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Thesen zur Abendmahltheologie, zum Konfessionsstatus,
zur Kirchenstruktur und zur sozialen Verantwortung der Kirche

von Bernhard Thomas

Leer1. Am Anfang der Geschichte des Abendmahls ist keine Einheitlichkeit auszumachen, sondern eine unklare Zusammengehörigkeit von vier Komplexen:
  • Gemeinschaftsmahl (agapeischer Aspekt)
  • Mahl mit besonderer Beziehung zu Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen
  • Mahl in der Nacht, als Jesus verraten wurde
  • Von eschatologischer Haltung und Freude bestimmtes Mahl der vorösterlichen Zeit (Sündermahl)
LeerDie Art dieser Beziehung in den verschiedenen Größen oder Aspekten ist nicht klar. Im Neuen Testament ist das sogenannte Stiftungsmahl deutlicher erkennbar als der Zusammenhang mit den Sündermahlen und ebenso der sakramentale Aspekt deutlicher zu erkennen als der agapeische.

Leer2. Diesem Gefälle entspricht eine weitere Entwicklung des christlichen Gottesdienstes: das agapeische Element schwindet und verschwindet, das sakramentale aber setzt sich durch und beginnt zusammen mit dem sich ausbildenden Priesterbegriff und Priesterstand die Gestalt der Kirche zu bestimmen. Es entwickelt sich eine sakral-hierarchische Kirchenstruktur. Das wirkt so, als wenn das Sakramentale für die Kirche das Wesentliche sei, und mit ihm die hierarchische Struktur (das „Amt”), das Agapeische aber verzichtbar.

Leer3. Die theologische Festschreibung und Bewältigung dieses Zustandes erfolgte, indem man fragte: „Welche Elemente unserer derzeitigen Kirchlichkeit in Frömmigkeit, Lehre, Praxis und Struktur sind in den maßgeblichen Quellen wiedererkennbar und somit legitimiert - sei es durch Schrift und Tradition im Zusammenhang mit dem Lehramt, sei es durch die Schrift allein?” Indem man die Elemente der Sakramentslehre in den Quellen wiederfand, sah man sich selbst als legitimiert an. Ob in der eigenen Auffassung etwas fehlte, konnte bei dieser Methode nicht auffallen. Man fragte ja nicht nach der Begründung des Fehlens von Elementen der Feier, deren Fehlen einem gar nicht aufgefallen war, sondern nach dem Nachweis des Bestehenden in den normativen Quellen. Deshalb mußte man sich nicht in Frage stellen lassen durch die Annahme und Kenntnis, es könne auch eine agapeische Sozialstruktur der Kirche analog dem Agapeischen im ursprünglichen christlichen Mahl geben, denn das war inzwischen durch die Entwicklung und den Stand des Kanons nicht mehr eindeutig als wesentlich für das Sakramentsverständnis auszumachen. Man wußte zwar von der Existenz einer agapeischen Praxis, hielt sie aber nicht für maßgebend für den Sakramentsbegriff und die Kirchengestalt. Daraus bildeten sich mehrere Typen eines Sakramentsbegriffes, von denen die folgenden vorherrschend wurden:
  • das Meßopfer: die Gültigkeit und Wirksamkeit des Sakraments ist gewährleistet durch das opfernde Tun der Kirche im priesterlichen Handeln, in dem die Gegenwart Christi wirklich wird; die Kommunion der Gläubigen ist dabei beides: Anteilgabe am Opfer der Kirche wie Anteilnahme am Opfer Christi - das Sakrament ist ein Komplex von Aktivität und Passivität, ist Geben und Nehmen.
  • Das Abendmahl: Das Sakrament ist reine Empfangshandlung, bei der der Glaube die (durch die Einsetzungsworte zugesagte) Gegenwart Christi empfängt; die Kommunion des Gemeindeglieds ist gebunden an die Funktion des Ordinierten durch die Zulassung und die Verwaltung (= Angebot).
LeerDie katholische Anschauung, das spezielle Opferanliegen sei historisch begründet und somit auch legitimiert durch den Zusammenhang von Agapeopfer und sakramentalem Mahl, verdient besondere Beachtung. Sie hängt damit zusammen, daß (wie oben gesagt) das Sakramentale im Neuen Testament klarer beschrieben ist als das Agapeische, das Agapeische dadurch aber nicht als unmaßgeblich hingestellt werden kann: als Teil der normbildenden Tradition wird es auch für die weitere Zukunft als gültig angesehen. Für die lutherische Normbildung vom sola scriptura her konnte demgegenüber nur das (eigene) Sakramentale als normativ entdeckt werden. Man könnte angesichts dessen auf die Idee kommen, zunächst dogmatisch über die Gültigkeit des sola scriptura („durch die Schrift allein”) oder eines Schrift-, Traditions- und Lehramtsprinzips Entscheidungen zu fällen. Das aber müßte sich an der tatsächlichen Geschichte der frühen Christenheit messen lassen

