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Kloster Urspring und seine Umwelt V
Die Freizeiten des Sommers 1932

LeerWir sind mit unsern Freizeiten dem weiten Kreise unserer „Jahresbrief”-Leser gegenüber in einer seltsamen Lage. Immer stärker verlieren die Freizeiten alles Literarische und zu literarischer Wiedergabe Drängende. Und gleichzeitig müssen wir erfahren, daß sie das eigentliche (innerliche und äußerliche) Wachstum unseres Kreises verkörpern und alles, was sonst im Kreise geschieht, auch alle gedruckten Veröffentlichungen, innerlich tragen und allererst ermöglichen. Was bedeutet die Tatsache, daß das „Gebet der Tageszeiten” schon in mehreren Auflagen ins Land gegangen ist, gegenüber dem andern, daß es an einem Ort jeden Sommer einige Wochen hindurch regelmäßig von einem größeren Kreise gebetet wird? Wir spüren darum immer wieder die Pflicht, auf die Freizeiten hinzuweisen, zu ihrem Besuch Mut zu machen und Mißverständnisse über das, was dort eigentlich vor sich geht, aus dem Wege zu räumen. Aber wir können dieser Pflicht nicht damit genügen, daß wir Themen aufzählen, die in den Gesprächen der Freizeiten angeschlagen wurden oder gar Ergebnisse dieser Gespräche und Erlebnisse in den Gottesdiensten registrieren. Nur ganz andeutend kann man immer wieder auf das hinweisen, was den Besucher solcher Wochen erwartet.

LeerEs gilt ganz besonders von Kloster Urspring, daß der Ort und die gegebene Ordnung der Zeit den Untergrund darstellen, in den alles einzelne Geschehen eingebettet ist. An den örtlichen Verhältnissen hat sich seit dem Vorjahre wenig geändert (siehe „Weihnachtsbrief 1931”, Seite 20). Die Urspring-Schule ist erstarkt und hat nun über vierzig Schüler; im freiwilligen Arbeitsdienst ist ein Schwimmbad geschaffen worden, das auch bei trüber Witterung fleißig gebraucht worden ist; die bauliche Instandsetzung des Kircheninnern hat Fortschritte gemacht. Die Ordnung der Zeit durch die täglichen Gebetsstunden wird von den meisten Teilnehmern ebenso sehr als das Ungewohnteste wie auch als das eigentlich Heilsame der Freizeiten empfunden.

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LeerWir haben ja heuer auf die Abhaltung von sog. Ferienwochen ganz verzichten müssen, einfach, weil die Zahl der Menschen zu sehr überwiegt, die erst einmal gründlich in Berneuchen eingeführt sein wollen, gegenüber denen, die es sich leisten können, zur Erholung im Kloster zu sein. Aber daß die eigentliche Umstellung und Befreiung vom Alltag nicht aus dem Hören von Vorträgen und Teilnehmen an Aussprachen, ja nicht einmal aus gelegentlichem gemeinsamem Singen kommt, sondern daraus, daß man Tag für Tag immer wieder Zeit hat, Morgen, Mittag und Abend als ein Christ vor Gott betend zu begehen, das darf doch bei allem Wissen um die große Dringlichkeit auch der in all diesen Tagen geleisteten geistigen Arbeit rund heraus gesagt werden. Dabei brauchen es durchaus nicht irgendwie auf solch „beschauliches” Leben im voraus geeichte Menschen zu sein, die nach Urspring kommen: wenn sie sich nur soviel innerlich öffnen können, daß sie es wagen, an ansprachelosen Andachten regelmäßig teilzunehmen.

LeerKarl Bernhard Ritter hielt vom 1.-7. August eine Woche, deren Arbeit dem Epheserbrief galt: was hier dem Protestantismus unserer Tage über die Kirche gesagt ist, stand im Mittelpunkt der Besinnung. Noch stärker vom Zeitgeschehen her bestimmt war die zweite Woche vom 8.-14. August, in der von der Bedrohung der Kirche durch die Zivilisation gehandelt wurde. Anschließend hielt Wilhelm Stählin eine Woche, die in erster Linie für die Jugend bestimmt war und der grundlegenden Einführung in den Sinn der Kirche diente. In seiner zweiten Woche, vom 22.-29. August behandelte Stählin ein für unsere ganze Arbeit grundlegendes Einzelthema: die Gleichnisse Jesu. Diese letzte Woche war am stärksten besucht (es bleiben ja auch oft Teilnehmer von einer Woche zur nächsten), wieder bis an die Grenze des Tragbaren (66 Teilnehmer).

LeerWir müssen also ernsthaft daran denken, für diese entscheidenden Sommerwochen auch noch andere Stätten ausfindig zu machen, vor allem mehr im Norden Deutschlands, um Urspring zu entlasten und auch denen die Teilnahme zu ermöglichen, für die es zu sehr abliegt. Doch wird Kloster Urspring, der Ort unserer mit vielen Opfern geschaffenen Kreuzkapelle, das wichtigste Freizeitheim unserer Arbeit bleiben, gerade weil es nicht nur Freizeitheim ist, sondern zugleich das Heim einer uns innerlich verbundenen Schule, mit deren weiterem Wachstum wir auch die Räumlichkeiten des ganzen Klosters langsam weiter auszubauen hoffen dürfen.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1932/33, S. 21-22

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-01-26
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