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von Jürgen Boeckh |
Zum neunten Mal fand in der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen in Berlin (West) ein Treffen evangelischer und katholischer Kommunitäten statt. Wir trafen uns, etwa 60 evangelische und katholische Christen, wie in den Jahren 1982 und 1983 im katholischen Gemeindezentrum mit der Kapelle "Maria Mutter vom guten Rat" in Lichterfelde-Süd. Ein Mitglied des Leitungsgremiums der UNA SANCTA BERLIN, Pater Gerhard Poppe SJ, ist dort als Seelsorger tätig. Im Anschluß an das Morgengebet - nach dem "Gotteslob" - konnten alle, die wollten, an den "Meditativen Körperübungen" unter Leitung von Angela Boeckh teilnehmen. Dazu ein Jesuitenpater: "Heute habe ich zum ersten Mal richtig sitzen gelernt!" Als Alternative war eine stille Besinnung in der Kapelle oder ein Spaziergang vorgesehen. Nach dem gemeinsamen Singen des Psalms 18 mit dem Kehrvers "Du führest mich hinaus ins Weite, du machst meine Finsternis hell" leitete uns Pater Beda Müller aus Neresheim, den Lesern unserer Zeitschrift wohl bekannt, zu einer Schweigemeditation an. Das Mittagsgebet wurde nach der Ordnung der Evangelischen Michaelsbruderschaft gehalten. Zunächst hatten unsere Treffen immer erst am Nachmittag begonnen, bis vor drei Jahren aus dem Kreis der Teilnehmer der Wunsch auftauchte, schon am Vormittag zusammenzukommen. Dabei sollten Meditation und Gebet im Vordergrund stehen. Der "geistliche Auftakt" war in diesem Jahr von besonderer Wichtigkeit, da wir am Nachmittag zwei Vorträge zu bewältigen hatten. Professor Dr. Heinrich Beck aus Bamberg, der in diesem Heft auch zu Wort kommt, hielt einen Vortrag über den "Sinn des Lebens und Sterbens". Für manche evangelische Christen war es überraschend, daß wir in einer solchen - geistlichen - Versammlung nicht unmittelbar von der Bibel aus an das Thema herangeführt wurden. Katholischer Tradition entsprechend versuchte Heinrich Beck als Philosoph zunächst auf dem Wege des Denkens Antworten, soweit sie möglich sind, zu finden. "Gratia non tollit: naturam sed perficit eam - die Gnade hebt die Natur nicht auf, sondern vollendet sie", sagt Thomas von Aquin. Ein besonderes Gewicht lag bei diesem Treffen auf dem Vorschlag, den P. Beda uns dann ausführlich erläuterte: den 23. Januar eines jeden Jahres zu einem ökumenischen Märtyrer-Gedenktag werden zu lassen. Was P. Beda sagte, ist in diesem Heft unter der Überschrift "Berlin, die Stadt der Blutzeugen" zu lesen. Bereits am 11. November 1983 hatte sich unser benediktinischer Freund in dieser Sache an den Bundespräsidenten, Prof. Dr. Karl Carstens, gewandt, ausgehend von der Rede, die dieser beim Festakt zum 500. Geburtstag Martin Luthers in Worms gehalten hatte. Die Tatsache, daß am 23. Januar 1945 Menschen, die überzeugte evangelische und katholische Christen waren, gemeinsam sterben mußten, u n d daß diese Tag gerade in die Gebetswoche für die Einheit der Christen fällt, war für P. Beda ausschlaggebend. Sehr verehrter Herr Bischof, Eminenz! Wie Sie aus dem beiliegenden Veranstaltungskalender für die Ökumenische Gebetswoche 1984 ersehen, wird am Montag, dem 23. Januar 1984, P. Beda Müller OSB aus Neresheim im Evangelischen Gemeindezentrum Plötzensee einen Vortrag halten, der überschrieben ist: 'Heute vor 39 Jahren: Gedenken an Eugen Bolz, Helmuth James Graf von Moltke, Theodor Haubach, Nikolaus Groß und sechs andere Märtyrer unserer Zeit'. In einer Lichterprozession werden wir dann zur Kirche Maria Regina Martyrum hinüberziehen und dort