Leer4. Das urchristliche Mahl war weder reine Empfangshandlung noch priesterlich bedingtes Opferhandeln, sondern eine geistlich-soziale Lebensform der messianischen Heilsgemeinde, die sich im Mahl der Gegenwart Christi gewiß war und gleichzeitig Brüderlichkeit verwirklichte, und umgekehrt: im Mahl der Brüderlichkeit gleichzeitig der Gegenwart Christi gewiß war. Mit den kirchengeschichtlich erst später geprägten Formulierungen könnte man sagen: die sakramentale Form des Mahles war gleichzeitig das Modell sozialen Handelns - oder - die soziale Form des Mahles war gleichzeitig das Modell der sakramentalen Gewißheit der Gegenwart Christi. Das sakramentale Leben war gleichzeitig ein soziales und damit politisches, und das soziale und politische Leben war gleichzeitig sakramental und geistlich. Und das war nicht an Hierarchiebildungen gebunden.

LeerDieser Anfang des christlichen Mahles ist zwar nirgends eindeutig und ausführlich belegt - genau so wenig ist aber die Grundlage für den sakramentalen Deutungsversuch der reinen Empfangshandlung eindeutig und klar belegt! Für einen Anfang in der Art einer Agape-Eucharistie (oder wie man es nennen mag) sprechen viele Ergebnisse der Arbeit am Neuen Testament im Bereich der christlichen Frühgeschichte und die Tatsache, daß anders die spätere Gottesdienstgeschichte der Kirche nicht zu verstehen ist.

Leer5. Die Angaben des Neuen Testamentes und die forschungsgeschichtlichen Zusammenhänge dazu lassen sich hier nicht ausführlich darstellen. Aber auf folgendes sei hingewiesen:
  • Glücklicherweise hat es in Korinth Mißstände gegeben, die Paulus veranlaßt haben, den Korinthern über das Abendmahl Ausführungen zu machen, bei denen nicht nur über das „Sakramentale” gehandelt wird, sondern auch deutlich wird, daß es damals mindestens eine große Nähe zwischen sozialem und sakramentalem Aspekt im Mahl gab, und zwar schon vor Paulus. Unsoziales Verhalten ist gleichzeitig Verachtung des Herrn und begründet den Satz: Ihr feiert nicht das Mahl der Herrn.
  • Auch die Berichte vom letzten Mahl Christi reden von einem vollen Mahl. Bei diesen Berichten scheint sich in dem Verlauf der Tradition eine Parallelisierung der Worte zu Brot/Brotbrechen, Wein/Becher und Herumgeben wie Zu-sich-nehmen herausgebildet zu haben, eine Parallelisierung, die ursprünglich so nicht anzunehmen war. Das könnte damit zusammenhängen, daß die speziellen Brot-und-Wein-Formeln ursprünglich durch eine volle Mahlzeit getrennt waren. Später scheint man, als man das sakramentale Element deutlicher differenzierte, beides zusammengeordnet zu haben. Die Parallelisierung dieser Formeln wirkte also als Hinweis auf eine sekundäre Ausbildung sakramentaler Formen und Vorstellungen.
  • Erst spät wurde in der Forschung der Zusammenhang von eschatologisch geprägter Sündermahlpraxis Jesu und dem urchristlichen Mahl wahrgenommen, m. W. erst im 19. Jahrhundert, in dem die Eigenart der christlich-messianischen Eschatologie ja auch erst erforscht und erfaßt wurde.
  • Die Apostelgeschichte deutet an, daß es einen Zusammenhang von sakramentalem Mahl, sozialer Verantwortung und (später erfolgender) Hierarchiebildung gegeben hat.
LeerViele andere Hinweise wären noch zu geben. Die Reihe soll aber abgeschlossen werden durch zwei Beobachtungen:

LeerJohannes 13 scheint eine Interpretation des Abendmahls anzubieten, bei der soziale Haltung und (sakramentale) Anteilhabe an Christus zusammengehören: die Fußwaschung. Sollte das eine „nichtsakramentale” Antwort der johanneischen Theologie auf die sakramentale des Paulus sein?

