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Mit Maria unterwegs
Jürgen Boeckh

LeerDas Fest »Mariä Heimsuchung« gehört zu den unbeweglichen Festen und Gedenktagen, die die lutherische Reformation beibehalten hat - wenigstens auf dem Papier. In der Einleitung für diesen Tag, den 2. Juli, heißt es: »Dieser dritte der biblisch begründeten Marientage hat als sein Evangelium die Geschichte von der Begegnung zwischen Maria und Elisabeth, die als >Heimsuchung< ein besonders beliebter Gegenstand künstlerischer Darstellung gewesen ist. Als Epistel dient die Weissagung aus dem Buch Jesaja von dem Zweig aus dem Stamm Isais (der >Wurzel Jesse<). Das Lied des Tages ist der Lobgesang der Jungfrau Maria, in die Form eines Liedes gefaßt.«

LeerDer Begriff »Heimsuchung« ist heute kaum bekannt, weder im positiven noch im negativen Sinne. Er bedeutete einst »im Hause aufsuchen«. Als Rechtstermin konnte der »Hausfriedensbruch« das gleiche bedeuten. Zur Zeit Luthers überwog der positive Gebrauch. Unser Fest wurde zuerst in dem Franziskanerorden gefeiert und im Jahre 1389 unter Papst Urban Vl. für die abendländische Kirche vorgeschrieben. Bonifazius IX. bestätigte es im Jahre 1390. Die Ostkirche kennt dieses Fest nicht, da im Jahre 1054 die Verbindungen zwischen Rom und Byzanz gelöst wurden.

LeerDas Fest »Mariä Heimsuchung« heißt in der lateinischen Sprache »In Visitatione B. Mariae Virg.«: »Der Besuch der seligen Jungfrau Maria«. In dem alten »Schott« heißt es: »Heute feiert die Kirche den Besuch der gesegneten jungfräulichen Mutter Maria im Hause ihrer Base Elisabeth, die Heiligung Johannes des Täufers schon vor seiner Geburt und das Geburtsfest des unvergleichlichen Jubelgesanges des Magnifikat.« Indem neuen »Großen Sonntagsschott« ist in den Festen des Herrn und der Heiligen »Mariä Heimsuchung« (leider!) nicht aufgeführt, aber im offiziellen Festkalender der römischen Kirche, und damit auch im Brevier, ist es enthalten. Auch das Datum - der 2. Juli - hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß der Geburtstag Johannes des Täufers am letzten Tag der Oktav (dem 8. Tag) lag, an dem das Beschneidungs- und Namensfest gefeiert wurde.

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LeerEs wäre schön, wenn Sie, liebe Leserin und lieber Leser, nun das Neue Testament aufschlagen und in dem 1. Kapitel des Evangeliums nach Lukas die Verse 26 bis 56, besonders die Verse 28 und 42, in der Stille lesen könnten ...

LeerViele - auch bewußt- evangelische Christen wissen nicht, daß das »Ave Maria« in der Bibel steht:
Sei gegrüßt, du Begnadete! (Lukas 1, 28)
Gepriesen bist du unter den Frauen,
und gepriesen ist die Frucht deines Leibes. (Lukas 1, 42)
LeerDer Gruß des Engels Gabriel und der Gruß der heiligen Elisabet wurden schon um 600 im Opfergebet des vierten Adventsonntages vereinigt. Im 11. Jahrhundert wurden in den Orden zu Ehren Marias die »kleinen Tagzeiten« mit dem Ave Maria eingeführt, und seit dem Ende des 14. Jahrhunderts kam noch der Name Jesus oder Jesus Christus dazu. Die erste Urkunde, die dazu das Bittgebet »Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes« bringt, stammt aus dem Jahre 1483 (hierzu Franz Michel Willem: Die Geschichte und Gebetsschule des Rosenkranzes. Herder-Verlag, Wien, 1948). Ist es nicht ein merkwürdiger »Zufall«, daß in eben diesem Jahr Martin Luther geboren wurde? Noch im 18. Jahrhundert wunde das Ave Maria in abgelegenen Tälern der Alpen ohne das Bittgebet gesprochen.

LeerKatholische Christen kennen - in der Regel - den Rosenkranz, manchmal auch evangelische. Im Jahr 1990 hat Beda Müller OSB in unserer Zeitschrift über den marianischen Rosenkranz geschrieben (S. 30-33), Rudolf Ehrat über den Christus - Rosenkranz (S. 86-90). Hier soll noch etwas über den Rosenkranz in bezug auf »Mariä Heimsuchung« gesagt werden.

