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Zum Abendmahlsgespräch
Leserbriefe zu den Thesen zur Abendmahlstheologie

LeerZwei Briefe zu den Thesen zur Abendmahlstheologie von Bernhard Thomas (Heft 1/1985, S. 27-33) wurden bereits in Heft 2 dieses Jahrgangs abgedruckt. Da die hier vorliegenden Stellungnahmen umfangreicher sind, bringen wir sie zusammengefaßt im ersten Teil unserer Zeitschrift. Der Beitrag von Horst Hildemann wurde gekürzt.

LeerThesen, die zu einer Überwindung festgefahrener Auffassungen führen sollen und die konfessionelle Positionen in Frage stellen, sind dankbar zu hören und sorgsam zu prüfen. Der liturgiegeschichtliche Befund, von dem Bernhard Thomas ausgeht, ist mir fragwürdig. Er stützt sich auf eine Arbeit von G. Uhlhorn von 1895, die mir nicht vorgelegen hat. Seine These lautet, daß „das Opfer von einem Bestandteil des sozialen Aspektes zu einem Bestandteil des priesterlich-sakramentalen Aspekts wurde”. Eine ähnliche Auffassung hat nach ihm G. P. Wetter, Altchristliche Liturgien, II. Das christliche Opfer, Göttingen 1922, vertreten (vgl. J. A. Jungmann, Missarum Solemnia, 1962, Bd. 2 S. 6). Unglücklicherweise ist „Opfer” ein sehr schillernder Begriff! Ich muß also bei der Sache ansetzen. Das Mitbringen von Gaben für die Gemeindediakonie hat natürlich auch seinen Ort im Gottesdienst, ist aber etwas völlig anderes als die eucharistische Anamnese, das Lobopfer, das mit der Präfation beginnt. Auch wenn die mitgebrachten Gaben „Dankopfer” waren, waren sie kein Hochgebet! Das Lobopfer aber war schon immer ein wesentliches Element der Mahlfeier. Der Vortrag des Hochgebetes war Sache des Vorstehers, aber für alle gesprochen („ . . . nos servi tut sed et plebs tua sancta - wir, deine Knechte und dein heiliges Volk” / Römischer Kanon, Anamnese).

LeerEs mag sein, daß es lange Zeit als eine dogmengeschichtliche Selbstverständlichkeit gegolten hat, daß „seit Cyprian als das eigentliche Opfer die Darbringung des Leibes und Blutes Christi durch den Priester angesehen” wurde. Ich halte diese Auffassung, die aus Uhlhorn zitiert wird, für eine erhebliche Verzeichnung der Liturgiegeschichte. Die Darbringung durch den Priester, von der da gesprochen wird, soll demnach eine Darbringung an Gott bedeuten; aber offere corpus et sanguinem Christi kann auch Herbeibringen und Austeilen in der Kommunion bezeichnen - ist das kein Darbringen des Leibes und Blutes Christi? Trotz der Ambrosiustradition in „De sacramentis”, die von einem Konsekrationsmoment durch Zitierung der verba ipsissima - der ureigenen Worte - Christi weiß, scheint im lateinischen Liturgiebereich der Gedanke an ein Konsekrationsmoment in den Einsetzungsworten - das wäre die Voraussetzung für eine Darbringung von Leib und Blut Christi an Gott! - erst sehr spät zu einer allgemeineren Überzeugung geworden zu sein. Das zeigen die Eucharistiegebete der altspanischen und altgallischen Überlieferung ebenso wie spätantike und frühmittelalterliche Auslegungen des römischen Meßkanons (vgl. dazu meine Dissertation: Von der Darbringung des Leibes Christi in der Messe. Studien zur Auslegungsgeschichte des römischen Meßkanons, München 1970).

LeerFür die Schwierigkeiten der Auslegung des römischen Meßkanons gibt noch Innozenz III. († 1216) ein beredtes Zeugnis, wenn er Gebete nach den Einsetzungsworten als Konsekrationsbitten verstehen will und meint, die Einsetzungsworte gehörten eigentlich an das Ende des Kanons! (Migne, PL 217, col 887 D und 888 A-C). Wo bleibt dann die Darbringung von Leib und Blut Christi? - Das „Meßopfer” ist im lateinischen Liturgiebereich in einer langen Tradition als Lobopfer verstanden worden - „sacrificium laudis” sagt auch der römische Kanon. Gestalt und Verständnis des Lobopfers sind jedoch im Laufe der mittelalterlichen Entwicklung verlorengegangen. Wie verständnislos liturgische Texte behandelt wurden, zeigt z. B. Albertus Magnus, wenn er die Präfation begreift als eine Vorrede zur öffentlichen Belehrung des Volkes über die Erhabenheit des Sakramentes (De sacr. Missae III, l; ed. Borgnet S. 81).

LeerLuther fußt so bereits auf einer „alten” Tradition, wenn er in der Deutschen Messe aus der Präfation eine Abendmahlsvermahnung macht! Das Lobopfer ist zur unwesentlichen Ausschmückung des „Sakraments” geworden. Das urchristliche Mahl war weder reine Empfangshandlung noch priesterlich bedingtes Opferhandeln (in einer sehr verengten und fragwürdigen Zuspitzung), darin bin ich mir mit Bernhard Thomas einig. Hier gilt wohl, daß beide Konfessionen voneinander lernen sollten. Daß aus dem Lobopfer und Bekenntnis und unserer Begnadigung der „Leib” auch als geistlich-soziale Lebensform erwachse, erhoffe ich als die Zukunft des Heils.