LeerEin persönlicher Eindruck: Die Christenheit hat aus den Abendmahlsworten die Anschauung von einer sakramentalen Realpräsenz in den Elementen des Mahles abgeleitet, nicht aber aus der Aussage von Matthäus 25 eine Realpräsenz Christi in den geringsten Brüdern. Das Sakramentale scheint beliebter (und vielleicht auch weniger anstrengend?) als das Soziale zu sein (auch wenn es geistig schwerer zu bewältigen ist).

Leer7. Die spätere Geschichte des Gottesdienstes macht deutlich, daß erst durch den Verlust die Minderung des Wertes des sozialen Aspekts der spätere priesterlich-sakramentale Aspekt vorherrschend werden konnte und daß dabei das Opfer von einem Bestandteil des sozialen Aspekts zu einem Bestandteil des priesterlich-sakramentalen Aspekts wurde. Das sehe ich angedeutet in der Darstellung Gerhard Uhlhorns von der christlichen Liebestätigkeit, die, weil sie offenbar wenig bekannt ist, hier in einer reduzierten Zitatfolge wiedergegeben werden soll:

Leer„Zu den Mahlzeiten hatte jedes Gemeindeglied nach Vermögen beigesteuert, und die Sitte blieb auch, als die Abendmahlsfeier mancher Mißstände wegen von der Agape getrennt wurde. Beim Beginn derselben brachten die Gemeindeglieder Naturalgaben dar, die von den Diakonen eingesammelt wurden. Von diesen wurde das für die Abendmahlsfeier Erforderliche auf den Altar gelegt, während das übrige teils zur Unterhaltung der Kirchendiener, teils für die Armenpflege verwendet wurde.

LeerÜber den Gaben wurde dann ein Dankgebet gesprochen, welches zugleich dem Dank für die Gaben der ersten wie der zweiten Schöpfung Ausdruck gab . . . Zugleich wurde derer, welche Oblationen dargebracht hatten, im Gebet gedacht .... Dann folgten die Konsekrationsgebete und die Austeilung des gesegneten Brotes und Weines. Die dargebrachten Gaben bestanden anfangs gewiß nicht bloß aus dem zum Abendmahl nötigen Brot und Wein, sondern waren Naturalgaben allerlei Art. Man kann dieses daraus schließen, daß zu Anfang des vierten Jahrhunderts eine Reihe von Konzilbeschlüssen die Oblationen auf Brot und Wein zu beschränken bemüht ist. Nur Milch, Honig und Öl, deren man auch beim Kultus bedurfte, waren außerdem an bestimmten Tagen zulässig. Deshalb hörten doch Naturalgaben anderer Art nicht auf, sie wurden nur nicht mehr als eigentliche Oblationen behandelt, nicht mehr auf den Altar gelegt und benediziert, sondern ohne Benediktion in das Haus des Bischofs oder, wo schon Kirchengebäude vorhanden waren, in den dafür bestimmten Raum gebracht. Ein sehr schöner Zug ist dabei, daß auch derer gedacht wird, die gern geben möchten, aber nicht können . . . Wie jeder ungezwungen am Herrenmahl teilnimmt, so bringt er auch ungezwungen seine Gaben dar . . . Vor allem ist aber bedeutsam, daß die Almosen als Opfer aufgefaßt werden und als Opfer gegeben werden .... Nach Irenäus. . . hat Gott . . . uns Christen die Oblationen geboten, nicht weil er deren bedürfte, sondern damit wir nicht unfruchtbar und undankbar seien; und immer tritt bei Irenäus der Gedanke in der Vordergrund, daß diese Opfer Dankopfer sind. . .

