin gespannt auf Ihre Antwort und grüße Sie herzlich

Ihr P. Beda

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Lieber Bruder Boeckh!

LeerIhre Stellungnahme zu meinem Artikel über die „Fortdauer der Realpräsenz” ist ein sehr erfreulicher Beitrag zum ökumenischen Eucharistiegespräch. Wenn ich die Frage stelle, ob Sie dieses Votum nur im eigenen Namen oder auch im Namen der Michaelsbruderschaft abgegeben haben, so scheint es mir fast zu positiv ausgefallen zu sein. Daher ist es gut, daß Hans Grünewald sich kritischer geäußert hat. Schon die Wahl des Titels „Siehe das Lamm Gottes”, die mit dem von Ihnen geschilderten Jugenderlebnis zusammenhangt, laßt erkennen, daß Ihr Ansatz nicht in der theologischen Reflexion und Begrifflichkeit, sondern in der persönlichen Erfahrung zu suchen ist.

LeerSie bringen sodann eine ganze Reihe von neuen Gesichtspunkten aus dem weiteren ökumenischen Umfeld, wie dies auch Sigisbert Kraft schon getan hat, Hinweise aus der geschichtlichen Entwicklung und Beobachtungen analoger Vorgange im evangelischen Raum, die meine Ausführungen teils ergänzen, teils bestätigen, teils behutsam modifizieren.

LeerBesonders dankbar bin ich für Ihre Äußerung, daß eine Antwort auf meine Anfrage nur durch eine „theologisch-vorurteilsfreie praxis pietatis” gegeben werden kann. Wie ich auch in meiner Antwort an Hans Grünewald betonte, ist die theologische Arbeit und begriffliche Ausgestaltung hinsichtlich des Eucharistieverständnisses sekundär gegenüber der Erfahrung im Umgang mit dem Herrenmahl. Dem entspricht, daß auch die jungen evangelischen Kommunitäten, die sich intensiver auf die Feier des Abendmahles einlassen, ehrfürchtiger mit den eucharistischen Elementen umgehen. Nicht nur in Taizé habe ich einen Tabernakel gefunden. So möchte ich unsere evangelischen Brüder und Schwestern einfach einladen, sich auf die Realpräsenz nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen einzulassen, sich in dieses Mysterium der Liebe Gottes zu versenken und sich vom Geiste Gottes führen zu lassen, der uns „in alle Wahrheit leitet”. Damit soll jedoch keineswegs die Bedeutung der theologischen Reflexion bestritten werden. Sie hat ihre wichtige Funktion der Klärung, der Unterscheidung, der Vertiefung und der Abgrenzung.

LeerSehr hilfreich ist Ihre abschließende thesenartige Zusammenfassung. Darin sehe ich geradezu ein Musterbeispiel für den ökumenischen Dialog. So sollen die Gesprächspartner ihre Ergebnisse verdeutlichen: in vorsichtigen Schritten vom Gesicherten zum weniger Gesicherten voranschreiten, vom Positiven zum Kritischen, immer im Blick auf den eigenen Standort und Kontext wie auf die Position des Partners.

LeerZwei Bemerkungen wollen das Gespräch weiterführen: In These 6 sagen Sie zum Schluß: „Wenn in den evangelischen Kirchen nach diesem Maßstab (von Peter Brunner) verfahren wird..., sollte es den katholischen Christen genügen”. Nein, auf uns Katholiken kommt es nicht an, sondern allein auf unseren HERRN! Die Frage muß lauten: Wird es IHM genügen?

LeerGanz zum Schluß Ihrer Stellungnahme stellen Sie die Frage: „Kann daraus (nämlich aus der Bitte katholischer Christen, mit den übrigen Elementen ehrfürchtig umzugehen) der Schluß gezogen werden, daß auch sie in den in einem evangelischen Abendmahlsgottesdienst konsekrierten Gestalten von Brot und Wein den in besonderer Weise gegenwärtigen Christus erkennen?” Die offizielle Stellungnahme des II. Vaticanums ist Ihnen bekannt. Ich darf sie für manche Leser zitieren: „Obgleich sie (die von uns getrennten Kirchlichen Gemeinschaften) nach unserm Glauben vor allem wegen des Fehlens des Weihesakramentes die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, bekennen sie doch bei der Gedächtnisfeier des Todes und der Auferstehung des Herrn im Heiligen Abendmahl, daß hier die lebendige Gemeinschaft mit Christus bezeichnet werde, und sie erwarten seine glorreiche Wiederkunft” (Ökumene-Dekret Nr. 22). Wenn Sie mich persönlich fragen, so muß ich gestehen, daß mich Ihre Formulierung „konsekrierte Gestalten” verwundert (ich lebe in Württemberg) und erfreut. Schon damit stehen Sie uns ganz nahe oder sind Sie schon in dieser Frage bei uns.

LeerZu Ihrer eigentlichen Frage kann ich nur sagen, wir wissen nicht, welche Art von Gegenwart wir in diesen Gestalten verehren dürfen. Wir möchten so gerne auch in ihnen an die reale Präsenz unseres Herrn glauben. Aber dieser Glaube wird uns durch den Umgang mancher evangelischer Pfarrer mit den übrigbleibenden Elementen erschwert oder unmöglich gemacht.

LeerDoch bin ich überzeugt, daß das alte katholische Prinzip „supplet ecclesia” auch hier anzuwenden ist. Es besagt, daß die Kirche den Mangel ergänzt, wenn bei der Spendung der Sakramente - die rechte Absicht vorausgesetzt - aus menschlicher Schwachheit ein Fehler unterlaufen ist. „Gott ist größer”! Auch die katholische Lehre und Praxis der „Geistlichen Kommunion” kann hier bedacht werden. Wie es außer der Wassertaufe noch die Bluttaufe und Begierdetaufe gibt, so gibt es außer der leiblichen Kommunion auch die geistliche Kommunion. Wenn jemand aus irgendeinem Grund verhindert ist, an Messe und Kommunion teilzunehmen (z. B. Krankheit, weiter Weg, kleine Kinder zu hüten, Reise), dann genügt das Verlangen nach der Eucharistie, um der Gnade des Sakramentes teilhaftig zu werden. Wir wissen vom heiligen Bruder Klaus von Flüe, daß er 20 Jahre lang nur von der Eucharistie gelebt hat (wie Therese Neumann). Da man zu seiner Zeit (15. Jahrh.) nur etwa viermal im Jahr kommuniziert hat, wäre er verhungert, wenn es nicht die geistliche Kommunion gäbe. Bruder Klaus hat bezeugt, daß es für ihn die größte Wohltat gewesen sei, wenn ein Priester in der Kapelle bei seiner Klause im Ranft die Messe feierte. Zwischen Wandlung und Kommunion sei ihm wieder neue Kraft zugeströmt.

LeerIch kenne mehrere evangelische Christen, die bei unsern Veranstaltungen auf die Teilnahme an der Kommunion verzichten als Beitrag zur Verwirklichung einer tragfähigen Abendmahlsgemeinschaft. Sie machen von der Möglichkeit der geistlichen Kommunion Gebrauch und versichern, daß sie reich beschenkt würden.

Ihr P. Beda Müller

Quatember 1983, S. 33-36

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-01
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