Hans-Christian Seraphim

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LeerZur Abendmahlstheologie von Bernhard Thomas möchte ich mich im Zusammenhang mit anderem, was in Quatember zu lesen war, äußern. Ich bitte, darüber hinwegzusehen, daß meine Anmerkungen unter streng theologischem Aspekt vielleicht nicht ganz .legitim erscheinen. P. Beda Müller schrieb (Heft 1/1985) an Pfarrer Dr. Blum: „Wir machen die Erfahrung, daß Schweigemeditation und Eucharistie sich gegenseitig erst so recht fruchtbar machen ...” P. Beda geht hier auf die Zen-Meditation im christlichen Raum ein. Wenig später schreibt er, daß heute außer Gold, Weihrauch und Myrrhe noch andere Schätze des Ostens, Yoga und Zen, zu Christus gebracht werden.

LeerWeiter: Lese ich Zen, dann klingt Koan mit. Die Wortdeutung (Heft 4/1984, S. 224) möchte ich ergänzen, präzisieren: „Koan bedeutet die Anekdote eines alten Meisters oder das Zwiegespräch zwischen Meister und Mönchen oder eine Feststellung oder auch eine Frage . . . Mittel, die dazu dienen sollen, den Geist für die Wahrheit des Zen zu öffnen.” (D. T. Suzuki) Weiter: G. G. Blum fragt: Gibt es auch für das christliche Meditieren ein Koan? Graf Dürckheim antwortet: Jesus Christus. „Die christliche Theologie aller Zeiten ist nur ein immer neuer Versuch, sich diesem Koan zu stellen. Jede Meditation eines Christen ist nichts anderes als die Bemühung um Offenheit „für das unauflösbare Mysterium des ‚Ich bin, ehe Abraham war/rsquo;” (Heft 4/1984, S. 224).

LeerJesus Christus gibt sich in der Stunde der Eucharistie ... als das in seinem Leibe präsente mysterium fidei, wie es im Kanon der Messe heißt, das unauflösbare Rätsel, das sich uns offenbart, wenn wir es leben, realisieren als das unerschöpfliche Koan, dem wir uns immer neu zu stellen versuchen. Die Theologie gibt Auskunft über das Bemühen der Kirche, die Konfrontation mit dem Geheimnis auszuhalten, der Herausforderung standzuhalten . . . Das Geheimnis: Mein Leib! Nimm und iß! Und hat man es, nein: Ihn, sich „einverleibt”, hat Er sich in uns noch einmal inkarniert, der „Christus in uns”, dann wird das andere Koan in uns Gestalt annehmen, die andere große, heilige Feststellung neben, mit und unter der anderen, der ersten am Abend, da er verraten ward: „Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe, auf daß auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.” (2. Kor. 4, 10).

LeerDie Frage nach dem christlichen Opfer findet in solcher sich dreingebenden, opferbereiten Feststellung wie der des Apostels und seines eigenen Lebens als einer einzigen Hingabe ihre Antwort auf einer Ebene und in einer alle Historizität und Tradition überhöhenden Dimension der via unitiva. Diese ist uns, die wir unterwegs sind und immer noch Emmaus-Fragen auf dem Herzen haben (sie Ihm zu sagen in dem großen Zwiegespräch, in dem es um die Wahrheit - Ihn selbst - geht!), als letztes Ziel gesetzt. Bernhard Thomas will gewachsene Strukturen und gereifte Theologie verändern, um der Einsetzung des Abendmahls wieder gerecht zu werden. Er will zum Stiftungsursprung zurück und wagt deswegen im letzten Abschnitt (S. 33) einen Salto mortale. Er will aus der messianischen Eschatologie die griechische Metaphysik eliminieren, eine Re-Metamorphose eschatologischer Vorstellungs- und Verhaltensmuster ansteuern. Er möchte durch die organisierte Christenheit in der Welt eine soziale Veränderung bewirken lassen und sieht das Scheitern solcher Unternehmung in der Fehl-Entwicklung der Abendmahlstheologie. - „Geprägte Form, die lebend sich entwickelt” - darf man sie in den Augenblick der Prägung zurücknehmen?

LeerWorum es im Abendmahl geht - ich möchte es so ausdrücken: um Sein Gedächtnis, das wir tun sollen, indem wir das Geheimnis Seiner Opferliebe als ein Koan annehmen, mit dem wir uns vereinen sollen, indem wir sie an uns und durch uns selber leben, besser: indem wir Ihm Raum geben, seine Opfer liebe an unserem Leibe weiter Wirklichkeit werden zu lassen zum Heile der Brüder. Daraus erwachsen dann die geistlich-sozialen Lebensformen ganz von selbst. Das Leben selber wird zu einer einzigen Agape. Denn die Werke fließen aus dem Glauben. Der Glaube aber wurzelt darin, daß ich mit dem Meister zu Tische sitze, mich fragen lasse, die Fragen mit mir trage und im Herzen bewege wie Maria und versuche, mit meinem Leben auf diese Fragen Antwort zu geben. Die Frage ist Er - die Antwort bin ich. Das Koan ist Er in mir geschieht im Licht der Gnade die Erleuchtung der Erkenntnis, die Auflösung des Rätsels. Anders nicht. Ich kann sie nicht ergrübeln, ich kann sie nicht er-reden. Ich muß sie leben.

Horst Hildemann

Quatember 1985, S. 225-228

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-10
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