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LeerBei Tertullian läßt sich nun aber schon eine bedenkliche Wandlung in diesem altchristlichen Gedankenkreise spüren. Zwar darin hält auch er noch an der alten Anschauung fest, daß der Begriff des Opfers noch nicht auf den Leib und das Blut Christi angewendet wird, diese werden genossen, aber nicht geopfert. Opfer sind bloß die dargebrachten Gaben. Aber der Charakter dieses Opfers als Dankopfer verdunkelt sich, es bekommt einen ergistischen, werklichen und damit verdienstlichen Zug . . . Während Tertullian noch ganz an der alten Anschauung festhält, daß die Darbietung der Oblationen selbst das Dankopfer der Gemeinde ist, wird seit Cyprian als das eigentliche Opfer die Darbringung des Leibes und Blutes Christi durch den Priester angesehen. Das mußte natürlich auch auf die Art, wie man die Oblationen ansah, zurückwirken. Waren diese früher das gemeindliche Dankopfer der Gemeinde, ... so werden sie jetzt Almosenopfer. Von dieser veränderten Bedeutung ist ein deutliches Zeugnis die Stelle, welche der Bruderkuß in der Liturgie einnimmt. Dieser hatte früher seine Stelle vor den Oblationen, denn diese sind das eigentliche Opfer. Jetzt wird der Bruderkuß nach den Oblationen gegeben, denn nicht diese, sondern die priesterliche Darbringung des Leibes und Blutes Christi ist zum eigentlichen Opfer geworden.” (G. Uhlhorn, Die christliche Liebestätigkeit, 2. Aufl. 1895, neu hrsg. Neukirchen 1959, S. 84ff., vgl. dazu die erste Ausgabe Stuttgart 1882 mit Quellenangaben.)

LeerDas christliche Opfer war als Herbeibringen von Gaben für die früheste Tischgemeinschaft wie für die späteren Agapen unerläßlich gewesen. Aber als die agapeischen Bestandteile aus dem Mahlgottesdienst „auswanderten”, blieb zunächst das Herbeibringen von Gaben mit liturgischer, diakonischer und kybernetischer Zielsetzung, wurden von ihnen doch die Amtsträger besoldet. Das Herbeibringen blieb, als wäre es als solches wesentlicher Bestandteil eines zwar nicht mehr agapeischen, aber die Diakonie noch immer umfassenden Gottesdienstes.

LeerAber aus dem Herbeibringen als Gestalt brüderlicher und liturgischer (Lei-tourgia = Gottesdienst) Aktivität wurde ein Darbringen des Opferpriesters im nicht mehr gleichwertig auf die Brüderlichkeit, sondern auf die sakramentale Komponente ausgerichteten Gottesdienst. Das kann nicht dadurch erklärt werden, daß es vorher ein ungeklärtes Nebeneinander von in sich geschlossenen und agapeischen Bestandteilen gegeben habe, die dann mehr oder weniger schadlos voneinander getrennt werden konnten, sondern das macht den Schluß notwendig, daß „sakramental” und „sozial” zusammengedacht und zusammenpraktiziert waren im übergreifenden Begriff des gemeinschaftlichen Dienstes.

Leer8. Der in der lutherischen Kirche geltende, durch die Bekenntnisschriften und darauf bezogene Kirchenverfassungen und Gesetze (z. B. Ordinationsvorschriften) vorausgesetzte Sakramentsbegriff besteht darin, daß von diesem „zwischenzeitlichen” priesterlichen Sakramentsbegriff das „Darbringen” weggenommen ist, die aktive soziale Komponente aber nicht wiedergewonnen wurde. Es entstand der Sakramentsbegriff der reinen Empfangshandlung. Der in der lutherischen Kirche gültige Sakramentsbegriff ist demnach nicht nur in nachkanonischer Zeit entstanden, sondern in Abwehr einer noch viel später entstandenen Wandlung des urchristlichen Gottesdienstverständnisses, als ein Element der Tradition und nicht des sola scriptura. Das wird bei Luther deutlich darin, daß er eine Abendmahls- und Kirchenauffassung ablehnen kann, die eine agape-ähnliche gottesdienstliche Aktion zum Inhalt haben können. So (später unwidersprochen!) im Sermon vom Sakrament und den Brüderschaften von 1519 (WA 2, 739 oder Cl I, 196, dabei besonders WA 2, 754 oder Cl I, 207, 6 ff.). Da drückt Luther zunächst mit lebhaften Worten aus, daß die Abendmahlsgemeinde „Gemeinschaft” sei, die sich der gegenseitigen Hilfe versichere und somit gegenseitige Liebe ausdrücke.