LeerIm Rosenkranz wird der Gegenstand der Betrachtung jeweils zehnmal in einem kurzen Satz, dem sogenannten »Geheimnis«, zusammengefaßt. Innerhalb des »freudenreichen Rosenkranzes« (außerdem gibt es den »schmerzhaften« und den »glorreichen«) ist das zweite »Geheimnis« der Gang Marias zu Elisabet:
Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade. Der Herr ist mit Dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus,
den Du, o Jungfrau, zu Elisabet getragen hast -
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.
LeerKatholische Christen sagen uns, daß sie auch den marianischen Rosenkranz als Christusgebet auffassen, auch mit der Fürbitte zu Maria. Anderereits: Was hindert uns, falls wir die Bitte an Maria nicht anfügen, daß wir, wie manche lutherischen »Väter« es taten, das »Gegrüßet seist Du, Maria« einfach mit dem »Geheimnis« beenden?

LeerSeit vielen Jahren habe ich mir den Vorschlag von Romano Guardini aus dem Betrachtungsbuch »Das Jahr des Herrn« (Mathias-Grünewald Verlag, Mainz, 1949) zu eigen gemacht, den Rosenkranz in einer Form zu beten, die der marianischen entspricht - mit Lobpreis, dem »Geheimnis« und der Bitte:
Gepriesen sei der Herr, der Heilige und Mächtige,
der Sohn des lebendigen Gottes,
den Du, o Jungfrau, zu Elisabet getragen hast -
Jesus Christus, Heiland der Welt,
unser Meister und unser Bruder, sei uns gnädig.
LeerMaria, die junge Frau, hat sich auf den Weg gemacht - sie eilt über Berge und Täler. Ihr Ziel ist das Haus des Zacharias und der Elisabet. Sie weiß, daß Elisabet schwanger ist. Elisabet ist die mütterliche Frau, die - o Wunder! - gebären soll. Maria sucht Schutz bei ihr. Von einem »Wunder« weiß sie nichts.

LeerAber ein Wunder ist es, daß die junge Frau sich überhaupt auf den Weg gemacht hat. Sie weiß, daß es nicht schicklich ist, wenn eine junge Frau so weit unterwegs ist. Was sollte sie tun? Die anderen haben noch nichts gemerkt. »Friede sei mit dir«, sagt Maria. »Friede sei mit dir«, antwortet Elisabet.

LeerDer Vater ist nicht zu Hause. Jetzt können die beiden Frauen miteinander sprechen. Elisabet ist glücklich. Der Herr hat sie von ihrer Schande befreit. Auf andere Weise geht Maria ihrer Schande entgegen. Aber ist das eine Schande? Ich weiß überhaupt nicht, was geschehen ist. Wieso bin ich »gesegnet unter den Frauen«? War es ein Traum, als ein Engel zu mir sprach? Ich habe Angst! Warum bin ich nicht umgekehrt?

LeerEs ist doch gut, daß ich zu Elisabet gekommen bin. Behutsam nimmt sie mich in die Arme. Und plötzlich merken beide, daß »es« sich bewegt! Da ruft Elisabet: »Du bist gesegnet, mehr als alle anderen Frauen! Du bist gesegnet, gesegnet ist dein Leib, gesegnet ist dein Kind!«

LeerIch war ganz verwirrt. Aber jetzt kann ich mich auch wieder freuen! Ich habe keine Angst. »Fürchte dich nicht«, hat damals der Engel gesagt, »du bist gesegnet.« Jetzt erst will ich dieses Kind annehmen. Ich möchte, daß alle Frauen ihre Söhne und Töchter annehmen, die ungeborenen und ebenso die, die schon das Licht der Welt erblickt haben.

LeerWer bin ich, sagt Elisabet, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, regte sich das Kind in meinem Leib. Ich bin froh, und du sollst und du wirst auch froh sein! Im stillen denkt Maria: Was würde sein, wenn ich diesen Weg nicht zu Ende gegangen wäre? Wenn ich umgekehrt wäre? Jetzt weiß ich auch, daß dies erst der Anfang des Weges ist, den der Herr mit mir und meinem Kind vorhat. »Der Herr hat mich schon gehabt am Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her.« So heißt es im Buch der Sprichwörter.
Selig bist Du, die Du geglaubt hast.
Selig bist Du, Maria, Du junge Frau.
Den Schöpfer des Alls hast Du getragen.
Du gebarst Ihn, der Dich schuf -
und bleibst Jungfrau in Ewigkeit.
Evangelium und Offertorium von Mariä Heimsuchung.
Quatember 1992, S. 105-108
© Dr. Jürgen Boeckh Berlin

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-15
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