zum Abschluß eine Gebetsandacht halten. Bei unserem letzten Gespräch zur Vorbereitung der Gebetswoche haben wir den in Abschrift beiliegenden Brief von P. Beda an den Bundespräsidenten mit Zustimmung und Freude zur Kenntnis genommen. Wir haben beschlossen, diese Initiative zu einem ökumenischen Märtyrer-Gedenktag hier in Berlin aufzunehmen. P. Beda hat sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, daß wir seinen Brief Ihnen als den für Berlin zuständigen Bischöfen weitergeben mit der Bitte, zur weiteren Verwirklichung dieses Vorschlages beizutragen. Auch beim Treffen der Kommunitäten am 21. Januar 1984 wird P. Beda seine Gedanken darlegen. Ein erster Schritt ist bereits der von uns geplante Vortrag mit dem anschließenden Gottesdienst am 21 Januar 1984. Schon jetzt fragen wir Sie, ob Sie als die beiden Bischöfe am 23. Januar 1985, das ist dann ein Mittwoch, gemeinsam für einen Märtyrer-Gedenkgottesdienst zur Verfügung stehen könnten. Es wäre dann weiter zu überlegen, ob auch an anderen Stellen in Berlin, die an Kampf und Leiden bewußter Christen während des "Dritten Reiches" erinnern, ebenfalls Gottesdienste oder Andachten gehalten werden sollten. Da z. Z. nicht alle Berliner Christen jedes Gotteshaus aufsuchen können, wäre es sicher angemessen, wenn zumindest in jedem Teil der Stadt e i n Gottesdienst stattfinden könnte, z. B. in der St.-Hedwigs-Kathedrale, in der das Gedächtnis an Domprobst Lichtenberg gepflegt wird. Von Berlin aus hat seit den 30er Jahren die UNA-SANCTA-Arbeit wichtige Impulse erhalten. Wir können uns vorstellen, daß auch ein christlicher Märtyrer-Gedenktag von unserer Stadt aus nach beiden Teilen Deutschlands hin weitere Verbreitung finden wird. Das bekannte Wort Cyprians, des Bischofs von Karthago, können wir sicher in unserer Zeit - leicht abgewandelt - uns auch so zu eigen machen:"Das Blut der Märtyrer ist der Samen für die Einheit der Kirche." Für das UNA-SANCTA-Gremium: Johannes Günther Jürgen Boeckh" Beim Kommunitätentreffen am 21. Januar konnten wir bereits die Antwort des evangelischen Bischofs von Berlin verlesen: Verehrte, liebe Brüder, Ihre Überlegungen im Blick auf einen regelmäßigen ökumenischen Märtyrer-Gedenktag in Berlin kann ich aus ganzem Herzen bejahen. Ich bin auch bereit, im kommenden Jahr (23. Januar 1985), zusammen mit Kardinal Meisner, an dem Gottesdienst mitzuwirken. In brüderlicher Verbundenheit Ihr Martin Kruse" Inzwischen haben wir erfahren, daß der damalige Bundespräsident die Anfrage von P. Beda an die "Verantwortlichen der Evangelischen Kirche und der Deutschen Bischofskonferenz" weitergegeben hat. Als Ergebnis einer daraufhin erfolgten Diskussion wurde aus dem Bundespräsidialamt mitgeteilt: "Sie waren der übereinstimmenden Auffassung, daß alles getan werden sollte, um gemäß Ihrer Anregung die Erinnerung an die Zeugen der Widerstandsbewegung gegen das nationalsozialistische Regime wachzuhalten, In gleicher Weise bestand aber Einigkeit dahin, daß auf keinen Fall ein neuer, zusätzlicher Gedenktag erwogen werden sollte. Zeitlicher Kristallisationspunkt der Pflege des Andenkens an den Widerstand sollte vielmehr der 20. Juli bleiben." Ich bin nicht überrascht, daß die Verantwortlichen auf Bischofsebene sich so geäußert haben. Ich bin jedoch der Meinung, daß ein solcher Gedenktag "von unten her" wachsen kann und muß. Die Argumente von P. Beda sind überzeugend:
[Vgl.: Jürgen Boeckh - Predigt am 23. Januar 1989] © Jürgen Boeckh Quatember 1984, S. 162-164 |
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