LeerSpäter aber modifiziert Luther diese Aussage von der Gestaltung der Gegenseitigkeit dadurch, daß er behauptet (a. a. O.!), aus eschatologisch-mystisch-platonischen Gründen dürfe diese Gemeinschaftlichkeit nur ein sichtbares Zeichen haben, nämlich die Anteilnahme an dem sakramentalen Brot und Wein. Hilfe mit sichtbaren Gütern, so meint er, würde uns davon abbringen, die unsichtbaren Heilsgüter und die ewige Seligkeit zu suchen. Die Gemeinschaft der Liebe, die sich auch nach seinen Worten im Abendmahl darstellt, ist somit keine soziale, diakonisch: reale, sondern eine geistlich sakramentliche, wobei der Sakramentsbegriff in ein dualistisches Welt- und Wertbild eingefügt worden ist. Das ist der Sakramentsbegriff, der sich weit nachkanonisch entwickelt hat, nicht auf das ursprüngliche Abendmahl anzuwenden ist, aber in den lutherischen Kirchen die Erkenntnis von agapeischen Zusammenhängen des frühen christlichen Mahles ausgefiltert hat, damit aber die Begründung für ein nach wie vor hierarchisch strukturiertes Kirchentum abgibt, dieses rechtlich absichert und noch dazu geistlich begründet. Kurz gesagt:

LeerDas Abendmahl bei uns heute und die mit ihm verbundene Kirchlichkeit bindet sich an eine Spätform der Abendmahlsentwicklung, in der das Abendmahl dem Stiftungsursprung wesentlich entfremdet ist. Diese Veränderungen können durch folgende Andeutungen beschrieben werden:
  • Reduzierung einer Mahlhandlung zu einer Mahlandeutungshandlung.
  • Veränderung einer geistlich-sozialen Lebensform der Gemeinde Christi zu einer kultischen Feier des Empfangs der Gegenwart Christi.
  • Bildung eines hierarchischen Gefüges in der Kirche zur Gewährleistung der Gültigkeit dieser Feier anstelle der Beibehaltung einer bruderschaftlichen Gegenseitigkeit in wechselnden Funktionen.
  • Verlust des christlichen Opfers.
  • Ausbildung eines Sakramentsbegriffes, bei dem messianische Eschatologie in griechische Metaphysik umgewandelt wurde und bei dem deshalb soziale Bezüge verloren gingen, sowie die Deutung des Ursprungs von diesem späteren Sakramentsbegriff aus durch „Rückdatierung”.
  • Reduzierung der Ansätze zur sozialen Veränderung in der Welt durch die organisierte Christenheit.
Leer9. Die Erkenntnis dessen provoziert die Frage, wie der Konfessionsstatus in Bezug auf die Voraussetzung des Sakramentsbegriffes gewandelt werden kann. Dabei bilden sich folgende paradoxen Situationen:

LeerDie wegen der Normativität des durch Christus Eingesetzten erfolgte Vermeidung einer kirchlichen Lehrinstanz muß aufgegeben werden, um Rechtfolgen des bisherigen Konfessionsstatus überwinden zu können, indem eine Art Lehrinstanz gefunden wird. - Und:

LeerUm der Forderung des bisherigen Konfessionsstatus nach Übereinstimmung des gefeierten Abendmahls mit der Einsetzung durch Jesus Christus nachzukommen, muß die Definition des Abendmahls nach eben diesem Konfessionsstatus verändert werden.

Leer10. Die Folge eines solchen Vorgehens müßte sein, ein Abendmahl zu finden, das mehr als das bisherige der Einsetzung Christi entspricht. Und da das von Christus eingesetzte Abendmahl eine geistlich-soziale Lebensform der Gemeinde war, müßte von da aus das kirchliche Leben als eine Lebensform gestaltet werden, zu der neben kerygmatischen, seelsorglichen und liturgischen Aufgaben neue Aufgaben hinzukommen als für die Kirche wesentlich, die heute im sozialen und politischen Engagement der Einzelperson angesiedelt sind oder sein sollten. Das schließt unmittelbare politische Relevanz der geistlichen Lebensformen der Kirche ebenso ein wie die Aufgabe bestimmter hierarchischer Strukturen in der Kirche.

LeerEine weitere Folge dieses Vorgehens könnte sein, den Punkt auszumachen, von dem her der typisch protestantische Affekt gegen katholische Opfervorstellungen überwunden werden kann und die katholische Opfervorstellung losgelöst werden kann von der Bindung an ein Priestertum - beides mit dem Ziel, ökumenischer zu werden.

Quatember 1985, S. 27-33

[Leserbriefe sind in Heft 2 und Heft 4 veröffentlicht.]

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-10
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